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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

gemüthliche Breite ihn nicht immer zum Parteiredner geeignet erscheinen lassen, dürfen doch die großen Verdienste, die er sich durch unzählige Anregungen in politischen und communalen Fragen erwirbt, hier nicht unerwähnt bleiben.

In dem Magdeburger Arbeiterbildungsverein ist Uhlich eines der eifrigsten Vorstandsmitglieder und einer der thätigsten und geliebtesten Lehrer. Seine Beredsamkeit, die ihn zum Volkslehrer ersten Ranges stempelt, feiert hier ihre schönsten Erfolge, und mag er nun von der Geschichte Magdeburgs, von den deutschen Kaisern, von seinen Reisen, von der Großartigkeit der Natur, von der Schönheit der Blumen oder den Leistungen der Dampfmaschine erzählen, die Arbeiter lauschen mit gespanntester Aufmerksamkeit seinem klaren und anschaulichen Vortrage. Bedenkt man nun, daß Uhlich nicht nur in dem Magdeburger, sondern auch in den benachbarten Bildungsvereinen der gesuchteste Redner ist; daß er in den Winterhalbjahren populäre Abendvorträge über wissenschaftliche Gegenstände vor einem aus beiden Geschlechtern gemischten Publicum hält; daß das Sprecheramt der Magdeburger freien Gemeinde ihm die verschiedenartigsten Pflichten auferlegt, die er alle mit gleicher Gewissenhaftigkeit erfüllt, und daß er sich außerdem an allen gemeinnützigen Dingen auf’s Lebhafteste betheiligt: so begreift man kaum, wie es möglich ist, daß die Kräfte eines Menschen für eine solche Thätigkeit ausreichen, und sollte meinen, daß auch der Gegner dieser in ihrer Art vielleicht einzigen Leistungsfähigkeit und Thatkraft seine Achtung nicht versagen könnte.

Uhlich besitzt nicht den philosophischen Geist eines Wislicenus, die pikante Schreibweise eines Bernhard König, die dichterische Phantasie eines Baltzer, das zündende Feuer eines Sachse. Er verdankt seine Erfolge seiner unerschütterlichen Ueberzeugungstreue, seinem nicht wankenden Mannesmuthe, seiner unermüdlichen, vor keinem Hinderniß zurückschreckenden Thätigkeit, seinem versöhnenden, auch dem erbittertsten Gegner gegenüber sich gleichbleibenden Milde und Sanftmuth, zum großen Theil aber dem eigenthümlichen Charakter seiner Beredsamkeit, welche mit einer bisher nicht übertroffenen Volksthümlichkeit, Klarheit, Einfachheit und Gemeinverständlichkeit des Ausdrucks eine anmuthige, tief poetische, von der Wärme der Ueberzeugung belebte Darstellungsweise verbindet und dadurch den Verstand und das Gemüth des wissenschaftlich gebildeten Mannes wie des einfachen Arbeiters in gleicher Weise befriedigt.

Wie so viele bedeutende Männer und Vorkämpfer für neue Bahnen und Richtungen, hat auch Uhlich gerade in seinen näheren Umgebungen nicht allemal die ihm gebührende Anerkennung gefunden. Erlaubte sich doch im vorigen Jahre in der Stadtverordnetenversammlung derselben Stadt, welche Uhlich 1848 zu ihrem Ehrenbürger ernannt hat, ein Mitglied von einem „gewissen Uhlich“ zu sprechen, und während nach seiner Amtssuspension zu seinen Ehren Magdeburgs Breiter Weg von jauchzenden Menschen wogte und aus tausend Fenstern wehende Tücher ihm ein Willkommen zuwinkten, gehen ihm jetzt viele von den Männern, die ihn damals mit königlichen Ehren empfingen, scheu aus dem Wege. Daß Uhlich durch derartige Erfahrungen von seiner Liebe zu den Menschen nicht das Geringste eingebüßt hat, daß sich in seiner Schrift „Zehn Jahre in Magdeburg“, in welcher er seine Erlebnisse von 1845 bis 1855 schildert, nicht eine Spur von Verbitterung zeigt, ist ein neuer Beweis für die unverwüstliche Güte und Milde seines Charakters. Ihn entschädigt in reichem Maße die Liebe des treuen Volks, welches ihn in den schwersten Zeiten nicht verließ und ihm bis auf diesen Augenblick eine Verehrung zollt, um die mancher Fürst ihn beneiden könnte. Wo Uhlich erscheint, da zieht der Mann aus dem Volke seine Mütze tiefer als vor dem Herrn Oberbürgermeister, und „Vater Uhlich hoch!“ rufen mit begeistertem Jubel die Männer und Frauen des Volks, wenn Uhlich gesprochen. Möge der verehrte Mann, von dessen Thätigkeit ich nur ein schwaches Bild zu geben vermochte, der Sache, für die er kämpft, noch lange in ungeschwächter Kraft erhalten bleiben!

J. L.




Der Pfadfinder des Meeres.
Von M. M. v. Weber.
(Schluß.)


Bereits im Jahre 1801 hatte ein Oberst Capper in einem Werke „Ueber Winde und Monsoons“ die Vermuthung ausgesprochen, daß Stürme sich nach gewissen Gesetzen bilden und bewegen, und dieser Vermuthung auch gewisse Formen gegeben. E. W. Radfield in New-York veröffentlichte 1831 die weitere Verfolgung dieser Idee auf Grund einer großen Anzahl von in den Vereinigten Staaten gemachten Sturmbeobachtungen. In dieser Arbeit zeigen diese Gesetze zuerst jeden Sturm in Gestalt eines großartigen Wirbelwindes, dessen Durchmesser von wenigen bis auf Hunderte von Meilen steigen kann, in dessen Mitte verhältnißmäßige Windstille herrscht, während an seinem Außenringe die wildeste Luftbewegung tobt. Dieser ganze riesige Hexentanz erscheint als in seiner Gesammtheit nach einer Richtung fortschreitend, die auf beiden Hemisphären fast stets vom Aequator nach den Polen hin liegt. Die Beobachtungen von Marsden und Capitän Beecher beleuchteten auf englischen Observatorien diese Gesetze näher, Major Reid verfolgte sie in Westindien; die Pfade einer großen Anzahl solcher Luftcharybden wurden ermittelt und der Golf von Mexico als der Hauptheerd dieser Revolutionen für den atlantischen Ocean gefunden, die mit denen im Völkerleben das schwindelnde Drehen gemein haben. Sie erhielten den Namen „Cyclonen“.

Die tiefste wissenschaftliche Consolidirung, die besten Grundlagen von fruchtbringenden Ideen erhielt die Vorstellung von diesen gewaltigen Erscheinungen durch einen der größten, vielleicht den ersten Meteorologen aller Zeiten, unsern schon genannten Landsmann Dove, der seine Forschungen in einem berühmten Werke: „Das Gesetz der Stürme“, niederlegte. Jeden „Cyclon“ umgeben nun gewisse Erscheinungen am Barometer, die ihn gleichsam mit sichtlichen Signalen eingrenzen, so daß man jeden Cyclon auf der Weltkarte wandelnd erblicken könnte, wenn es möglich wäre, die Quecksilbersäule in allen Barometern eines großen Landstrichs gleichzeitig spielen zu sehen.

Da man nun die Richtung der Drehung und des Fortschreitens der Cyclonen im Allgemeinen erkennen kann, so bedarf es nur der Bestimmung seines Durchmessers und der Schnelligkeit seiner Bewegung, mittels einiger an verschiedenen Orten angestellter, einem Observatorium rapportirter Beobachtungen, um einige Zeit, die sich auf mehrere Stunden, ja zuweilen noch länger ausdehnt, voraussagen zu können: „Die und die Orte werden um die oder jene Zeit Sturm von der oder jener Richtung und Gewalt haben.“ Das Barometer liefert diese Beobachtungen, die Telegraphie trägt sie in dem meteorologischen Observatorium zusammen. Von diesem aus fliegt aber sogleich die Kunde, daß Sturm naht, diesem weit voraus nach den bedrohten Hafenplätzen und Küstenstrichen und sofort werden an diesen Signale aufgehißt oder Fanale entzündet, welche den Schiffen befehlen, Maßregeln zu ihrer Sicherung zu treffen. Wie in den hochpoetischen Thüringer Waldmärchen der getreue Eckhardt, die stillen Schläfer in grünumhegten Waldhäusern warnend, vor dem „Wilden Heere“ herzieht, so fliegt in unserer Zeit die wissenschaftliche Idee der wilden Jagd der Natur voraus und befiehlt den Schiffern, ihre Segel zu falten, die Anker fest in den Grund zu schlagen, oder, die gefährlichen Küsten fliehend, das hohe Meer zu suchen.

Maury’s Bestrebungen gingen dahin, diesen „getreuen Eckhardt des Meeres“ auf jeder gefährlichen Klippe der Küsten zu postiren; die Nachrichten von der „wilden Jagd“ sollte ihm ein großes System correspondirender meteorologischer Observatorien liefern. Sie wurden, wie gesagt, von den Regierungen wenig unterstützt.

Da meldeten im Jahre 1852 zwei Schiffe, die, arg beschädigt, im Hafen von New-York einliefen, daß sie zwei Tage vorher einen der schönsten Dampfer der nordamerikanischen Flotte, den „San Francisco“, der Truppen nach Californien führte, mit seiner reichen Ladung an Menschenleben in großer Noth gesehen hätten. Ein mächtiger Orcan hätte die Gewässer des Golfstromes

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 783. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_783.jpg&oldid=- (Version vom 13.12.2020)