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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

Stellung führte die Fäden seiner Forschungen in immer mächtigeren Gebinden in seiner Hand zusammen. Die Beobachtungen von allen meteorologischen Stationen der civilisirten Welt, die in Europa hauptsächlich durch Talent und Mühe unseres großen Landsmanns Professor Dove in Berlin eine so weite Verbreitung und bewundernswürdige Organisation gefunden haben und jetzt mit mehreren Hundert über die ganze Erdkugel ausgestreuten Observatorien wie mit eben so vielen klugen Augen, die Erscheinungen des uns umgebenden Luftmeeres betrachten, die Mittheilungen der gesammten wissenschaftlichen Schifffahrt aus allen Bereichen der Höhe und Tiefe des Oceans, gehörten zu den Materialien der großen wissenschaftlichen Anstalt, der Maury nun vorstand. Von der amerikanischen Regierung veranstaltete Expeditionen, die theils von Maury Instructionen empfingen, theils von ihm selbst begleitet wurden, ergänzten, nebst den Beobachtungen, welche eine Anzahl auf eigene Kosten unternommene Reisen lieferten, das Material zu den großen, auf die Findung allgemeiner, auch für die Praxis nützlicher Gesetze in diesen wechselvollen Regionen gerichteten, mühevollen Arbeiten des rastlosen Mannes.

Aus der Compilation, Sichtung und Ordnung von mehr als einer Million von Beobachtungen und Thatsachen entstanden so, als Frucht eines fast unerhörten Fleißes und einer Arbeitsthätigkeit, die beinahe über das dem einzelnen Menschen Mögliche hinauszugehen scheint, jene achtundsechszig großen (drei Fuß langen, zwei Fuß breiten) Karten, die graphisch das gesammte Leben des Meeres und der Luft und die aus der Kenntniß desselben herzuleitenden, praktischen Vorschriften für die Schifffahrt darstellen. Auf siebenundvierzig dieser Karten erscheinen die constanten und periodischen Strömungen im Meere und in der Atmosphäre, deren Gesetz, Form, Ausdehnung und Bedeutung man mit mehr oder minder Sicherheit zu erkennen im Stande gewesen ist, in Verbindung mit Darstellung einer großen Zahl wirklich ausgeführter Seefahrten durch zweckmäßige Benutzung von Farben, Zeichen, Linien und Ziffern so klar und übersichtlich niedergelegt, daß sie sich nicht nur zum Eintragen neuer Beobachtungen auf neuen Reisen eignen, sondern auch dem Schiffer die Füglichkeit gewähren, seinen Cours im Voraus so einzurichten, daß hier sein Schiff in der dem Auge in der Unendlichkeit des Meeres unsichtbaren Strömung treibe, dort der muthmaßlich um gewisse Zeit wehende Wind seine Segel füllen möge. Sechszehn andere Karten lehren durch Windsterne und eingeschriebene Ziffern sich in Häfen pilotiren; zwei Sturm- und Regenkarten fixiren die Erfahrungen über Richtung und Stärke der Stürme und die Massen der Niederschläge, so daß Maury’s achtundsechszig graphische Darstellungen so zu sagen, einen Post- und Reiseatlas über alle flüssigen Theile der Erdkugel bilden, der Straßen und Stationen im pfadlosen Ocean vorzeichnet und Kunde giebt, wo die lustigen Rosse des Aethers angeschirrt stehen.

„Ein Gesammtbild der Forschungen Maury’s ist in seinem berühmten Werke „Die physische Geographie des Meeres“ gegeben, das den Bereich von Wasser und Luft mit ähnlicher Tiefe und, wo es erforderlich ist, mit derselben Größe des sprachlichen Ausdrucks schildert, wie Humboldt’s Kosmos die Gesammtheit des Weltalls.

Das praktische Resultat dieser wissenschaftlichen und literarischen That Maury’s ist von kaum zu übersehendem Werthe und überragt an solchem die Wirksamkeit der meisten Männer der That.

Sir John Pakington gab in einer Rede zum Lobe Maury’s vor einem englischen Publicum diesem Werthe den Ausdruck, der ihn diesem am begreiflichsten machte, er rechnete ihn nach Geld aus. „Die Erfahrung hat gelehrt,“ sagte er, „daß seit dem Erscheinen des Maury’schen Kartenwerks gebildete Schiffer, durch geschickte Benutzung der ihnen dadurch bezeichneten Strömungen und Windbewegungen, im Stande sind, ihre Reisen beträchtlich abzukürzen, ja sogar die Bemannung der Schiffe zu vermindern und Havarien zu vermeiden, so daß z. B. durchschnittlich an jeder Reise der großen Segelschiffe von eintausend bis eintausend fünfhundert Tonnen Gehalt, die zwischen England und Indien verkehren, zweihundert und fünfzig Pfund Sterling erspart werden. Da aber nun ungefähr jährlich zweitausend solche Reisen gemacht werden, so giebt das einen Nettogewinn von einer halben Million Pfund Sterling (oder drei und eine Viertelmillion Thaler) jährlich, der, gleichsam durch die Folien von Maury’s Werk hindurch, von einer einzigen Oceanroute aus in die Taschen der englischen Handelswelt fließt.“

So groß diese Summe auch ist, so drückt sie doch nur einen sehr kleinen Theil der pecuniären Resultate des Maury’schen Bienenfleißes aus.

Keinem Hydrographen oder Meteorologen konnte es eindrücklicher sein, als Maury, der, unablässig mit dem Finden von Gesetzen und Gesammterscheinungen aus der Zahllosigkeit der Thatsachen beschäftigt, fortwährend das Ganze der Kräftewirkungen im Wasser- und Luftmeere vor Augen haben mußte, daß die Punkte, auf denen meteorologische Studien gemacht werden, bei weitem noch nicht dicht genug auf dem Erdballe gesäet seien, die Beobachtungen noch bei weitem nicht übereinstimmend genug nach Formen, welche Vergleichung und Herleitung von Schlüssen zulassen, angestellt würden, um das Leben in den elastisch-flüssigen und tropfbar-flüssigen Oceanen, welche die Erde umgeben, in seinem Gesammtorganismus begreifen zu lehren. Er wendete daher die ganze Energie und Zähigkeit seines Strebens auf den großen Zweck der Schöpfung einer „internationalen Meteorologie“, durch einen internationalen meteorologischen Congreß. Seine Bestrebungen wurden allenthalben, und auch von der Regierung der Vereinigten Staaten, mit großer Lauigkeit aufgenommen, so lange sie allgemein wissenschaftliche Tendenzen verfolgten. Plötzlich erhielten sie aber durch ein Ereigniß von großer dramatischer Kraft einen Nachdruck von so unwiderstehlicher praktischer Gewalt, daß seine Ideen, wenigstens in einer Richtung hin, schnell ihrer Realisirung zugeführt wurden.

(Schluß folgt.)




Erinnerungen aus dem letzten deutschen Kriege.
4. Oesterreichische Frauen.


Die besten Frauen sind bekanntlich die, von denen am wenigsten pointenreiche Geschichten zu erzählen sind. So geht mir es mit den österreichischen, und bei der rastlosen Eile, mit der wir die Routen nach Wien verfolgten, blieb uns wahrlich wenig Muße und wenig Gelegenheit, ihr Seelenleben zu studiren. Um so weniger, als die meisten Städtchen und Dörfer ein unserm Cultus der Ehrenjungfrauen ganz entgegengesetztes Verfahren beobachteten. Fast überall hatten die mißtrauischen Väter der Stadt die Jungfrauen wer weiß in welches Versteck gebracht, wahrscheinlich um uns durch den gleichmäßigen Anblick ihrer eigenen wüthenden Gesichter mißmuthig zu machen. Einmal entdeckten wir ein solches Massenasyl junger Damen. Am ersten Tage des Waffenstillstandes lagen wir, der vereinbarten Bedingungen unkundig, schon jenseits der Demarcationslinie, des berühmten Rußbaches, und mußten daher am andern Morgen sofort den Rückmarsch antreten. Wir waren noch nicht fort, da öffneten sich die Thore der Kirche und heraus trat die ganze Schaar der weiblichen Dorfjugend, paarweise, voran der Pfarrer des Ortes. Die jungen Damen hatten entschieden das schlechteste Quartier im ganzen Dorfe gehabt.

Wenn die Herren Oesterreicher aber glauben, daß sie uns durch solche Maßregeln das Vergnügen, die bessere Hälfte ihrer Bevölkerung kennen und hochachten zu lernen, gänzlich entzogen haben, so irren sie. Gesehen haben wir all’ die Schönheiten doch, als unser kleines Commando die malerische Bahn von Brünn nach Pardubitz hinauffuhr. Es war ein wundervoller Sonntagmorgen. Die Kirchen wurden also anderweitig gebraucht. Auch mag es den jungen Dorfschönen schließlich zu langweilig darin geworden sein. Genug, aus allen Kirchdörfern – und dort hat jedes kleine Dorf sein Gotteshaus – zogen die schlanken, vollen Gestalten in ihrem bunten Sonntagsstaat mit fliegenden Fahnen und Standarten in großer Procession singend nach irgend einem Wallfahrtsort die Berge hinauf. Den Eisenbahnbetrieb muß auch die Gottesverehrung respectiren, zumal im Kriege, und so trennte

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 766. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_766.jpg&oldid=- (Version vom 13.12.2020)