Seite:Die Gartenlaube (1866) 726.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

Beistande Kaiser Carl’s des Fünften von der Oberherrschaft der Franzosen befreit hatte, stand allgemein geachtet, ja verehrt und vergöttert, an der Spitze der Verwaltung, bis man mehr und mehr gewahrte, daß er seinen Enkel Gianettino Doria ganz besonders bevorzugte. Gianettino Doria war ein Mann vom übelsten Rufe und wegen seiner ehrgeizigen und eigennützigen Absichten allgemein gehaßt und gefürchtet. Der Großvater hatte ihn bereits zum Erben seines Privatvermögens ausersehen und man besorgte wohl nicht mit Unrecht, er strebe auch dahin, ihn den Nachfolger seiner politischen Macht werden zu lassen, da er im Laufe der Zeit mehr und mehr darauf bedacht schien, seinen unwürdigen Verwandten groß und mächtig zu machen, als die Sicherheit der Republik zu befestigen.

So bildete sich allmählich unter dem genuesischen Adel eine Partei von Unzufriedenen und die wahren Vaterlandsfreunde sannen darauf, den der Freiheit ihres Staates so höchst gefährlichen Feind so zeitig wie möglich zu beseitigen und, noch ehe der alte Doria starb, dem gefürchteten Unheil durch eine rasche That vorzubeugen.

Einer dieser Nobili, Johann Ludwig Fiesco, Graf von Lavagna, dem das wachsende Mißvergnügen der Genuesen nicht entgangen war, ließ sich durch dasselbe bestimmen, darauf einen kühnen und ebenso ehrgeizigen Plan zu bauen. Einer der reichsten und vornehmsten Edelleute der Republik, verband er mit diesen Vorzügen zugleich alle jene persönlichen Eigenschaften, welche das menschliche Herz zu gewinnen geeignet sind. Er war ebenso liebenswürdig als großmüthig, liebte die Pracht bis zur Verschwendung und war zugleich gastfrei im weitesten Sinne. Dabei besaß er ein einschmeichelndes, höfliches und bezauberndes Wesen und eine seltene Rednergabe. Aber unter der Maske dieser Tugenden und Vorzüge, die, wie der Geschichtsschreiber bemerkt, ihn zur Zierde und zum Genuß des bürgerlichen Lebens gebildet zu haben schienen, verbarg er alle Neigungen und Fähigkeiten, welche die Personen besitzen müssen, die sich an die Spitze gefahrvoller Unternehmungen zu stellen wagen: unersättliche Ehrsucht, einen Muth, der vor keiner Gefahr zurückbebt, und eine stolze, herrschsüchtige Seele.

Einem solchen Charakter mußte der unterwürfige Zustand, in welchen er sich durch die Verhältnisse in der Republik versetzt sah, unerträglich sein. Immer hatte er auf die Macht des älteren Doria nur mit neidischen Augen geblickt, es erwachte daher sein ganzer Stolz bei dem Gedanken, dieselbe könnte als Erbe einst auf Gianettino Doria übergehen. Einem so allgemein verachteten Manne gehorchen zu müssen, dünkte ihm unerträglich. Von diesen Gedanken und Gefühlen stets beunruhigt, sann seine stolze und ehrgeizige Seele darauf, einem solchen Unheil auf jede Weise zu begegnen.

Anfangs war es sein Plan, im Geheimen ein Bündniß mit Franz, König von Frankreich, anzubahnen. Er machte deshalb dem französischen Gesandten in Rom Vorschläge dazu, und sprach die Absicht aus, mit Frankreichs Beistand Doria und die kaiserliche Partei aus dem Freistaat zu vertreiben und diesen wieder unter den Schutz Frankreichs zu stellen, indem er im Geheimen hoffte, daß ihm aus Dankbarkeit für den geleisteten Dienst alsdann König Franz die Regierungsgewalt in Genua übertragen würde. Mit großer Vorsicht zog er einige ihm näher bekannte Personen, darunter Verrina, in sein Vertrauen, denen er jedoch nur im Allgemeinen den übeln Zustand der Republik und seine Absicht, denselben zu heben, vorstellte, ohne ihnen seine eigentlichen Pläne zu verrathen. Verrina, einer der vornehmsten von den Vertrauten, jedoch ein Mann, dessen Verhältnisse gänzlich zerrüttet waren und der also nichts mehr zu verlieren hatte, überdies zu den kühnsten Unternehmungen geneigt und befähigt, trat dem Vorschlage Fiesco’s, Frankreich die Republik in die Hände zu spielen, entschieden entgegen. Er nannte es eine Thorheit, sich einer so großen Gefahr zum Nutzen eines Fremden auszusetzen, und schlug seinerseits vor, das Unternehmen zum eignen Nutzen auszuführen und sich die Herrschaft über Genua anzueignen. Er befeuerte Fiesco’s Muth durch die schmeichelhafte Vorstellung, daß dessen hohe Geburt, die Zuneigung und Verehrung seiner Mitbürger und der Eifer und die Anhänglichkeit seiner Freunde ihn zu einer solchen Stellung berechtigen und die Letzteren, wozu er sich natürlich selbst rechnete, bemüht sein würden, ihn zu derselben zu erheben.

Verrina’s Vorschlag kam Fiesco’s Ehrgeiz verlockend entgegen, der sich dadurch die glänzendsten Aussichten eröffnet sah, die seine geheimen und heißesten Wünsche zu erfüllen versprachen. Ohne sich daher lange zu besinnen, billigte er Verrina’s Plan und versprach, denselben unter dem Beistande seiner Freunde ausführen zu wollen. Die übrigen Vertrauten erkannten zwar die mit der Ausführung eines solchen Vorhabens verbundene Gefahr für sich und Fiesco, da jedoch der Letztere, den sie Freund, aber auch Gönner nannten, so bereitwillig auf das Wagniß einging, so glaubten sie nicht widersprechen zu müssen und gaben nach kurzer Berathung ihre Zustimmung.

Nachdem man über den Zweck des Unternehmens völlig einverstanden war, kam es nun darauf an, die Art und Weise zu bestimmen, in welcher dasselbe ausgeführt werden sollte, und es wurde nach kurzer Berathung beschlossen, nicht nur die beiden Dorias, sondern auch die Vornehmsten ihrer Partei zu ermorden, die eingeführte republikanische Regierung umzustoßen und Fiesco auf den herzoglichen Thron von Genua zu setzen. Daß die Freunde Fiesco’s, ganz besonders Verrina, ihren Nutzen von einer solchen Umgestaltung der politischen Verhältnisse in Genua zu ziehen erwarteten, darf kaum bemerkt werden; denn wie nahe lag die Voraussetzung, daß derjenige, dem sie die Macht in dem Staate verschafft hatten, ihnen mit unauslöschlicher Dankbarkeit ergeben bleiben würde!

So ging denn der Gedanke, die Macht der Republik an sich zu reißen und statt dieser eine autokratische Regierungsform einzuführen, an deren Spitze Fiesco als Herzog von Genua stand, nicht von diesem, sondern vielmehr von Verrina aus, und wir erkennen, daß Schiller die gegebenen geschichtlichen Momente gerade umgekehrt benutzt hat, obgleich der Held des Dramas durch getreue Wiedergabe der bezeichneten Vorgänge weniger schuldig hätte erscheinen und darum das Interesse des Zuhörers für sich hätte erhöhen müssen. Wer wollte indeß unserm Dichter deshalb einen Vorwurf machen, dessen Intentionen, wie wir aus dem Stück ersehen, dahin gerichtet waren, in Verrina einen verjüngten Andreas Doria wiederzugeben, als Gegensatz zu dem eigennützigen und ehrgeizigen Fiesco?

Ein so gefahrvolles Vorhaben erforderte aber Zeit zu den nöthigen Vorbereitungen, und Fiesco entwickelte, ganz von seinem Unternehmen erfüllt, die angestrengteste Thätigkeit, wobei sich die ihm eigenthümliche Energie und Klugheit in der glänzendsten Weise bewährten. Mit einer undurchdringlichen Verstellungskunst wußte er seine gefährlichen Absichten zu verbergen; unaufhörliche Feste und Zerstreuungen aller Art schienen ihn gänzlich zu fesseln, während er an seinem Plan arbeitete, so daß man in Genua über sein ausschweifendes Leben spöttelte und ihn mit nichts weniger als mit revolutionären Gedanken beschäftigt glaubte. Das eben hatte Fiesco gewollt, und mit um so größerer Kaltblütigkeit, aber auch Vorsicht setzte er seine Zurüstungen fort, ohne sich darin weder durch Bedenklichkeiten seiner Vertrauten stören zu lassen, noch auch von Ungeduld zu einer verfrühten Ausführung seines Vorhabens verleitet zu werden. Ohne seine eigentliche Absicht zu verrathen, setzte er den Briefwechsel mit dem französischen Gesandten am römischen Hofe fort, in der Absicht, sich des Schutzes der französischen Waffen zu versichern, wenn er derselben etwa bedürfen sollte. Zu dem gleichen Zwecke trat er mit dem Herzog von Parma, Farnese, in Verbindung, der, mit den Bestimmungen Kaiser Carl’s des Fünften unzufrieden, da ihm dieser die Investitur dieses Herzogthums verweigert hatte, jetzt bedacht war, alle Pläne zu befördern, welche den kaiserlichen Einfluß in Italien vermindern könnten, oder auf den Sturz der Dorias abzielten, die dem Kaiser die vollste Ergebenheit schenkten.

Fiesco, dessen Scharfblick längst erstaunt hatte, daß ein am Meere gelegener Staat sich vorzugsweise der Herstellung einer bedeutenden Seemacht befleißigen müßte, beeilte sich vier Galeeren von dem Papst zu kaufen, welcher auf diesen Kauf um so rascher einging, als ihm der Plan Fiesco’s nicht unbekannt war und er denselben billigte. Um diesen allerdings auffälligen Ankauf zu bemänteln und ihm eine andere Absicht unterzubreiten, bemannte er eine der Galeeren unter dem Vorwande, mit derselben gegen die Türken kriegen zu wollen; dieser Vorwand diente ihm überdies auch als Anlaß, eine beträchtliche Anzahl Truppen anzuwerben und kühne Abenteurer in Sold zu nehmen.

Während Fiesco alle dieser Vorbereitungen traf, blieb er um so mehr bestrebt, durch Feste aller Art und ein

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 726. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_726.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)