Seite:Die Gartenlaube (1866) 754.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

Dasselbe geht folgendermaßen vor sich. Nachdem die Feuchtigkeit der frisch gewaschenen Form auf einer warmen Ofenplatte verdampft ist, wird zur Anfertigung der sogenannten Mater oder Matrize geschritten, unter welcher Bezeichnung man das in einer Papiermasse reproducirte, vertiefte Bild der Druckform versteht, ähnlich, wie es der Bildhauer zur Vervielfältigung seines plastischen Kunstwerke durch den Guß aus Gyps anfertigt. Diese Matrize wird nunmehr in eine sogenannte Gießflasche gebracht, einen eisernen Behälter, welcher die flüssige Bleimasse aufnimmt, die, den ursprünglichen Satz reproducirend, die zum Druck zu verwendende Form bildet, welche nach ihrer constanten Beschaffenheit die stereotypirte Form genannt wird. Es ist natürlich, daß bei diesem Verfahren, obgleich es kaum zwanzig Minuten in Anspruch nimmt, noch eine Menge kleiner Einzelnheiten zur Anwendung kommen, welche jedoch mehr für den Techniker von Fach bedeutungsvoll sind.

Ist auf diese Weise die Zeitungsform je nach den Umständen zwei bis drei Mal stereotypisch vervielfältigt worden, so werden die erhaltenen Abgüsse mittels des im Nebenzimmer befindlichen, uns bereits bekannten Hebewerkes an die Druckerei hinaufbefördert und in die Druckmaschinen gebracht.

Steigen wir also aus unseren unterirdischen Aufenthaltsorten wieder hinauf in den großen Maschinensaal, um uns in dieser Räumlichkeit zu orientiren.

Wir befinden uns in einem aus zwei Abtheilungen bestehenden Raume, dessen Verbindung durch zwei hohe, bogenförmige Oeffnungen vermittelt wird. In dem ersten Raume sind zwei durch Dampfkraft getriebene große Schnellpressen aufgestellt, in dem zweiten befindet sich nur eine solche. Diese drei Pressen liefern zusammen in der Stunde achtzehntausend Abdrücke. Für das Auge des Laien ist es ein interessantes Schauspiel, diese Maschinen in Thätigkeit zu sehen. Wie auf ein geheimes Zauberwort fliegen die bedruckten Bogen rechts und links heraus; vier Knaben legen die weißen Bogen geschickt an die Cylinder, welche dieselben sofort der großen Walze zuführen, die zunächst der sich horizontal hin und her bewegenden Druckform befindlich ist, und, mit dem Bogen umkleidet, während ihrer Drehung den Druck desselben bewerkstelligt. Aber kaum hat das Auge Zeit, diesem mit reißender Geschwindigkeit bewerkstelligten Vorgange zu folgen, denn noch haftet der Blick an dem neu zugeführten unbedruckten Bogen, und schon verschwindet derselbe im Nu mit seiner reichen Beute an Neuigkeiten aller Art. Eine weitere Vervollkommnung der Schnellpresse bildet eine neu erfundene Vorrichtung an derselben, vermittelst welcher die Thätigkeit der vier Knaben, die früher an jeder Maschine nöthig waren, um die Bogen aufzufangen und zurecht zu legen, entbehrlich gemacht worden ist. Diese Vorrichtung besteht aus einem Gitter von feinen Holzstäben, welches sich auf und nieder bewegt, und zwar genau dem raschen Tempo folgend, in welchem die Bogen aus der Maschine herauskommen, so daß jeder derselben einen Druck erhält, welcher ihm sofort eine Stelle auf dem Häuflein seiner bereits erschienenen Brüder anweist. Durch diese an und für sich höchst einfache Vorrichtung, die übrigens in den meisten größeren Druckereien ähnlich angetroffen wird, ist wieder ein nicht unbedeutender Aufwand von Menschenkraft durch Maschinenthätigkeit verdrängt worden.[1]

Man kann stundenlang in sinnender Betrachtung vor diesen mit Riesenkräften arbeitenden Maschinen stehen, und erst beim eigenen Anschauen ihrer Thätigkeit und ihrer Leistungen begreift man die Möglichkeit der schnellen Vermittelung thatsächlicher Vorgänge aus den weitesten Entfernungen.

Es ist hier nicht der Ort und läuft unserem Zwecke entgegen, eine den Mann vom Fach befriedigende, ausführliche Beschreibung der Schnellpresse zu geben; unsere Skizze will nur, wie oben bereits bemerkt, bei den Eindrücken der äußeren Erscheinung verweilen und eine allgemeine Anschauung derjenigen Vorgänge vermitteln, welche bis zur Fertigstellung der Zeitung nothwendig sind.

Sehen wir uns etwas weiter in dem großen Maschinensaal um, zu welchem Ende wir die freundliche Beihülfe eines Herrn in Anspruch nehmen, welcher für die rechtzeitige Expedition der fertig gedruckten Zeitungen durch freundliche, oft auch, wenn es Noth thut, durch sehr energische Mahnungen an die betreffenden Kräfte und ernste Hindeutungen auf die Zeiger einer im Locale angebrachten Uhr Sorge trägt.

Wir wenden uns nunmehr der Thätigkeit derjenigen Leute zu, welchen die Expedition der fertig gedruckten Zeitungen obliegt. Ein Expedient und fünf Gehülfen besorgen dieses Geschäft, welches die größte Aufmerksamkeit und zugleich die größte Schnelligkeit erfordert, denn einestheils muß die durch das Expeditionsbuch vorgeschriebene Anzahl der nach den einzelnen Orten abgehenden und der Post abzuliefernden Exemplare sehr genau abgezählt werden, wenn keine Reclamationen eintreffen sollen, anderntheils müssen die einzelnen Postpakete sehr pünktlich expedirt werden, was bei der strengen Einhaltung der Abgangszeiten seitens der Post oft sehr schwierig ist. Zudem kann der Expedient in Bezug auf die ihm zur Couvertirung, Verpackung und Ablieferung gegönnte Minutenzahl wohl sagen:[WS 1]

„Eine kurze Spanne Zeit
Wird uns zugemessen!“

Die fertig gedruckten Bogen werden ab und zu durch Knaben von der Maschine auf die Faltetische gebracht, woselbst wieder andere Knaben das Einlegen der ersten, zweiten und dritten Blätter der Zeitung ineinander und dann das Falten mit einer durch längere Gewohnheit erlangten fabelhaften Geschwindigkeit besorgen. Gefaltet erhalten der Expedient und dessen Gehülfen die einzelnen Exemplare, welche jetzt, wie oben angegeben, behandelt werden, und zwar gleichfalls mit einer Schnelligkeit, die manchen Tropfen Schweiß zur Erde rinnen macht.

Sind nun die Zeitungen fertig verpackt, so werden dieselben in das am Ausgang des Druckerei-Gebäudes ihrer harrende Gefähr geschafft, dasselbe wird sorgfältig verschlossen, ein Expeditions-Gehülfe schwingt sich, das Zeichen zur Abfahrt gebend, auf den Bock neben den Kutscher, die Peitsche knallt und der Wagen rollt nach dem Central-Bahnhofe zur Ablieferung seines Inhalts auf den zur Abfahrt bereit stehenden Zug. Da sich jede Minute Verspätung durch gänzlichen Ausschluß aller Zeitungs-Pakete von der Weiterbeförderung rächen kann, so ist die Aengstlichkeit wohl erklärlich, mit welcher der Zeiger der Uhr im großen Maschinensaale beobachtet wird, bevor die Räder des Zeitungswagens mit seinem Inhalte über das Pflaster rollen.

Ist auf diese Weise nun das Erste Blatt fertig geworden und versandt, so tritt anscheinend eine Pause in den zum äußeren Betrieb der Zeitung nothwendigen Manipulationen ein, die Maschinen stehen still, die Ruhe in den Räumen, in denen dieselben aufgestellt sind, contrastirt auffallend mit dem eben noch daselbst durch sie verursachten Höllenlärm und mit der Geschäftigkeit so vieler Menschen. Aber diese Ruhe ist nur jene verhängnißvolle Ruhe vor dem Sturme, ausgefüllt durch die Vorbereitungen für den Druck des Zweiten Blattes, von welchem Nachmittags gegen vier Uhr bereits die ersten Abzüge zur Revision des Satzes den damit betrauten Beamten vorliegen.

„Das pünktliche Ineinanderspielen so vieler Kräfte erfordert wohl eine sehr strenge Controle?“ bemerkte ich meinem freundlichen Führer, worauf mir derselbe in sehr verständiger Weise erwiderte: „Allerdings hat dasselbe seine Schwierigkeiten, und ohne Aerger geht es bisweilen nicht ab, da wir jedoch bei der Verwendung der Kräfte dem Zufall nur einen sehr untergeordneten Spielraum lassen, vielmehr hauptsächlich, fast könnte man sagen mit Aengstlichkeit, darauf Bedacht nehmen, daß die betreffenden Posten nur durch solche Persönlichkeiten ausgefüllt werden, welche durchaus dafür befähigt sind: so können wir, obgleich uns Anfangs eine größere Mühe erwächst, später um so ruhiger das Geschäft seinen Gang gehen lassen, als wir auch in jeder Weise dafür sorgen, daß die Angestellten jahrelang auf ihren Posten bleiben und sich mehr oder weniger als lebendige Glieder eines großen Ganzen fühlen lernen.“

Durch ein Geschäft abgerufen, wies mich der Herr, welchem ich die vorstehenden Mittheilungen über die Einrichtung des großen Maschinensaales verdanke, wieder dem Obermaschinenmeister zu, unter dessen Führung ich meine Besichtigung des Etablissements fortsetzte. Da meinem Begleiter die Maschinen in Bezug auf ihre technische Zusammensetzung anvertraut sind, so erklärte er mir, auf meinen Wunsch, den Bau derselben bis in die kleinsten Theile, bei welcher Gelegenheit ich die Wahrnehmung machte, daß wir

  1. In der Staatsdruckerei in Wien sahen wir einmal achtunddreißig Druckmaschinen von einem einzigen Manne gehandhabt. Alle übrigen Manipulationen: Zerschneiden des Papiers ohne Ende, das benutzt wurde, Auffangen der Bogen etc. verrichten die Maschinen selbst.
    D. Red.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Zitiert nach „Lebenspflichten“ von Ludwig Christoph Heinrich Hölty (1748–1776).
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 754. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_754.jpg&oldid=- (Version vom 13.12.2020)