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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

„Wie konnt’ ich? Weiter ein Stück drunten verdecken die Büsche wieder die Aussicht. So weit ich sie sehen konnte, hielten sie die Straße.“

„Bah,“ sagte Franz verächtlich, „wer weiß, welchem armen Handwerksburschen ohne Wanderbuch sie auf der Fährte sind. Uns geniren sie hier nicht.“

„Etwas ist aber im Wind,“ sagte Brendel finster, „und es war vielleicht die höchste Zeit, daß wir an die Arbeit gingen. Was fangen wir aber mit der Presse an? Verstecken wir sie, wie wir’s früher bestimmt?“

„Gewiß,“ sagte Franz, „das Loch dazu ist ja schon lange gegraben und in einer halben Stunde haben wir Alles aus dem Weg.“

„Und der Kasten?“

„Muß mit hinein. Wir dürfen keine Spur zurücklassen. Theile nur indessen die Noten ab, Brendel, damit Jeder seinen Part bei sich verstecken kann. Du, Vater, hilf ihm und ich werde indessen das Grabgeschäft besorgen. Schade um die schöne Presse, sie muß hier total verrosten, doch es läßt sich eben nicht ändern. Fort dürfen wir sie unter keiner Bedingung schaffen, jetzt wenigstens noch nicht. Vielleicht findet sich im Winter und in den langen Nächten einmal Zeit und Gelegenheit dazu.“

Die drei Leute gingen nun rüstig an die Arbeit, denn es galt nur noch die letzten Spuren zu vertilgen, durch welche sie eine Entdeckung fürchten durften, und dann ihren Raub in Sicherheit zu bringen, ehe irgend ein Verdacht auf sie fallen konnte. Die Presse wurde in eine schon bereit gehaltene breite Grube langsam und vorsichtig hineingelassen, und während sich Brendel mit dem alten Jochus daran machte, die schon in Pakete gesonderten Noten in drei Theile zu scheiden und seinen Theil, so gut das eben ging, an seinem Körper zu verbergen, nahm Franz das kurze, schwere Beil und schlug die Beine von dem eichenen Tisch ab, der ihnen bis jetzt als Arbeitstafel gedient und dessen Heraufschaffen ihnen früher die größte Mühe gemacht. Es ging das nicht ohne Lärm ab und Brendel fühlte sich zuletzt durch das Hämmern so beunruhigt, daß er ärgerlich ausrief:

„Zum Teufel auch, ich wollte, Du hättest das alte Ding hier unten ruhig stehen und verfaulen lassen. Und wenn sie ihn einmal fänden, was läge daran?“

„Wenn sie den Tisch fänden, wüßten sie auch, daß noch mehr hier unten versteckt ist,“ sagte Franz störrisch, „aber seid Ihr denn noch nicht mit dem Abzählen fertig?“

„Gewiß, Deine Noten stecken hier in der Ledertasche.“

„Gut, dann geh’ Du indessen lieber einmal hinauf, Vater, und halte eine Viertelstunde Wacht; indessen machen wir die Geschichte hier fertig und in Ordnung. Laß Dein Paket nur so lange hier unten, es wäre ja doch möglich, daß ein oder der andere Fremde bei dem schönen Wetter hier hinaufkletterte, und sicher ist sicher.“

„’s ist am Ende besser,“ sagte der Alte, „aber halte Dich dazu; wir haben schon eine Menge Zeit verloren und ich muß machen, daß ich wieder nach Wellheim komme.“

Noch während er sprach, verbarg er einen Theil der Pakete, von denen jedes eintausend Thaler enthielt, an seinem Körper, legte dann die anderen unten in eine Ecke, um sie nachher mitzunehmen, und stieg langsam den steilen, schlüpfrigen Pfad hinauf, der in den Burghof hineinführte.

Einmal hielt er erschreckt inne, denn es war ihm fast, als ob er oben ein Geräusch gehört hätte, regungslos stand er und horchte, doch es schien Alles ruhig. Nur hohl und dumpf klangen die Schläge des Beils von unten herauf, mit denen Franz jetzt die Stühle zertrümmerte, um sie ebenfalls in die Grube zu werfen, an der Brendel schon angefangen hatte, sie an der einen Seite auszufüllen. Dicht daneben hatte er noch ein kleines, aber ziemlich tiefes Loch gegraben und in dieses den Rest der noch nicht vollendeten Banknoten mit dem Spaten hinabgestampft; dort unten mochten sie verfaulen, denn wenn sie jetzt ein Feuer anzündeten, so konnte sie vielleicht der aufsteigende Rauch verrathen.

Paul Jochus hatte indessen die steilen Treppenüberreste erreicht, die hinauf in’s Freie führten. Es war ihm wunderbar bänglich zu Muthe und er scheute sich an das Tageslicht hinaufzusteigen. Warum denn? Oft und oft hatte er den Weg gemacht und kannte doch wahrhaftig keine Furcht, es war nur ein sonderbares Gefühl, das ihn beschlich, und immer wieder horchte er auf’s Neue. Aber da unten wurde es ihm zuletzt, als ob er gar keinen Athem mehr holen könne; wie Blei lag es ihm auf der Brust, und er kletterte jetzt rasch die Treppe hinauf, um nur erst einmal an die frische Luft zu kommen.

(Schluß folgt.)




„Und Friede auf Erden.“


Und Friede war’s auf Erden wieder,
Und strahlend sank die heil’ge Nacht,
Die einst den Engelsgruß gebracht,
Auf die beglückte Welt hernieder. –

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Weit durch die stolzgewölbten Bogen

In’s stille Land dringt Pracht und Glanz,
Von Lust und Ruhm ein frischer Kranz
Hat hell das alte Schloß umzogen.

Heim kam der Herr aus blut’gem Kriege,

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Kein Haar auf seinem Haupt berührt,

Die treue Schaar hat er geführt
Im Sturmesschritt von Sieg zu Siege;
Dank bringt dem himmlischen Berather
Am reichen Weihnachtstisch’ er dar,

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Die Mutter und der Kinder Schaar

Dankt für den Helden und den Vater.

In ihren Augen blinken Thränen,
Es blitzt das Kreuz auf seiner Brust,
Hier ward befriedigt jede Lust,

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Kein Hoffen blieb ein eitles Wähnen,

Und aus der Fluth des Kerzenbrandes
Erglänzt in so viel Glück hinein
Vieltausendfach mit gold’nem Schein
Des Königs Bild als Dank des Landes.

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Und Friede war’s auf Erden wieder,

Starr steht das arme Kind am Thor
Und staunt und reckt die Hand empor,
Als rief’ es all’ die Pracht hernieder,
Damit sein Elend satt sich sauge

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An diesem zaubervollen Traum;

Mit ihm freut sich am Lichterbaum
Kein Mutterherz, kein Vaterauge.

Von Weib und Kind riß sich der Fröhner,
Stumm zu gehorchen stets gewohnt,

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Nicht Glück noch Dank hat ihm gelohnt,

Der auch des Schlachtfelds Tagelöhner;
Verzweiflung ließ ihn wild sich raufen,
Der Seinen nur dacht’ er dabei;
In deutscher Brust das deutsche Blei,

40
So stürzt’ er auf den großen Haufen.


Zwei Herzen hat der Schuß getroffen,
Doch härter war der Wittwe Tod,
Sie ließ die Waise ohne Brod,
Die sie gesegnet ohne Hoffen. –

45
Nicht länger will die Pfleg’rin lungern,

Des Schlosses Lichter löschen aus,
Sie weckt das Kind und treibt’s nach Haus,
Zu frieren wieder und zu hungern.

Wohl mögt Ihr hoch die Helden preisen,

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Und Jeder ehrt sich, der sie schmückt,

Doch denkt, beglückend und beglückt,
Der armen Wittwen auch und Waisen,
Daß trocken alle Thränen werden;
Erst wenn sich freundlich Reich und Arm

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Begegnen ohne Haß und Harm,

Erst dann wird Friede sein auf Erden!

Albert Traeger.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 804. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_804.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)