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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

leichtsinniges Treiben jeden Argwohn von sich abzulenken. Er verstand es zugleich, den beiden Dorias durch Aufmerksamkeiten so sehr zu schmeicheln und sich deren volles Vertrauen zu gewinnen, daß nicht nur der alte Doria, dessen edles Herz von jedem Argwohn weit entfernt war, sondern auch Gianettino Doria völlig getäuscht wurden, obgleich des Letzteren böswillige Absichten ihn nur zu leicht zum Verdacht gegen Andere hätten bewegen müssen. Unter Beobachtung aller dieser Vorsichtsmaßregeln gelang es Fiesco endlich, die Zurüstungen zu seinem Vorhaben zu treffen, und es fragte sich nur noch, wann und wie der beabsichtigte Schlag geschehen sollte. In nächtlichen Zusammenkünften berieth sich Fiesco mit seinen Vertrauten, um ihre Meinung zu erfahren, in welcher Weise das Vorhaben am sichersten ausgeführt werden könnte, und man kam überein, den alten Doria während der großen Messe in einer der Kirchen zu ermorden. Da aber Andreas seines hohen Alters wegen den feierlichen Gottesdienst nur selten zu besuchen pflegte, so verwarf man diesen Vorschlag wieder und verstand sich dazu, daß Fiesco die beiden Doria und deren Freunde zu sich einladen sollte, bei welcher Gelegenheit dieselben mit Leichtigkeit und ohne große Gefahr beseitigt werden könnten. Der Anschlag sollte schon in der nächsten Zeit ausgeführt werden, und Fiesco beeilte sich demgemäß die Vorbereitungen zu diesem blutigen Feste zu treffen und die Einladungen an die Schlachtopfer ergehen zu lassen.

So herrschte in dem Palast des Grafen eine vermehrte Thätigkeit, da das Fest, wie man sich in ganz Genua erzählte, eins der glänzendsten werden sollte, die der verschwenderische Fiesco seinen Freunden und zu Ehren der beiden Doria zu geben gedächte. Noch waren nur zwei Tage bis zu diesem Fest, und Fiesco und seine Vertrauten schmeichelten sich bereits mit der Hoffnung, sich nun bald an dem erwünschten Ziel zu befinden, als Gianettino Doria Fiesco die Mittheilung zugehen ließ, daß er eines dringenden Geschäftes halber Genua verlassen müßte und darum an dem Feste nicht Theil nehmen könnte. Der alte Doria lehnte wegen der Abwesenheit seines Enkels den Besuch ebenfalls ab, und so sah sich Fiesco veranlaßt, sein blutiges Vorhaben aufzugeben. Es mußte also von den Verschworenen ein anderer Plan ersonnen werden, und bei einer bald darauf zwischen ihnen stattfindenden Berathung that Verrina den Vorschlag, sich statt der List der offenen Gewalt zu bedienen. Seiner eindringlichen Beredsamkeit gelang es, den Grafen und seine Anhänger für denselben zu gewinnen. Ein offenes Auftreten sagte auch dem kühnen Charakter Fiesco’s mehr zu, der in einem hinterlistigen Morde zu viel Entehrendes erblickt haben mochte.

Man setzte zum Ausbruch des Aufstandes die Nacht vom zweiten auf den dritten Januar fest, und hatte diese Zeit mit Absicht gewählt, da der Doge, einer hergebrachten Sitte gemäß, an dem ersten Tage des neuen Jahres sein Amt niederlegte und der Nachfolger desselben erst an dem vierten Tage darauf erwählt werden konnte. Es blieb daher die Republik diese vier Tage hindurch ohne die Spitze der Regierungsgewalt, und Fiesco hoffte deshalb mit um so geringerer Anstrengung die erledigte Würde in Besitz nehmen zu können. Ohne daß die Genuesen das Geringste von diesem ihre Freiheit bedrohenden Anschlag ahnten, nahte der bestimmte Tag, und Fiesco beeilte sich, am Morgen desselben seine Freunde zu besuchen und unter ihnen einige Stunden in großer Fröhlichkeit zu verbringen.

Als der Abend nahte, begab er sich zu den beiden Dorias, um aus ihrem Betragen und Wesen zu entnehmen, ob sie etwa irgend welchen Verdacht gegen seinen Anschlag hegten. Mit der gewöhnlichen Zutraulichkeit von Beiden empfangen, war er ganz Ehrerbietung und aufmerksamste Hochachtung, und nachdem er mit ihnen eine Stunde im vertraulichen Gespräch zugebracht hatte, während dessen er sie genau beobachtete, konnte er mit der beruhigenden Ueberzeugung von ihnen scheiden, daß auch nicht der leiseste Argwohn gegen ihn vorhanden sei. Fiesco war Menschenkenner genug, um sich keiner Täuschung hinzugeben, denn wäre es auch Gianettino gelungen, sich, falls er Verdacht gegen ihn hegte, zu beherrschen, so war doch Andreas ein viel zu edler und offener Charakter, um seine Gedanken durch Verstellung zu verhüllen. So hätte der Verschwörer im Fall eines Verrathes oder einer Entdeckung die Stimmung des Alten sicher entdecken müssen. Es war mithin zu einer Besorgniß nicht der geringste Anlaß, und mit um so größerem Vertrauen und vollster Sicherheit ging er jetzt an die Ausführung seines Vorhabens. Von den Dorias begab er sich nach seinem eigenen Palast, der abgesondert von den anderen Häusern in einem großen, von hohen Mauern umgebenen Hofraum stand und durch seine Lage sowohl als seine Räumlichkeiten zu geheimen Zusammenkünften besonders geeignet war.

Fiesco hatte am Morgen befohlen, die Thore desselben zu öffnen und einem Jeden, wer er auch sein sollte, den Eingang zu gestatten; ein starke Wache jedoch, die im Hofe aufgestellt worden war, hatte den geheimen Befehl erhalten, Niemand aus dem Palast heraus zu lassen. Verrina und die übrigen Vertrauten des Fiesco, welche sich in dem Palast befanden, hatten auf geheimen Wegen sowohl die Vasallen der Grafen, als auch die Besatzung seiner Galeeren in kleinen Haufen und mit Vermeidung allen Aufsehens in den Palast eingelassen, und verfügten sich alsdann in die Stadt, die vornehmsten Bürger, – welche mit Doria’s Regierungsverwaltung unzufrieden waren und von denen man wußte, daß sie Willen und Muth genug besaßen, durch ihren Beistand einen Umsturz der Regierung herbeizuführen – im Namen ihres Gönners und Freundes zu einem Gastmahl einzuladen.

Bald erfüllte eine große Anzahl von Personen aus allen Ständen Fiesco’s Palast, von denen jedoch nur wenige den eigentlichen Zweck ihrer Anwesenheit daselbst kannten. Groß war darum das Erstaunen der Unwissenden, als sie statt der Vorbereitungen zu einem Freudenfeste den Hof mit bewaffneten Leuten und die Zimmer mit Waffen aller Art angefüllt fanden. Erstaunen, Furcht und Schrecken bemeisterte sich ihrer, und Frage auf Frage ertönte nach der Ursache einer so sonderbaren Ueberraschung, mit welcher sich zugleich der Zwang verband, sich nicht entfernen zu dürfen, bevor der Graf sie gesehen und gesprochen hatte. Zwar war Fiesco darauf bedacht gewesen, daß es an Wein und sonstigen Erfrischungen für die Gäste nicht fehlte; die Gemüther der Versammelten waren jedoch durch die nicht erwarteten kriegerischen Anstalten zu sehr in Unruhe versetzt worden, um sich nicht unbehaglich zu fühlen, besonders als die in Fiesco’s Pläne Eingeweihten die Ungewißheit derselben nicht zu heben für gut fanden, da ihnen Fiesco ein strenges Schweigen bis zu seiner Rückkunft anbefohlen hatte. In der peinigendsten Ungewißheit gingen der Versammlung so die Stunden dahin, bis Fiesco in seinen Palast zurückkehrte.

Mit einem Freudengeschrei wurde der Graf begrüßt, und das Erstaunen der Anwesenden steigerte sich, als sie Fiesco heiter und zuversichtlich schauten, statt, wie sie erwartet und gefürchtet hatten, ernst und sogar drohend. Nachdem Fiesco die Truppen im Hof freundlich und zutraulich begrüßt hatte, begab er sich sogleich in seinen Palast, woselbst in einem der größten Säle die vornehmsten Genuesen versammelt waren. Das Antlitz derselben zeigte Unwillen und Ungeduld, und Fiesco wurde nichts weniger als freundlich empfangen; ja mancher Blick begegnete ihm feindlich und drohend. Er wurde dadurch nicht überrascht, denn er hatte ein solches Benehmen erwartet, da seine den Gästen bereitete Täuschung nicht gut eine andere Wirkung erzeugen konnte, und so verlor er seine heitere Laune nicht, sondern beeilte sich vielmehr, in einem zuversichtlichen Ton zu seinen Gästen zu sprechen. „Vergebt,“ sprach er, sich an die Vornehmsten der Versammelten wendend, „die Täuschung, die ich Euch bereitet habe; ich wurde jedoch durch die Nothwendigkeit dazu bestimmt; den Grund dazu sollt Ihr sogleich erfahren. Vergebt, meine edlen Mitbürger und Freunde, wenn Ihr statt der Vorbereitungen zu einem heiteren Gastmahle bewaffnete Truppen und die Werkzeuge des Krieges findet; aber nicht zu einem Freudenmahle, sondern zu einer tapfern Unternehmung ließ ich Euch laden, überzeugt von Eurem Muth und dem vollen Vertrauen zu mir. Ihr werdet mir, hoffe ich, die gespielte Täuschung um so williger vergeben, wenn ich Euch erkläre, daß diese Unternehmung nichts Geringeres bezweckt, als uns von der Gewaltherrschaft Doria’s zu befreien, uns und Genua die Freiheit wieder zu geben!“ –

Diese Worte, feurig und überzeugungsvoll gesprochen, verfehlten ihre Wirkung auf die Versammelten nicht, und kaum hatte Fiesco geendet, so ertönte der Saal von dem Ausruf des Erstaunens, des Beifalls und der Verwunderung.

(Schluß folgt.)
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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 727. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_727.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)