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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

der Dichter nach Bedürfniß aus der Nachbarschaft hereingezogen; in der Wirklichkeit finden wir nur zwei oder drei Häuser hinter dem Gasthofe; die Felspartien hat er gleichfalls verlegt, den Wald beträchtlich vermindert. Aber sollte er die idyllische und verhängnißvolle Mühle erfunden haben, zu der die Liebenden unvermuthet vom Schlosse aus ein versteckter Waldweg führte? Wir fragen im Gasthofe nach einer etwa eine Viertelstunde vom Schlosse entfernten Mühle. Man weist uns die Chaussee hinauf, die uns scheinbar von unserm Ziele entfernt; plötzlich hören wir jedoch das Rad: da ist die Mühle, alt und bäuerlich, dicht an dem vom Schlosse sich herziehenden Walde, so daß sie den von dort Kommenden bei dem ersten Schritte in’s Freie als willkommener und anmuthigster Ruhepunkt sich darbieten mußte, und da ist jene Laube, wie mit Absicht unverändert gelassen, seitdem sie die stille Neigung des holdesten und besten Mädchens verrathen! Eine junge Müllerin „von der guten und zuthätigen Art“ – um mit unserm Altmeister zu sprechen – berichtet uns, daß die Mühle seit ihrem Urahnherrn in den Händen ihrer Familie gewesen, daß sie seit undenklicher Zeit nicht verändert worden, daß vor vielen Jahren ein „Promenadenweg“ von da bis zum Schlosse durch den Wald gehauen worden. Wir gingen den Promenadenweg zurück nach dem Schlosse und überzeugten uns hier und da von der Gefahr, welche, ehe der Weg gebahnt war, Ottilien bei schroffem Abstieg von ihrem Medaillon drohen mußte. Als endlich Prof. Weiße jenseits der Mühle an der Chaussee das Terrain nach seinen Erinnerungen an den Roman zu wenig bewaldet fand, eilte Einer von uns zur Müllerin zurück und kehrte mit der frohen Botschaft wieder, daß dort erst vor einigen Jahren geholzt worden sei.

So durften wir die Acten schließen und wurden einig, unsere Resultate und Forschungen zu veröffentlichen, welches denn hiermit, zwar erst nach länger als einem Jahre, aber wohl nicht zu spät und nicht unwillkommen, geschehen sein möge.

Dr. Rud. Seydel.




Den Samaritern der Wissenschaft.


Ihr legt auf’s Grab gefallener Helden
Den Eichkranz zu dem Lorbeer nieder,
Und ihrer Thaten Ruhm vermelden
Den Enkelkindern Eure Lieder.

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Die preist Ihr tapfer, die im Sturm

Der Schlacht dem Tod in’s Auge sehen,
Die ihr Panier vom Zinnenthurm
Der Feindesfeste lassen wehen.

Gewiß! es zeugt von hohem Muthe,

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Im Kampfe Leichen aufzuthürmen,

Und überströmt vom eig’nen Blute
Die Batterie keck zu erstürmen,
Doch höh’rer Muth wohnt in der Brust
Dem, der da wacht an Krankenbetten,

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Dem seines Herzens höchste Lust,

Ein sieches Leben zu erretten.

Ihm dräut, wie jenem, vielgestaltig
Der Tod im Athmen seiner Lippe,
Denn hier wie dort schwingt allgewaltig

20
Der grause Schnitter seine Hippe.

Doch furchtlos schaut sein klarer Blick,
Bedacht, zu warten und zu pflegen,
Bis ihn ereilet das Geschick,
Bis er dem Gifthauch selbst erlegen.

25
Wer aber denkt, so laßt Euch fragen,

Dann dieser Kämpfer, die ihr Leben,
Um fremdes zu erhalten, wagen,
Nicht fremdes zu vernichten streben?
Wer schmückt ihr Grab mit frischem Reis

30
Des Lorbeers und der deutschen Eiche?

Wer ist von Euch, der solchen Preis
Den todesmuth’gen Helden reiche?

Dort in des Friedhofs stiller Ecke,
Im Schatten düsterer Cypressen,

35
Da ruhen sie auf einem Flecke

Begraben und – auch schon vergessen.
So stumm, wie ihre Gräber, schweigt
Ein jeder Mund von ihrem Ruhme,
Kaum, daß uns ihre Stätte zeigt

40
Im grünen Gras die Todtenblume.


So war’s bis heute. Anders werde
Von heute an der Preis der Ehren!
Wer wird dem Volk der deutschen Erde
Das Winden seiner Kränze wehren?

45
Wenn in der Kronen Lorbeerglanz

Der Schwerteshelden Gräber prangen,
Sei Euch vom Volkesdank der Kranz
In seinem Tempel aufgehangen.

Paul Riemann.




Eine Künstlerhuldigung im Waffenrocke. In M. in Westphalen besteht eine Liedertafel, welche sich viel mit Aufführungen der Compositionen von Julius Otto beschäftigte und deshalb den Meister hoch in Ehren hält. Nach einer Aufführung der „Mordgrundbruck“ sandten die Aufführenden dem Componisten ein Album mit der Photographie der Einzelnen unter Bezeichnung ihrer Rollen. Der Aufruf zu den Waffen hob die Sängergesellschaft auf. Sie fanden sich aber als Landsleute in Einem Regiment wieder zusammen und konnten da Abends im Bivouac noch manchmal dafür sorgen, daß der edle Sang nicht außer Uebung kam. Das Schicksal des Krieges führte sie alsbald nach Dresden. Nach Dresden – da wohnt ja der liebe Meister Julius Otto. Der mußte jedenfalls begrüßt werden, was hätten die sonst in der Heimath gesagt. Allein er gehörte jetzt zu den Landesfeinden. Ei, was, die Musen führen keinen Krieg. Kurz, es ward beschlossen, und gegen Abend zog auf einmal eine militärische Patrouille vor das Haus des beliebten Liedercomponisten. Als er die vielen Pickelhauben aus seinem Fenster sah, mochte es dem alten Herrn wohl etwas sonderbar zu Muthe sein, als diese aber plötzlich anhuben und eine seiner Weisen in kräftigem vierstimmigem Chor zu ihm hinaufdrang, da wurde es dem Meister gar wohl und selig um das Sängerherz. Er trat an’s Fenster, grüßte und dankte für diesen deutschen Sängergruß.




Bitte an edle Menschenfreunde. Unser Sohn, Friedrich Rühmland, Gefreiter bei der zweiten Compagnie des sechsundzwanzigsten Infanterie-Regiments, viertes Armeecorps, siebente Division, ist in der Schlacht bei Königgrätz, wie es heißt, im Rücken verwundet worden, bis heute haben wir aber noch keine Nachricht von ihm. Wir sind über sein Verschwinden untröstlich und bitten Alle, die von seinem Leben oder seinem Tode Kenntniß haben, uns ungesäumt hiervon Nachricht geben zu wollen. Kosten werden wir gern erstatten.

Die Ackermann Rühmland’schen Eheleute
zu Hohenwarthe bei Burg.     




Zur Nachricht!

Mit dieser Nummer schließt das dritte Quartal. Wir ersuchen daher die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das vierte Quartal schleunigst aufgeben zu wollen.

Leipzig, im September 1866.

Die Verlagshandlung.


Die nämlichen bewährten Mitarbeiter, die Herren R. Benedix, Berlepsch, Beta, Bock, Brehm, Brunold, Albert Fränkel, Fr. Gerstäcker, G. Hammer, G. Hiltl, Fr. Hofmann, E. Marlitt, A. Meißner, Melchior Meyr, Prof. Richter, Max Ring, Carl Ruß, Joh. Scherr, Levin Schücking, Herman Schmid, Schulze-Delitzsch, Albert Traeger, Temme, Carl Vogt, L. Walesrode, Fr. Wallner, die Damen M. von Humbracht, E. Polko u. v. a. werden auch fortan unserm Blatte ihre regelmäßige Betheiligung zuwenden. Bereits liegt uns wieder eine reiche Auswahl von literarischen und artistischen Beiträgen vor, aus der wir nur einige wenige namhaft machen wollen, um unsern Lesern darzuthun, daß wir eifrigst bemüht bleiben, der „Gartenlaube“ den Platz zu erhalten, welchen ihr Publicum und Kritik seit langer Zeit eingeräumt haben.

In den nächsten Monaten wird u. A. zur Veröffentlichung gelangen:

Ruine Wildenfels. Erzählung von Fr. Gerstäcker. – Die Doppelcur. Novelle von Levin Schücking. – In der Propstei. Erzählung von Temme. – Benedict. Eine Priestergeschichte von Carl Heigel. – Der Baumeister unter den Thieren. Von A. Brehm. Mit Illustration. – Die Berliner Presse. – Die Rose der Braut. Eine Dresdener Kriegserinnerung. Mit Abbildung. – Der atlantische Telegraph. Von F. Althaus in London. Mit Illustrationen. – Die Weltfahrten des Pietismus. – Preußens militärischer Luther. Mit Portrait. – Bilder und Skizzen aus New-York. Von Herman Raster. – Ein Soldatenfürst des vorigen Jahrhunderts. Von F. v. D. Mit Illustration von Th. v. Oer. – Ein deutscher Komiker. Von Franz Wallner. – Der Bayard der französischen Revolution. Mit Abbildung. – Der Kanonenkönig. – Eine Frauenakademie in Nordamerika. Mit Illustration. – Volksaberglaube in Altbaiern. – Erinnerungen von den deutschen Schlachtfeldern. Von G. Hiltl. – Im Ries. Von Melchior Meyr. Mit Illustration von Enhuber. – Aus dem Tagebuche eines sächsischen Officiers. – Durch den Schwarzwald. Skizzen von Ludwig Steub. Mit Bildern von Th. Pixis. – Carl August und sein Leibjäger. Von Buchner. etc.

Den Tagesfragen und Zeitereignissen werden wir nach wie vorher unsere besondere Aufmerksamkeit schenken und, wie wir es von jeher als eine unserer Hauptaufgaben betrachtet haben,

das ganze Deutschland ohne Berücksichtigung der politischen Grenzen

mit dem gleichen warmen Interesse umfassen. Parteihader und Krieg haben mit den Leidenschaften, die sie wachrufen, hier und da die Gemüther unserer nord- und süddeutschen Brüder momentan einander entfremdet; wir werden vor Allem dahin streben, wieder zu versöhnen und zu vereinigen, was untrennbar zusammen wirken muß, um dem Vaterlande die ihm gebührende nationale Entwickelung zu erringen, die unser Aller Ziel ist, wohnen wir diesseits oder jenseits des Maines.

Leipzig, September 1866.

Die Redaction.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 616. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_616.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)