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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

und das Ufer auf beiden Seiten so sumpfig, daß die Brücken, deren ein Belagerer zur Verbindung seiner durch den Fluß getrennten Streitkräfte bedürfte, nicht nahe genug gelegt werden könnten, um schnelle wechselseitige Unterstützung zu ermöglichen. Das belagerte Heer dagegen kann, so oft es will, die Ufer wechseln und den Feind da angreifen, wo er augenblicklich am schwächsten ist, und wollte der Feind auf der kurzen Strecke des Mincio über den Fluß gehen, so könnte die Besatzung, die durch die Eisenbahn von Verona her fortwährend verstärkt werden kann, die Festung verlassen, ihm in den Rücken fallen und ihn in der ungünstigsten Lage zur Schlacht nöthigen.

Der einzige große Mangel, der sich den Vorzügen Mantua’s gegenüberstellt, ist die tiefe, sumpfige Lage des Platzes, das schlechte Wasser und die Ungesundheit der Gegend, die von Fiebern aller Art heimgesucht wird; aber diese Nachtheile treffen auch den Feind, der sich bei einer Belagerung hier länger aufhalten muß. Die Cholera würde in dieser Atmosphäre, wenn sie sich einstellte, unter beiden Theilen mächtig aufräumen und unter den großentheils im Freien lagernden Angreifern vermuthlich am meisten.

Die Etschfestungen des Vierecks sind von sehr verschiedenem Werth. Legnago, ein wenig weiter von Mantua entfernt, als dieses von Peschiera, ist ein kleiner Platz, zu dessen Besetzung etwa eintausend Mann genügen und welcher nur wegen des Uebergangs über die hier ziemlich breite Etsch und deshalb Wichtigkeit hat, weil er noch eine gesicherte Verbindung zwischen Mantua und Verona erlaubt, wenn der gerade Weg bereits vom Feinde bedroht wird. Südwestlich von hier breiten sich in sumpfigem Terrain ungeheure Reisfelder aus, die nur von wenigen Straßen durchschnitten werden. Verona dagegen, in der Nordostecke des Vierecks und fünf Meilen von Mantua, drei Meilen von Peschiera gelegen, ist gegenwärtig, wenn auch nicht so stark, wie Mantua, ein Hauptstützpunkt für die Defensive der Oesterreicher.

Verona liegt in einer trockenen und wenig fruchtbaren Ebene, um die sich im Halbkreise ein jäh abfallender Erdrücken, jedenfalls ein altes Etschufer, hinzieht, über welchen die beiden Hauptstraßen nach Mantua und Mailand laufen und wo sich die Dörfer Croce Bianca, San Massimo und Santa Lucia befinden, letzteres der Hauptschauplatz der Schlacht, in welcher Radetzky am 6. Mai 1848 das Heer Carl Albert’s schlug. Die Stadt, von ungefähr sechszigtausend Menschen bewohnt, zerfällt in zwei Hälften, von denen die kleinere östliche Veronetta heißt und welche durch sechs Brücken über die Etsch mit einander verbunden sind. Die oberste derselben ist römischen Ursprungs, wie denn Verona verschiedene Reste des Alterthums, namentlich ein großes, marmornes Amphitheater, in ihren Mauern hat; die unterste, Ponte delle Navi, steht an der Stelle der Brücke, welche 1757 durch den Eisgang der Etsch zerstört wurde und zu Bürger’s Lied vom braven Mann Veranlassung gab. Verona hat einen Umfang von ein und dreiviertel Meilen, die Straßen sind meist eng und unregelmäßig, nur der Corso und die Stradone Porta Nuova, die belebteste Verkehrsstraße, sind schön und gerade. Von den vier Hauptplätzen ist die Piazza dei Signori zu erwähnen, die mit Marmorquadern belegt und von sechs alten Palästen umgeben ist.

Als Festung wollte Verona 1848 noch nicht viel bedeuten. Es war damals eigentlich wenig mehr als ein verschanztes Lager, und seine Werte sahen aus, als ob sie von den Feinden Oesterreichs gebaut wären, denn ihre Hauptstärke richteten sie gegen die Erbstaaten, die westliche Front mit ihren zehn Bastionen konnte eher offen, als hinreichend geschützt heißen. Gegenwärtig ist Verona ein im großartigsten Stil der Neuzeit befestigter Waffenplatz. Seine Befestigungen, zum Theil von dem Grafen Bolza erbaut, bestehen zunächst in einer Umfassungsmauer, dann in einer Anzahl detachirter Forts. Die bastionirte Umwallung der Stadt ist älteren Ursprungs, aber in der letzten Zeit vielfach verbessert und verstärkt. Sie hat eine beträchtliche Anzahl Thore, so daß im Verlauf einer halben Stunde fünfundzwanzigtausend Mann ausfallen oder sich in das Innere der Festung zurückziehen können, und auf dem rechten Etschufer als der natürlichen Angriffsfront acht Bastionen: am Eintritt des Flusses in die Stadt liegt das Fort San Proculo, am Austritt desselben das Fort Heß und zwischen diesen beiden Punkten zieht sich eine Reihe von sehr respectabeln Redouten hin, die, trapezförmig gebaut, mit ihren längsten Seiten der Stadt zugekehrt und nur ungefähr eintausend achthundert Fuß von einander entfernt sind.

Diese Werke sind sämmtlich mit bombenfesten Casernen versehen. Der zu einem verschanzten Lager bestimmte Raum hinter ihnen hat eine Länge von fast zehntausend und eine Breite von etwa sechstausend Fuß, und es können hier bequem sechszigtausend Mann aufgestellt werden. Die Befestigungen auf dem linken Etschufer sind zwar nicht so großartig, wie die auf dem rechten, doch verdienen auch sie Beachtung. Der Wall ist ebenfalls mit Bastionen versehen, und die Zugänge werden von dem alten Castell San Felice beherrscht, welches auf einem steilen Felsen zwischen dem Etsch- und dem Patentathale sich erhebt.

Betrachten wir die Festung aus der Vogelschau, so bemerken wir, daß die Stadt zunächst mit einem innern Gürtel von acht, dann mit einem äußern Gürtel von zwölf Forts und Schanzen umgeben ist, zu welchen auf den Höhen, die sich auf dem linken Ufer des Flusses zur Stadt herabsenken, noch vier casemattirte Thürme kommen. Die äußeren Forts, die einen Kreis von etwa drei Meilen Umfang bilden, sind meist erst seit 1848 erbaut und führen die Namen der im Kriege mit Carl Albert berühmt gewordenen österreichischen Feldherren Radetzky, d’Aspre etc. Die Kosten aller Festungswerke Verona’s, soweit sie aus neuerer Zeit datiren, sollen sich auf fünfundzwanzig Millionen Gulden belaufen. Was sich eine Armee nur wünschen kann: gesicherte Stellung, Freiheit der Bewegung, Möglichkeit des raschen Uferwechsels an einem ansehnlichen Flusse, findet sich hier vereinigt. Die Etsch hat zwischen Verona und Legnago eine Breite von zweihundertundsechszig bis dreihundertundzwanzig Fuß; Furten giebt es auf dieser Strecke nicht, auch ist der Lauf des Flusses hier noch ziemlich rasch, weshalb größere Truppenkörper denselben hier nur mit Schwierigkeit überschreiten, wenn sie nicht im Besitz der stehenden Brücken sind.

Verschiedene Vorpunkte haben ebenfalls Befestigungen erhalten, so die beiden wichtigsten: Pastrengo und Rivoli. Jenes wird von Schönhals ein natürlicher Brückenkopf genannt, da es in einem Halbkreis von vortheilhaft gelegenen Höhen umgeben ist. Es nimmt die Stellung vor Peschiera in die Flanke und hilft die von Rivoli decken. Letztere, ein Plateau, unter dem das Thal der Etsch so eng ist, daß man von Rivoli die Straße am linken Ufer durch weittragendes Geschütz völlig sperren kann, wird durch drei Werke, die Forts Rivoli, Wratislaw und Molinari, sowie durch mehrere Maximiliansthürme vertheidigt. Sehr wichtig sind die Eisenbahnen, welche jetzt die drei Hauptvesten des berühmten Vierecks mit einander verbinden. Legnago liegt außer ihrer Linie, aber Pieschiera, Mantua und Verona sind sowohl unter sich als mit ihrem Hinterlande durch Schienenwege verknüpft. Die Schwierigkeiten der Verpflegung und Verstärkung verschwinden dadurch beinahe ganz, und die Kraft des Festungssystems wird durch die innere Verbindung beinahe verdoppelt.

Das ist das gewaltige Festungsviereck, in welchem die österreichische Südarmee wie in einer ungeheuern Verschanzung dem von Westen herandringenden Feinde Trotz bieten und ihn in jedem geeigneten Momente angreifen kann, ohne daß für sie die Möglichkeit besteht, zur Schlacht genöthigt zu werden, wenn es ihr nicht gefällt. „Man kann sich,“ sagt Willisen, „hier sehr gut eine Bewegung denken, bald so, bald anders herum, entweder von Peschiera nach Verona, von da nach Legnago, von da nach Mantua und wieder zurück nach Verona und abermals nach Peschiera oder umgekehrt. Durch welche Mittel aber und durch welche Uebermacht sollte es dem Feinde, der hier überall Hindernisse in seiner Bewegung findet, wo sie mir stets erleichtert ist, je gelingen, mich in einer nachtheiligen Stellung zur Schlacht zu zwingen? Und so lange er das nicht kann, ist der Zweck der Defensive erreicht, der eben kein anderer ist, als der, mich nicht schlagen zu dürfen, ohne daß ich darum Land aufgebe.“

Willisen empfahl eine Umgehung des Festungsvierecks durch Ueberschreiten des Po bei Revere. Dies war 1848, wo die Italiener in der Uebermacht waren und keinen Seitenangriff zu fürchten brauchten, nicht allzu schwierig. 1859, wo die Gegner sich an Truppenzahl gewachsen waren, wäre es sehr gewagt gewesen, in den eingebogenen Winkel von Revere hineinzugehen, dabei die Brückenköpfe Mantua’s, Brescello und Borgoforte, links und die damals von Oesterreich besetzt gehaltenen Festungen Ferrara und Comacchio rechts zu lassen und den Uebergang über den großen, hier gegen eintausend Klaftern breiten und fünfundzwanzig Fuß tiefen Strom in kurzer Entfernung von Mantua und Legnago

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 398. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_398.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)