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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

Mundwinkel, so daß der redselige Gelehrte in seinem Wortfluß zu stocken begann. „Ihr seid ein Poet, Herr?“ rief Loy. „Also so sehen die Poeten aus? Vermerkt mir’s nicht übel, Herr Doctor, so hab’ ich mir das nicht vorgestellt, und wenn ich einen Poeten hätte schnitzen sollen, würde er wohl anders ausgefallen sein! Aber meinetwegen, wenn man Euch als Poeten gekrönt hat, muß es doch wohl so sein… Was Ihr aber da sonst vom Kaiser gesagt, deshalb versetzt Euch um meinetwillen in keine Unkosten!“

„Wie, Ihr wolltet es zurückweisen, wenn die Gnade des Kaisers …“

„Gnade, Herr? … Es giebt nur Einen, der wahrhaftig Gnaden austheilen kann,“ sagte Loy mit Nachdruck, „und der hat mich nicht zu kurz kommen lassen, meiner Lebtage bis heut! Gnade des Kaisers! So ‘was hätte früher kommen müssen, wie ich noch jung war, da hätt’ es mir vielleicht genützt, hätte mir vorwärts geholfen – vielleicht auch nicht. Jetzt hab’ ich mich selber zu dem gemacht, was ich bin, da will ich mir von Niemand mehr dareinpfuschen lassen und wenn’s der Kaiser wär! Was ein alter Kerl für die paar Jährchen bedarf, die mir noch aufgehoben sind, das wird reichen für ein Wamms und für einen täglichen Trunk aus dem Mittelfäßlein; mehr brauch’ ich nicht… So Ihr aber dem da förderlich sein wollet, Herr Poet und Doctor, so Ihr etwas zu thun vermöget für Wolf Roritzer, den Thumbmaister …“

„Solches bin ich schon des Eifrigsten gesonnen!“

„Dann seid Ihr mein Mann! Seht, ich will es Euch nur sagen, … der Junge da, das Wölflein hat mir’s angethan, er ist mir an’s Herz gewachsen und wenn Ihr mir den beim Kaiser so recht herausstreichen wollt, daß er ihn in die Höhe hebt vor allen Andern, so werdet Ihr Euch keine Schande, dem alten Loy aber eine herzinnige Freude machen, und wenn ich einmal einen Poeten zu schnitzen bekomme, will ich das Muster von Euch nehmen …“

Roritzer hatte lächelnd zugehört und noch einiges Werkgeräthe in Ordnung gebracht. „Ei, ei, du liebe Eitelkeit!“ rief er jetzt. „Nun spricht er immer von mir und meint doch nur sich selbst; mich will er herausgestrichen haben, nur damit man wissen und davon reden soll, daß er mein Lehrer war.“

„Nun und wenn es so wäre, Du Gelbschnabel?“ erwiderte Loy und stemmte beide Arme in die Hüften. „Du brauchst Dich dessen nicht zu schämen, hast was bei mir gelernt, meine Schulmeisterei hat Dir wohl genützt … freilich, Du hast es auch verstanden, sie Dir zu Nutzen zu machen. Ich bin stolz auf Dich, mein Wölflein; in allen Bauhütten der Welt ist kein Meister, der Dir das Wasser reicht…“

„Ihr müßt den alten Plauderer nicht hören!“ unterbrach ihn Roritzer, indem er dem Gelehrten näher trat. „Wenn er in Zug kommt, zu schwatzen, stehen wir morgen früh noch hier. Kommt, Herr Doctor, wir wollen fort, in den Greiffen, es ist ein ganz ehrbares Zeichen, wir wollen beim Becher noch ein Stündchen verplaudern!“

„Solches ist nicht meine Art und Gepflogenheit,“ erwiderte, sich sachte zurückziehend, der Doctor. „Ich bin gewöhnt, Abends mein einfach Süpplein zu genießen und dann noch den Studien zu obliegen und der edlen Poesei…“

„Nichts da, Herr,“ rief der Bildschnitzer, indem er seinen Arm unbedenklich in den des Gelehrten legte, „im Greiffen sollt Ihr das richtige Süpplein kosten, so zur Poesei tauget, und Ihr werdet sehen, daß wir hinterm Humpen in einer Viertelstunde mehr Gescheidtes fürbringen, als Ihr in einer ganzen Nacht zusammenstudiret!“

„Aber Loy …“ tief Roritzer mißbilligend.

„Stille, Junge,“ entgegnete dieser lachend, „nicht geknurrt, Wölflein! Mach’, daß wir fortkommen; die braune Sibylle lugt sich sonst die Augen aus nach Dir! Nimm Deinen Mantel und gürte auch den Stoßdegen um, wir können ihn vielleicht brauchen…“

„Was? Wie?“ rief Stabius ängstlich, „so steht es in Regensburg? Man hat Waffen nöthig auf offner Straße, mitten in der Stadt?“

„Es ist nicht anders,“ erwiderte Loy, „aber sorgt nicht, Herr; unser Einem geschieht nicht leicht was zu Leide, auch wollen wir klüglich einen Umweg machen, es führt ein jeder Weg nach Rom, warum nicht auch in den güldenen Greiffen?“

„Aber was giebt es denn schon wieder?“ fragte Roritzer, während er sich rüstete.

„Was wird es geben! Die Schreihälse, die Wachthansen sind wieder einmal los und brüllen vor dem Rathhaus und dem Goliath, daß es einem das Gehör verschlagen könnte! Mich wundert, daß man es nicht bis hierher hört! Sie haben den Lyskirchner in der Arbeit; der ist ihnen wieder einmal durch den Sinn gefahren!“

„Lyskirchner? Der Stadtkammerer?“

„Als ob es zwei solcher gäbe! Sein Hochmuth hat Oel in’s Feuer gegossen; Du kennst ihn ja … ist ja Dein bester Freund, wenn Du von hinten zu zählen anhebst…“

„Was schwatzest Du wieder!“ rief Roritzer unwillig; „ich bin dem Kammerer nicht feind, aber ich will nichts zu schaffen haben mit ihm!“

„Sieh da,“ sagte der Doctor, ihn unterbrechend, „ich erfahre schon wieder Neues! Ich bin erst seit diesem Abend in Regensburg, da war es mein erster Gang, den Dombau zu besuchen, morgen aber wollt’ ich im Auftrag des Kaisers zu dem Herrn, den Ihr eben genannt, zu dem Patricier und Kammerer Lyskirchner, … es sollen gar seltene alte Handschriften in der Stadtbücherei liegen… So aber dieser Herr also übel geartet von Gemüth, fürcht’ ich schlimmen Empfang …“

„Deß habt Ihr nicht Ursach’,“ sagte der Bildschnitzer, „Ihr kommt vom Kaiser und habt nichts zu befahren; der Herr Kammerer ist nur hochmüthig gegen Alles, was unter ihm steht, nach oben macht er den Rücken krumm trotz einer Katze…“

„Ihr müßt nicht denken, Herr Doctor,“ rief Roritzer, „als sollt’ dem Herrn übel nachgeredet werden, und damit Ihr nicht eine schiefe Meinung bekommt von ihm und mir, muß ich Euch wohl sagen, warum wir nicht eben gut zu sprechen sind auf den Herrn. … Er ist Kammerer der Stadt, das ist so viel als anderswo der Bürgermeister; als solcher kam er auch einmal in den Dom, das Fortschreiten des Baus zu besehen, und wie’s meine Schuldigkeit war als bestallter Dommeister, macht’ ich seinen Führer und wies und erklärt’ ihm Alles, wornach er begehrte… Drauf kam er mit den Herren vom innern Rath, die bei ihm waren, davon zu reden, wie der Bau am schnellsten zu fördern sei; da dacht’ ich, das sei meines Amtes und Geschäfts, und vermaß mich auch meine Meinung zu sagen und meinen Rath dazu zu geben und mußte bescheidenlich dem widersprechen, was der Herr Kammerer gesagt. Da wandt’ er sich zu mir, sah mich von oben bis unten an und herrschte mir zu … das sei Sache des Raths, der Rath habe allein zu beschließen und werde beschließen, den Steinmetz werde man rufen lassen, sobald man ihn brauche …“

„So war’s,“ rief Loy dazwischen, „und wär’ ich dabei gewesen, ich hätt’ ihm wohl mit der richtigen Antwort gedient, so nahm’s einer vom Rath, der Herr Kitzthaler, auf sich und meinte, der Dommeister habe wohl zuerst mit zu reden beim Dombau, damit aber war’s nur ärger, und seitdem neckt und schiert er den Meister, wie er’s nur vermag! Hat’s eben heut’ wieder nicht anders gemacht! Es gährt und kocht schon lang in der Stadt, die Gemein’ hat allerlei Beschwer wider den Rath; da wurden aus jeder von den zehn Wachten vertraute Männer gewählt, die sollten’s fürbringen und gütlich ausgleichen mit dem Rath … auf morgen war der Tag bestimmt, und der Kammerer Lyskirchner und Hans Schmaller der Schultheiß, die sollten morgen die Beredung beginnen: da gewahrt einer von den Nachbarn, daß es in des Lyskirchner’s Haus sonderlich geschäftig ward und daß die Knechte Roß und Sänfte rüsteten wie zu einer Reise, und wie sie zu ihm schickten und ihn mahnen ließen, daß morgen das Geding sein solle mit ihm und den Vertrauten der Bürgerschaft, da schnauzt’ er sie ab und sagt’, er wisse das wohl, aber er hab’ ein wichtig Geschäft in Nürnberg, das könnt’ er nicht aufschieben um ihretwillen; sie sollten nur zuwarten, bis er wiederkäme!“

„In der That, das ist stark!“ rief Roritzer erregt.

„Ja, stark ist es und grob dazu,“ entgegnete Loy, „aber so wenig ich den Hochmuthsnarren leiden kann, ist doch etwas dran, was mir gefällt! Ist es doch auch stark, daß der Rath jedem Schreihansen Rede stehn soll und soll ihm Antwort geben für jeden Pfenning!“

„Wenn man ihm den Pfenning aus seinem Säckel nimmt, warum soll er nicht mitreden dürfen? Warum soll er nicht wissen, wer den Pfenning einsteckt?“

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 507. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_507.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)