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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

Athemzug das Leben verräth, eine matte Bewegung der Hand, des Hauptes bemerkt wird, das heben die sorgsamen Krankenträger der siegreichen Armee empor und bergen den Zerschmetterten in den schützenden Wagen, der, mit rothem Kreuze in weißem Felde geziert, alsdann mit seiner traurigen Last in die Lazarethe zurückkehrt. Wenn endlich jeder Theil des Schlachtfeldes sorgfältig abgesucht ist, dann schreiten die dunkel gekleideten Arbeiter heran.

Das letzte Quartier.
Originalzeichnung von A. Nikutowski.

Die unheimliche Stille wird unterbrochen durch das Geräusch von Wagen und Fußtritten. Hoch oben am Saume des Hügels, da, wo er sich mit dem Horizonte zu verbinden scheint, gewahrt man einen langen, dunklen Streifen, der sich um den kegelförmigen Berg windet und in die Ebene hinabläuft. Es sind theils größere, theils kleinere Fuhrwerke, aus Korbgeflecht oder plump gearbeiteten Leitern sind sie zusammengesetzt, einige Schütten Stroh bedecken den Boden des Kastens und darauf liegen übereinandergeschichtet die zur ewigen Ruhe Bestimmten. Welche grausigen Gestaltungen haben diese starren Körper angenommen! Wie verrenkt sind die Arme, wie schauerlich gespreizt oder gebogen die Beine! Sie starren zwischen den Sprossen des Leiterwagens hervor, hier und da nickt im Fahren ein blutiges Haupt aus dem Stroh, die Augen starren weit geöffnet, gläsern gequollen, in den Himmel, keine liebende Hand hat sie zugedrückt. Die Todten werden beerdigt! In langen Zügen nahen die Wagen und jene dunklen, beweglichen Reihen sind Todtengräbercompagnien. Wenige Minuten später machen sie alle Halt. Hier ist eine Stelle, wo das Verderben besonders gewüthet hat, und mit Kopfschütteln betrachten die an Grauen jeder Art gewöhnten Männer diese Stätte der Verwüstung.

Es ist der kleine Hohlweg, in dem auch ich eben stehe und der in die Ebene mündet; rechter Hand liegt auf einer Anhöhe das Dorf Chlum; oben auf dem Hügel, den sie soeben verlassen haben, ist das Logement sichtbar, hinter welchem die Verderben speienden Geschütze der Oesterreicher standen. Ein Theil der Arbeiter schwenkt links ab, in die Ebene hinein, und es beginnt nun eine ernste Verrichtung. „Antreten!“ schallt halblaut das Commando, die Männer stehen im Viereck um einen großen, freien Platz, sie nehmen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 644. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_644.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)