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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

freilich zu ängstlich von mir gedacht sein. Aber es ist ein verhängnißvoller Schritt, der in die Oeffentlichkeit. Nicht allein Blut, auch Druckerschwärze ist ein ganz besonderer Saft …

Wirfst Du den Stein – bedenke wohl,
Wie weit ihn Deine Hand wird treiben …
Oft trifft ein Wurf des Nachbars Scheiben.“[WS 1]

Um Ernst’s Lippen zuckte bei diesen Worten ein besonders spöttisches Lächeln, das Alwine jedoch nicht wahrnahm, weil er sich wandte und ging. An die Warnung, die er ausgesprochen, dachte sie weiter nicht.


Im Grunde und nach längerem Erwägen war Alwine doch nicht so ganz entzückt von dem Stoffe; denn die betrügerische Handlung des Helden mißfiel ihr. Aber das Verdienst der Neuheit schien ihr der Stoff zu haben und was mehr war, es gelang ihr nicht, rasch einen besseren zu ersinnen, und so begab sie sich denn, nachdem sie einen passenden Abschluß gefunden, mit großem Eifer an die Ausarbeitung und fühlte bald die ganze Zärtlichkeit für ihr Werk, die uns eigene Hirngespinnste, Erfindungen und Ideen nur einflößen können. Sie schwelgte in den Gefühlen ihrer Gestalten und schwelgte in dem Vorgefühl des Erfolgs; sie kostete im Voraus einen kleinen Tropfen jenes süßen und schäumenden Getränks, nach dem eine junge Autorseele lechzt und das man Ruhm nennt, jenes Getränkes, an dem so entsetzlich viel Schaum und so wenig nahrhafter Stoff ist. Ernst sah still ihrer Emsigkeit zu; er machte ihr keine Bemerkungen über ihr geröthetes Gesicht; er störte sie nicht durch das prosaische Verlangen, ihm einen abgerissenen Hemdknopf anzusetzen, oder einen geplatzten Handschuh zu nähen; er wartete schweigend, wenn die Suppe ein wenig später erschien; er legte sich Abends ruhig nieder und ließ die emsige Gattin bei ihrer Lampe am Schreibtisch; er war ein wahres Muster von einem Manne einer berühmten Frau; er war wirklich rührend, denn als die Arbeit, nach vierzehn Tagen etwa, fertig war, sah er sie durch, half Alwine gründlich feilen, machte ihr die sämmtlichen Kommas und Semikolons, über deren Anwendung sie nie zu recht klaren Vorstellungen gekommen zu sein betheuerte, und ließ das Ganze in seiner Schreibstube abschreiben.

„Und hältst Du das Werk nun wirklich der Veröffentlichung werth?“ sagte sie.

„Gewiß thue ich das, liebes Kind; Du hast es doch dafür geschrieben?“

„Das wohl … aber …“

„Du zagst jetzt, mit Deinem Namen in die Welt zu treten?“

„Freilich … aber ich sehe ein, daß es kindisch ist; ich habe das Verstecken hinter falschen Namen immer so gehaßt … deshalb, wenn Du überhaupt meinst, daß ich nicht zu fürchten brauche, mich damit ein wenig lächerlich zu machen …“


Das Jagdopfer auf dem Friedhofe.
Nach der Natur gezeichnet von Guido Hammer.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. zitiert nach: Annette von Droste-Hülshoff, Gedichte. An die Weltverbesserer.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 669. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_669.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)