Seite:Die Gartenlaube (1866) 493.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

WS: Das Bild wurde auf der vorherigen Seite zusammengesetzt.


den ersten fesselnden Eindrücken niedergeschrieben ward, weder für übertrieben halten, noch als unästhetisch vornehm bei Seite legen. Uns wenigstens scheint es in dieser ernsten Zeit nicht überflüssig, sich mit dem menschlichen Elend vertraut zu machen, wir halten es daher ebenso für geboten, auch noch einen Blick in eines der verschiedenen internationalen Lazarethe zu werfen. Wir wählen hierzu das ehemalige sächsische Cadettenhaus aus, wo Preußen, Oesterreicher und Sachsen, die sich vor wenigen Tagen noch die Waffen in der Hand auf dem Schlachtfelde gegenüber standen, jetzt vom gemeinsamen Unglück zusammengeführt, alle Kriegerfeindschaft vergessend, friedlich neben einander liegen und friedlich mit einander verkehren, da, wo in wahrer Brüderlichkeit der schon Stärkere und Gesündere dem Schwachen und Kranken gern jeden möglichen Liebesdienst leistet.

Betrachten wir uns denn den noch immer schmucken Schützen vom achtzehnten österreichischen Jägerbataillon, die Schleswig-Holstein-Medaille auf der Brust neben der Denkmünze von Solferino, gestützt auf den Arm des preußischen Unterofficiers, der mit seinem offenen intelligenten Gesicht, den Arm in der Binde, den am Fuße Verwundeten führt. Auch seine Brust schmückt neben der Dienstauszeichnung das schwarz-weiß-gelbe Band von Schleswig-Holstein; für dieselbe Sache haben sie gefochten und geblutet bei Oderselk und Oeversee, bei Düppel und Alsen, als Feinde kämpften sie wider einander auf den blutgedüngten Feldern Böhmens. Wie sie die Gänge der Anstalt durchwandeln im Geplauder mit den Umstehenden, hier aufgehalten von einer Gruppe von gebräunten Soldaten des ungarischen Regiments Graf Gyulai, die sie als Schiedsrichter anrufen bei einem unter ihnen ausgebrochenen unbedeutenden Wortwechsel über das Spiel, das sie in beschaulichem Müßiggang begonnen; wie sie dort begrüßt werden von preußischen Dragonern und Husaren, deren einer die rühmliche Narbe über der Stirn vom 3. Juli als Andenken trägt, scheint es kaum glaubhaft, daß diese Männer noch vor wenig Tagen Mann gegen Mann in der Hitze des Kampfes, im Donner der Kanonen, sich als Feinde auf Leben und Tod bekämpft haben.

Von den Mannschaften der preußischen und der sächsischen Armee sind fast alle Leute des Schreibens kundig, wie man überhaupt, besonders unter den ersteren bei der allgemeinen Wehrpflicht, liebenswürdige und gebildete Leute jedes Standes und Berufes trifft; auch unter den Oesterreichern finden sich viele, die Feder und Bleistift zu handhaben im Stande sind. Doch eine merklich größere Anzahl ist des Schreibens völlig unkundig.

Rührend ist die Liebe, welche die meisten der verwundeten Cavaleristen für ihre Pferde an den Tag legen. So bittet ein ungarischer Husar, man möge nach Hause schreiben, daß sein guter Schimmel todt sei, wobei dem braven Burschen die Thränen über sein braunes Gesicht fließen, und man solle nach einem Dorfe desselben Comitats sagen lassen, daß der Braune des Vanya Janosz, der mit ihm in derselben Schwadron dient, in das rechte Vorderbein geschossen sei.



Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 493. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_493.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)