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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

brachte ihn wieder dem Ruin nahe, zuletzt aber überwand er alle wirthschaftlichen Hindernisse.

Praktische Wirksamkeit wurde diesem tüchtigsten Manne nicht verstattet; man hat ihn nicht einmal zum Mitglied bürgerlicher Collegien oder Verwaltungsdeputationen berufen. Das hinderte ihn jedoch nicht, den vaterstädtischen Angelegenheiten unausgesetzte Aufmerksamkeit zu widmen und überall mit seiner gemeinnützigen Feder einzugreifen. So z. B. stöberte er ein rechtes Wespennest auf, als er das völlig im Argen liegende Bauwesen einer strengen Prüfung unterwarf, zum großen Schaden seiner eigenen Privatinteressen; die Behörden verfolgten ihn dafür mit grimmigem Hasse und entzogen ihm alle Staatsarbeiten. Das war der Dank von oben für einen verdienten Patrioten. In der Liebe Tausender fand er aber reiche Entschädigung; das Volk versagte ihm die Bürgerkrone nicht. Was ihm die Engherzigkeit und Feindseligkeit der Behörden vorenthielt, wurde bei verschiedenen Gelegenheiten durch Dank- und Ehrenbezeigungen seiner Freunde und des Volkes gutgemacht.

Die verrottete Verfassung und altersschwache Verwaltung Hamburgs fiel sogar nicht durch das ungeheure Brandunglück von 1842; die anfänglichen Reformversprechungen der moralisch bankerotten Behörden wurden bald wieder in den Wind geschlagen und die alten Perrücken stiegen wirklich als gepuderte Phönixe neu aus der Asche Hamburgs empor. Das Jahr 1848 war natürlich nicht geeignet, die Unfähigkeit und Verkommenheit der alten Behörden in ein besseres Licht zu setzen. Der greise Mettlerkamp gehörte zu der Fünfzehner-Deputation, welche die Sturmpetition aus der großen Volksversammlung in die Senatssitzung trug. Er war dann Alterspräsident der verfassunggebenden Versammlung und ein thätiges Mitglied des Wehrausschusses. Obgleich nicht ganz einverstanden mit der Verfassung von 1849, vertheidigte er sie doch standhaft gegen den widerwilligen Senat und die alten Stadtzöpfe. Sie ist nie eingeführt worden; die deutsche Reaction verschlang auch diese Achtundvierziger Frucht.

In solchen trüben Tagen war es am 25. Juli 1850, als Mettlerkamp, mit Sorgen im patriotischen Herzen, aus dem Leben schied.

Mettlerkamp war ein ganzer Mann, ein tadelloser Ehrenmann, gesund an Leib und Seele, Demokrat im besten Sinne und in allen kirchlichen Dingen durchaus freisinnig. Möge Hamburg und auch Deutschland ihn in treuem Gedächtniß bewahren! Wir verehren in ihm insbesondere einen der Vorläufer der allgemeinen Einführung des Milizsystems, vor dem die stehenden Heere doch einmal fallen müssen, so gut wie die Menschheit mit Inquisition, Hexenprocessen, Sclaverei und dergleichen fertig geworden ist. Mettlerkamp berief sich mit gerechtem Stolze auf die Thatsache, daß die ganze Organisation der hanseatischen Bürgergarde, die ein Jahr im Felde diente, nur 36,580 Mark 14 Schillinge kostete. Das Hauptwerk, welches Mettlerkamp verfaßte, war sein „Neues Landwehrsystem“ von 1832, welches 1848 in neuer Auflage erschien. Das gehaltvolle Buch fand bei Kennern, wie z. B. General Valentini, die gerechteste Anerkennung. Wir wünschen von Herzen, daß unser Vaterland recht bald von der praktischen Durchführung solcher Bestrebungen beglückt werde. Ohne sie keine gesunde Zukunft![1]

Karl Nauwerck.




Wilde Jagd.


Die rührende Liebe, mit der die Araber und andere orientalische Völkerstämme an ihren Rossen hängen, ist weltbekannt und wohl Mancher hat schon im Stillen über die Sorgfalt gelächelt, mit welcher die Stammbäume und Geburtsregister eines jeden Pferdegeschlechtes geführt und geprüft werden.

Wie stolz ist der Besitzer eines Thieres, dessen Abkunft von der Stute des Propheten in gerader Linie nachgewiesen werden kann! Wie ängstlich wacht man darüber, daß keine Mesalliance mit minder angesehenen Linien stattfindet! Das letzte Brod, den letzten Trunk erhält der treue Genosse, und wahrlich, wer das Pferd als schönes und nützliches Thier kennen gelernt hat, wird dieses beinahe zärtliche Verhältniß rechtfertigen. In unseren Gegenden verbieten verschiedene Lebensweise und Mangel an der patriarchalischen Einfachheit jener Nomadenvölker eine solche ausschließliche Pflege; nur durch Reichthum bevorzugte Persönlichkeiten sind im Stande die Zucht der edlen Thiere in ausgedehnterer Weise zu betreiben. Zahlreiche Gestüte, auf dem Continente und den britischen Inseln zerstreut, geben Zeugniß, welchen Werth die Kenner aller Länder auf die regelrechte und verständige Zucht des Pferdes legen, wenn auch der Zweck dieser Zucht meist nur der ist, bei öffentlichen Gelegenheiten mit der Schönheit und Schnelligkeit der Thiere zu prunken.

Von anderen Grundsätzen, d. h. von dem Wunsche ausgehend, die Pferdezucht in Württemberg zu höchstmöglicher Blüthe zu bringen, hat der verstorbene König Wilhelm der Erste schon im Jahre 1810 noch als Kronprinz in Scharnhausen ein Gestüt errichtet. Möge uns der freundliche Leser auf wenige Minuten dahin begleiten, um einen Blick auf das daselbst herrschende interessante Leben und Treiben zu werfen.

Der Weg, welcher nach dem ungefähr zwei und eine halbe Stunde südöstlich von Stuttgart gelegenen Dorfe Scharnhausen führt, bietet auf seiner ganzen Länge ein reizendes wechselvolles Gemälde. Außer dem herrlichen Einblicke in die verschiedenen Thäler, wird das Auge von der Kette der schwäbischen Alb gefesselt. Die alte Veste Hohenneuffen tritt trotzig hervor, während die entfernteren, langgedehnten Gebirgsmassen blauduftig in weitem Halbkreise dahinter ruhen. Bald ist die Domäne erreicht; in leichten Krümmungen an Staketenzaun und Hainbuchenhecken vorüber führt der Weg zu einem langen Gebäude, dem Fohlenstalle, an dessen Ende sich der Eingang befindet.

Wenden wir uns zuerst nach dem Stalle, in welchem die arabischen Mutterstuten (etwa zwanzig bis fünfundzwanzig Stück) untergebracht sind. Die Thiere stehen in sogenannten Laufständen (boxes), gewöhnlich den Kopf nach dem Gange herausgestreckt, welcher zwischen den Ständen hindurchläuft, und betrachten neugierig alle Vorkommnisse. Die Einrichtung ist im Uebrigen die zweckmäßigste, das Local geräumig und heizbar. Nur zur Züchtung bestimmt, bleiben die Thiere mit jeder Arbeit verschont; indessen ist, wie wir unten sehen werden, für hinreichende Bewegung gute Vorsorge getroffen. Der Fohlenstall, durch Doppelthüren in einzelne Abtheilungen getrennt, beherbergt die auf dem Gestüte selbst gezüchteten Fohlen; die besonderen Abtheilungen enthalten die sorgfältig geschiedenen Jahrgänge, und eine jede faßt etwa zwanzig Fohlen, welche sich frei umher- und durcheinandertummeln. An den Wänden sind Krippen angebracht, aus denen sie ihr Futter nehmen.

Im Sommer kommen die Fohlen, sorgfältig nach Jahrgängen getrennt, auf die großen, prächtigen Weideplätze. Ebenfalls abgesondert werden die Geltstuten (nicht trächtige) und Stuten mit noch säugenden Fohlen gehalten. Kaum kann man sich ein anziehenderes, lebendigeres Bild vorstellen, als das fröhliche und lebhafte Umhertummeln der herrlichen Thiere. Welche Stufenleiter der Bewegungen zwischen dem vierjährigen Reitschlagfohlen und dem dreimonatlichen Saugfohlen; ersteres mit eleganten, elastischen Bewegungen, in wildem Uebermuthe, in noch ungetrübtem Genusse der Freiheit umherspringend oder den feinen Kopf zum ruhigen Weiden gesenkt, während letzteres, noch schüchtern und täppisch, meist der Mutter zudrängt und nur hin und wieder das Wagniß eines Sprunges oder eines kleinen Galopps unternimmt.

Ein anderes Bild bieten die täglichen Bewegungen im Winter, wo man die Thiere auf die vor dem Stalle befindliche, eintausend zweihundert Fuß lange Bahn führt. Durch das Peitschengeknall der in den Ecken postirten Wärter aufgeregt, stürzt der ganze Trupp wie rasend in der Bahn hin und her; dieses ventre à terre mit weitgeöffneten Nüstern, jenes in der tollsten Laune zeitweise den Kopf zwischen die Vorderbeine streckend, während die sehnigen

  1. Wer sich über Mettlerkamp und sein patriotisches Wirken näher unterrichten will, den verweisen wir auf die unlängst bei Meißner in Hamburg erschienene Schrift des jetzt in Mariafeld am Züricher See lebenden Hamburger und deutschen Patrioten Dr. F. Wille: „Mettlerkamp, der Führer einer am deutschen Freiheitskriege theilnehmenden Bürgerwehr. Mit Benützung des handschriftlichen Nachlasses Mettlerkamp’s.“ Dies Werkchen hat dem obigen Artikel als Grundlage gedient.
    D. R.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 300. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_300.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)