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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

Vom Kriegsschauplatze.


Die Waschfrau aus Westphalen. Zu den ergreifendsten Scenen im Gefolge eines Kriegs gehören wohl diejenigen, welche beim Aufsuchen und Wiederfinden von Verwandten unter den Verwundeten und Todten eintreten. Einfach rührender kann kaum eine sein, als die, welche wir hier in D. erlebten. Hier erschien vor einigen Tagen eine ältere Frau in dürftiger, aber reinlicher städtischer Kleidung. Sie trug ein mächtiges Bündel, in welchem sich Bettstücken befanden. In aufgeregter Stimmung erzählte sie hastig, sie komme aus M. in Westphalen, sei eine Wittwe und nähre sich mit ihrer Tochter vom Waschen. Ihr Sohn sei mit im Krieg und sie habe erfahren, derselbe sei verwundet und liege im Lazareth. Da habe es ihr keine Ruhe gelassen. Sie hätte mit ihrer Tochter nur ein einziges Bett, auf dem sie schliefen. Da habe die Schwester sich auf’s Stroh gebettet und der Mutter geheißen, das Bett für den kranken Bruder mitzunehmen. So war sie mit dem Bette auf dem Rücken ausgezogen. Sie war, da sie in ihrer Bangigkeit vergessen hatte, genauere Erkundigungen vorher einzuziehen, schon in Aschaffenburg und Kissingen gewesen, ohne den Sohn zu finden. Eine barmherzige Schwester hatte der Geängstigten sich endlich angenommen und sie hierher gebracht. Hier hoffte sie nun den Sohn zu finden und ihn auf das weiche heimische Lager zu betten. Und sie fand auch den Sohn, aber schon weich gebettet – im Schoos der Erde. Gebeugt und gebrochen wankt sie an sein Grab und kehrt dann still und stumm mit des Sohnes letzter Habe und mit dem Bette – ein rührender Anblick – wieder heim zu der Tochter auf dem Strohlager.




Der Aberglaube und religiöse Fanatismus des Krieges. Bei den in den Gefechten bei Dermbach im Eisenacher Oberlande gefallenen Baiern fand man meist kleine rotheingebundene gedruckte Bücher, welche allerhand Vorschriften enthielten, wie man sie namentlich vermittelst des Benedictus- und anderer Segen kugelfest machen könnte, daneben auch Amulete mit allerhand mystischen Zeichen. Es lag eine eigenthümliche Ironie darin, daß der Tod, den sie gerade besiegen wollten, diese Heiligthümer an’s Tageslicht brachte. Nur in einem Falle hatten sie die Probe bestanden, als die feindliche Kugel das Büchlein selbst getroffen und damit ihre Wirkung abgeschwächt hatte, ein Fall, der in dem Buche selbst nicht vorgesehen war. Aber auch noch in anderer Weise äußerte sich der Aberglaube, namentlich der religiöse, in diesem Kriege. So meinten bairische Soldaten allen Ernstes, die Preußen hätten rothe Leder um ihre Kugeln, weshalb sie stets träfen. Weit betrübender noch als dies ist dagegen der Umstand, daß der religiöse Fanatismus in diesem Kriege Deutscher gegen Deutsche eine nicht unbedeutende Rolle spielte und somit eine traurige Parallele mit dem dreißigjährigen Kriege zuließ. Einsender wohnt jetzt in einem Landstriche, wo katholische und protestantische Bevölkerung aneinander grenzen, und er hat die Erfahrung machen müssen, daß für jene Preußen und Protestanten Ein Wort bildete. Es ist ferner eine sogar actlich constatirte Thatsache, daß katholische Geistliche denen, welche eine gewisse Anzahl Preußen- oder Protestantenköpfe einlieferten, verheißen haben, sie kämen gleich, d. h. ohne das Fegefeuer durchmachen zu müssen, in den Himmel.

Nun fragen wir blos: was wäre geschehen, wenn diesem Fanatismus der Sieg geblieben wäre?

J. Hg.




Kindesvertrauen. Aus der Schlacht von Königsgrätz erzählt ein Arzt: „Der erste Verwundete, welchen ich sah, war ein österreichischer Infanterist. Beide Unterschenkel waren ihm durch eine Vollkugel zertrümmert; sie hingen noch mit dem Körper zusammen, waren. aber völlig um ihre Achse gedreht, als gehörten sie dem Unglücklichen nicht an. Cameraden hatten ihm seinen Tornister als Kopfkissen untergeschoben, die Blutung war unbedeutend, ein Verband nicht angelegt. Er lag offenbar ohne die geringsten Schmerzen zu empfinden, ruhig, bei voller Besinnung. Ich sprang vom Pferde, verband ihn und reichte ihm eine Erfrischung.

‚Haben Sie Schmerzen?‘

‚Nein, gar nicht.‘

‚Ich werde Sie verbinden. Haben Sie vielleicht an die Ihrigen etwas zu bestellen?‘

‚Muß ich denn sterben?‘

‚Das wohl nicht, aber Sie sind schwer verwundet, und es wird jedenfalls lange dauern, ehe Sie die Ihrigen sehen.‘

‚Ich bin nur wenige Meilen von hier zu Hause; meine Mutter wird das Donnern gehört haben, sie wird schon kommen und mich abholen.‘

‚In der Umgegend ist Alles geflüchtet.‘

‚Meine Mutter wird schon kommen, das weiß ich gewiß! Sie hat mir immer geholfen, sie wird mich heut’ nicht verlassen.‘

Ich mochte, trotz ernstem Zwange, doch wohl eine sehr bekümmerte Miene gemacht haben, denn er fragte nochmals:

‚Muß ich denn sterben?‘

‚Die Kugeln fliegen hier herüber, wie Sie sehen. Es könnte Sie ja eine treffen.‘

‚Wie Gott will! Meine Mutter wird schon kommen.‘

Ein rührenderes Kindesvertrauen zu einer Mutter habe ich in meinem Leben noch nicht gefunden. Er war in Kurzem, spätestens in einer Stunde, nicht mehr unter den Lebenden, den rechten Arm bewegte er gen Himmel, den linken hatte er unter den Kopf auf den Tornister gelegt. Ich gab ihm noch eine Labung, reichte ihm die Hand und ritt weiter. ‚Sie wird schon kommen, die Mutter! Sie wird schon kommen, die Mutter! Sie verläßt mich nicht!‘ tönte es tief in mir weiter, und ich dachte unwillkürlich an meine Mutter und wie auch ich, wenn ich an seiner Stelle daläge, sagen würde: ‚sie wird schon kommen, wenn sie könnte; sie würde mich nicht verlassen; sie würde schon kommen!‘“




Für die Verwundeten und Hinterlassenen der Gefallenen

gingen wieder ein: Gewerbeverein in Hainichen 10 Thlr. – L. A. in Hamburg 1 Thlr. – Aus einer kleinen Familie in Rinteln 2 Thlr. – Marie und Alma in Aue 1 Thlr. – Gesangverein Apollo und beide Musikchöre in Ruhla: 36 Thlr. – Von den Nähstunden-Schülerinnen des Frl. H. in Annaberg, Ertrag einer Lotterie 16 Thlr. – C. S. aus N. in O. 5 Thlr. (zur Bildung eines National-Invalidenfonds.) – Louise und Elise in Heidesheim 4 Thlr. – Wahrscheinlich aus Leipzig 5 Thlr. nebst einem Paket Charpie. – Aus der Sparbüchse von Hugo und Camilla B. in Wbg. 4 Thlr. – Aus Königstein von acht Betheiligten 5 Thlr. 15 Ngr. – Th. Pieszel aus Großneuhausen 2 Thlr. – Von drei Cousinen in Eisenach 8 Thlr. – Auguste, Anna, Hermine, Anton, Richard aus C. in Thüringen 4 Thlr. 17½ Ngr. – F. M. in Kieritzsch 5 Thlr. – Mokkalin in Leipzig 7 Thlr. – Aus einer Kränzchencasse in Altenburg 2 Thlr. – A. T. in Apolda 1 Thlr. – Von einem Dienstmädchen in Großbreitenbach 1 Thlr. – M. M. in Oldenburg 5 Thlr. – Personal des Herrn G. Neidlinger in Hamburg 24 Thlr. – Turnverein in Auerbach, Ertrag einer Theatervorstellung 25 Thlr. – Zwei Frauen in Dornburg 2 Thlr. – J. F. u. J. R. in Freiburg 2 Thlr. – Galle u. Co. in Freiberg 6 Thlr. 20 Ngr. – Von einer kleinen Kneipgesellschaft in Leipzig 2 Thlr. 5 Ngr. – Gemeinde Rodias (Kahla) 7 Thlr. 5 Ngr. – Aus Mügeln 20 Ngr. – Der Hopfenbauverein in Saalfeld durch Hermann und Ludolf S. in B. 10 Thlr. – Kaufmännischer Verein Germania in Glauchau 10 Thlr. – Frau Seidler 1 Thlr. – Hermann 1 Thlr. – J. R. in Gönnheim 2 fl. rhn. – Eine Collecte in Wied-Selters 30 fl. 44 Xr. – E. W. in H. für die Verwundeten des letzten deutschen Bruderkrieges 5 fl. – Pfr. Zeller in Mühlhausen a. d. Enz 10 fl. – Ertrag einer Sammlung in Usingen durch Schweighöfer 60 fl. – L. G. K. in O. 5 fl. ö. W. – Ein Freund der Gartenlaube in Frankfurt a. M. 14 Thlr. – Ein Deutscher in Rußland (25 S-R.) 19 Thlr. 17½ Ngr. – Zweiter Ertrag der durch Herrn Frey in Messina veranstalteten Sammlung (von fünf Deutschen und einem Schweizer) 50 Mk. Beo. oder 25 Thlr. 9 Ngr. – Ertrag einer Sammlung in Rouen durch Wanckel 50 Fres. oder 13 Thlr. – Paul, Anna, Linna L. E. u. G. in Freiberg 6 Thlr. – Ertrag einer durch G. Goldner u. C. Koch in Hersfeld veranstalteten Sammlung 164 Thlr. 5 Ngr. – Ertrag einer durch A. Hase unter den Deutschen in Reims, Epernay, Ay und Mareuil-für-Ay veranstalteten Sammlung 216 Thlr. 9 Ngr. – Von einigen Franzosen in Reims, Epernay durch den Turnverein Germania in Reims 24 Thlr. 8 Ngr. Den wackern Landsleuten in Frankreich und den mildthätigen Franzosen herzlichen Gruß und Dank.

An Schmuck- und andern Gegenständen

gingen ferner noch ein: Von einem jungen Mädchen in Mainz: der Confirmationsschmuck meiner guten Mutter, Brosche mit Ohrringen. – S. u. O. in Chemnitz: ein Ring (Geschenk eines Preußen in glücklichen Zeiten). – Von einer süddeutschen Jungfrau: ein Armring, drei goldene Ringe, Ohrringe mit Glocken, zwei Broschen. – Aus Gräfentonna zwei schwarz-roth-goldene Börsen. – J. T. in Coburg: Ein Paar silberne Haarnadeln und ein goldenes Medaillon. – Mit Postzeichen Schirgiswalde: Eine große Anzahl seltener silberner Münzen. – Postzeichen Pegau: Ein Paar Strümpfe mit 10 Ngr., gesammelte Frühstückegelder. – Wenn irgend möglich, bitten wir lieber den Werth der etwa zu sendenden Schmuckgegenstande zu schicken.

Außerdem sind uns noch eine Anzahl Gebote auf den Blumenstrauß zugegangen, die aber sämmtlich durch die Zahlung der „Gothaer Schwefelbande“ überboten worden sind. Die Gabe und der herzinnige Brief des „Blumenmädchens“ scheint manche Herzen gerührt zu haben, denn außer den vielen Angeboten sind uns von Brüssel noch 10 Thlr. und aus Frankfurt a. M. ein Schmuck für die unbekannte Spenderin des Straußes übersandt worden. Leider haben wir bis jetzt die Adresse derselben noch nicht ermitteln können.

Die Redaction.




Bocks Buch in Heften 7. Auflage.

Die sechste 12,000 Exemplare starke Auflage des schon bei seinem Erscheinen mit allgemeinem Willkommen begrüßten Werkes:

Das
Buch vom gesunden und kranken Menschen
von Dr. Carl Ernst Bock,
Professor der pathologischen Anatomie in Leipzig.
Mit 73 feinen Abbildungen

ist vergriffen und die Lieferungen 1–2 der siebenten Auflage, deren Werth durch bedeutende Vermehrung und zeitgemäße wissenschaftliche Verbesserungen noch erhöht wird, sind bereits erschienen. In sieben Lieferungen ist das Werk vollständig. Der Subscriptionspreis jeder Lieferung von 6–7 Bogen ist nur 7½ Ngr., wofür auch der weniger Bemittelte im Stande ist, sich diesen Helfer in der Noth nach und nach anzuschaffen.

Die Verlagshandlung von Ernst Keil in Leipzig.

Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 552. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_552.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)