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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

In das Wasser fällt der Biber nur dann mit Geräusch, wenn er geängstigt wurde, bei gewöhnlichem Verlauf der Dinge gleitet er lautlos in die Tiefe. Im Schwimmen taucht er das Hintertheil so tief ein, daß das Wasser die Schwanzwurzel überfluthet, Nasenlöcher, Augen und Ohren, der Mittelrücken bleiben über Wasser; die Schwanzspitze liegt oft auf der Oberfläche auf oder ragt über sie empor. Er liegt auf den Wellen, ohne ein Glied zu rühren. Die Fortbewegung geschieht durch gleichzeitige, selten durch wechselseitige Stöße der Hinterfüße, unter Steuerung mit dem Schwanze, welcher jedoch niemals senkrecht gestellt, sondern immer nur ein wenig schief gedreht, oft aber in entsprechender Richtung kräftig stoßweise bewegt wird. Die Vorderfüße bewegt das Thier beim Schwimmen nicht. Bei raschem Eintauchen stößt der Biber mit seinen breitruderigen Hinterfüßen kräftig nach oben aus und schlägt gleichzeitig den Schwanz klatschend auf die Oberfläche des Wassers; dadurch hebt und dreht er den Hintertheil seines Leibes zu gleicher Zeit, taucht den Kopf ein und versinkt hierauf rasch in senkrechter Richtung. Er kann zwei bis drei Minuten unter dem Wasser verweilen, bevor ihn die Athemnoth zum Auftauchen zwingt.

Die Stimme ist ein schwacher Laut, welcher am richtigsten ein Gestöhn genannt werden möchte. Man vernimmt sie bei jeder Erregung des Thieres und lernt bald die verschiedene Bedeutung der ausgestoßenen Laute verstehen, da ihre Betonung, Stärke etc. genügenden Anhalt hierzu bietet.

Unter den Sinnen scheinen Gehör und Geruch obenan zu stehen; die kleinen Augen sehen ziemlich blöde aus, der Geschmack aber ist keineswegs verkümmert, wie man wohl zuerst annehmen möchte, und auch Gefühl kann dem Thiere nicht abgesprochen werden.

Ueber den Verstand und das geistige Wesen des Bibers kann man verschiedener Meinung sein: so viel wird man zugestehen oder anerkennen müssen, daß er innerhalb seiner Ordnung die höchste Stelle einnimmt. Nach kurzer Zeit fügt er sich in veränderte Umstände und bald lernt er, aus ihnen bestens Vortheil zu ziehen. Seine Bauten sind nicht kunstvoller als die anderer Nager, stets aber mit richtigem Verständniß der entsprechenden Oertlichkeit angelegt. Sein Betragen andern Thieren gegenüber ist unfreundlich, dem Menschen gegenüber mindestens zurückhaltend, aber er gewöhnt sich rasch an eine ihm anfänglich unangenehme Nachbarschaft und fügt sich der Herrschaft seines Pflegers, ohne sich jedoch Unbilliges gefallen zu lassen. Er leidet, daß ihn sein Wärter liebkost, geht auch gern zu ihm hin, begrüßt ihn förmlich, widersetzt sich aber jeder Gewaltthat, indem er den Rücken krümmt und die Zähne weist, im Nothfalle auch angreift. Daß Frauen und Kinder milden Herzens sind, haben unsere Gefangenen bald in Erfahrung gebracht: jetzt betteln sie, „aufwartend“ und stöhnend, alle vorübergehenden Frauen und Kinder um Zucker, Nüsse, Aepfel, Brod etc. an, nehmen das ihnen Vorgehaltene zierlich aus der Hand, halten es geschickt mit ihren Händen fest und führen es zum Munde, schlagen aber Den, welcher zu geben vorgiebt, jedoch nichts reicht, oder den, welcher neckt, auf die Finger.

Unsere Biber erscheinen in den Nachmittagsstunden außerhalb ihres Baues. Sie schwimmen zunächst einige Male in ihrem Becken auf und nieder, steigen dann an’s Land und schleppen sich einige Zweige herbei oder weiden. Unter den Zweigen, welche ihnen vorgeworfen werden, suchen sie sich stets die der Weiden zuerst aus. Sie packen einen Schößling oder ein Stämmchen an seinem dickeren Ende mit den Zähnen, heben den Kopf hoch empor und gehen vorwärts. Manchmal sieht es aus, als wollten sie die Last über den Rücken werfen; es geschieht dies jedoch niemals wirklich. Ist der Schößling leicht, so trägt ihn der Biber ohne Aufenthalt dem Ziele zu; ist die Last schwerer, so bewegt er sich absatzweise, indem er den aufgeladenen Ast mit einem kräftigen Ruck des Kopfes vorwärts zu bringen sucht. Astreiche Schößlinge werden vor dem Wegschleppen genau besichtigt und unter Umständen zertheilt, kleine, hindernde Aststummel weggeschnitten. Eingepflanzte oder eingesetzte Bäume und grüne Schößlinge werden stets gefällt. Der Biber setzt sich neben dem betreffenden Bäumchen nieder und nagt so lange in einer bestimmten Höhe ringsherum, bis der Baum zu Boden stürzt. Das Abschneiden eines drei Zoll dicken Stämmchens erfordert eine fünf Minuten währende Arbeit. Alle Bäume oder Aeste werden zuerst an’s Wasser geschleppt und erst später weiter verarbeitet; gegen den Winter hin werden ihrer so viele, als zu beschaffen sind, hier aufgespeichert.

Die hauptsächlichste Nahrung der Biber bilden Rinde und Blattwerk der verschiedenen Weidenarten und ihrer Verwandten; die Thiere nehmen aber auch frisches Gras zu sich. Sie weiden, indem sie einen Grasbüschel mit den Händen packen, zusammendrücken und so den Zähnen etwas Körperhafteres als die einzelnen Halme bieten. Das Weiden geschieht in plumper, das Abschälen der Rinde in höchst zierlicher Weise. Der Biber ist im Stande, den feinsten Zweig mit seinen Händen zu halten und beständig herumzudrehen oder, wenn derselbe noch weich, bezüglich eßbar ist, allgemach in den Mund zu schieben, und er schält so sauber, daß man auf dem entrindeten Zweige keine Spur eines Zahneindruckes wahrnimmt.

Nachdem die Biber alles gefällte Zweigwerk in’s Wasser geschleppt und entweder schwimmend oder auf einer seichten Stelle sitzend stundenlang geschält und gefressen haben, suchen sie die entrindeten Knüppel zusammen und tragen sie nach der Baustelle, um sie zu verarbeiten. Höchst selten schleppen sie einen dahin, welcher noch Rinde hat; geschieht es doch, so ziehen sie ihn, selbst wenn er bereits verbaut worden sein sollte, gelegentlich wieder hervor und fressen ihn nachträglich ab – „auf daß nichts umkomme“!

Von einer regelmäßigen Anordnung der Knüppel, welche verbaut werden, habe ich nichts bemerkt. Dem nothwendigen Bedürfniß wird allerdings in überlegter Weise abgeholfen – an eine Ordnung oder regelrechte Schichtung der Baustoffe denkt der Biber aber nicht. Einzelne Knüppel ragen mit einem Ende weit über die Wandungen der Burg vor, andere sind gänzlich mit Erde überdeckt. Diese liegen wagrecht, jene schief, andere senkrecht; es wird auch fortwährend geändert, verbessert, vergrößert.

Das mit Vorliebe behandelte und solche Vorliebe verdienende Paar unseres Gartens schaute sich zunächst ein muldenförmiges Loch am Ende des Geschleifes aus, bildete aus der losgekratzten Erde ringsum einen vor dem Geschleife besonders festen, hohen und dichten Damm und kleidete den Boden der Mulde mit langen, feinen Spähnen aus, welche zu diesem Zwecke eigens zerschleißt wurden. Nunmehr erhielt die Mündung des Geschleifes eine Decke aus Astwerk, sodann der hintere Theil der Dämme größere Höhe und hieraus ebenfalls ein Knüppeldach. Als dieses fertig, d. h. haltbar schien, ging’s an die Dichtung des Daches mit Erde. Die Knüppel wurden oder werden entweder im Maule oder, wenn sie leichter, mit den Händen herbeigeschleppt – im letzteren Falle laufen die Thiere auf beiden Hinterfüßen allein –, die Erde wird in verschiedener Weise, jedoch immer nur mit dem Maule und den Händen bewegt und ausschließlich mit letzteren verarbeitet. Fettige, lehmige Erde oder Rasen bricht der Biber ballenweise los, packt sie mit den Zähnen, drückt unten die Hände (mit dem Handrücken nach oben) dagegen und watschelt nun, auf den Hinterfüßen gehend, zeitweilig mit der einen Vorderpfote sich stützend, bedächtig der Baustelle zu; losere Erde, Sand z. B. gräbt er auf, scharrt ihn auf ein Häufchen zusammen, setzt seine beiden Handflächen hinten an dasselbe an und schiebt es nun vorwärts, oft zehn Fuß weit. Der Schwanz wird, ich wiederhole es, niemals als Kelle benutzt. Das Weibchen ist der eigentliche Baukünstler, das Männchen mehr Handlanger. Ersteres baut ungemein eifrig, letzteres, wenn es sich überhaupt dazu entschließt, langsam, faul und liederlich. Nur ein Paar errichtet sich eine Burg – ein einzelnes Männchen schichtet sich höchstens einen wüsten Haufen zusammen.

In dieser Weise erbaut sich der vielgerühmte Biber seine Wohnung. Ich bin mit aller Absicht so ausgeführlich geworden; denn ich weiß, daß hiervon in keiner Naturgeschichte eine auf eigene Beobachtung gegründete Beschreibung zu finden ist. Noch habe ich von unseren Gefangenen bei weitem nicht Alles erzählt; ich denke aber, daß sie mir wohl noch Stoff genug zu einem zweiten Aufsatze liefern werden, und diesen Stoff will ich den Lesern der Gartenlaube gewiß nicht vorenthalten.



Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 639. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_639.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)