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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

Denn meine Frau, als sie eben von ihrem Gemahl herunterkam und ihn im Hof bei seiner Arbeit stehen sah, ging auf ihn zu und sprach eine Weile mit ihm, und gab ihm endlich die Hand, und da sah ich wohl, daß er ganz auseinander war und die Hand festhielt und küßte, was sie aber nicht leiden wollte. Und hernach sang und pfiff er, der garstige Heimtücker, und war um den Finger zu wickeln. Zu mir dagegen sprach die Frau kein Wort, obwohl sie sehr sanft und gut war, und mir und der Martina hat sie all’ ihre Kleider geschenkt, die sie hier getragen. Dann zog sie selbst ein ganz weißes an, das mußt’ ich ihr aus dem untersten Fach herausholen, wo es seit drei Jahren die Sonne nicht beschienen hatte, und wie sie fertig angezogen war: ‚Meiner Seel’,‘ sagt’ ich, ‚Ihr seht ja förmlich aus wie eine ganz junge Braut.‘ – ‚Ich bin’s auch, Barborin,‘ sagte sie, ‚und nun komm’ mit mir.‘ – Und da ging sie vorne in die Capelle hinauf, da war schon der Marchese und auch Taddeo, und Fra Ambrogio ließ die Herrschaften beide auf Einen Schemel am Altar niederknieen und sprach den Segen über sie, als würden sie da zum ersten Mal zusammengegeben. Und ich heulte vor Freuden, und sah, wie auch der hartgesottene Sünder, der Taddeo, den Mund und sein eines Auge verzog, aber geweint hat er denn doch nicht.

Ach, lieber Herr, was haben wir erleben müssen! Und wie anders ist es gekommen, als wir noch gestern um diese Zeit dachten! Denn kaum war der Pater fertig, da stand unser Herr auf, küßte die Frau auf den Mund und führte sie hinaus. Mich sah er nicht einmal von der Seite an, aber ich merkte doch, er dachte nicht daran, mich todtzuschießen. Er führte seine Frau, ohne sich irgend aufzuhalten, hinunter und über den Hof und zum Thor hinaus, so wie sie ging und stand, und der Taddeo hatte nur noch Zeit, mir zu bestellen, ich solle Alles einpacken und morgen mit dem Gepäck den Herrschaften nachfahren, und dies Briefchen, sagt’ er, sei für den Herrn Oesterreicher, also für Euch, und im Uebrigen könntet Ihr ihm, nämlich dem Taddeo, gestohlen werden – der schlechte Kerl, der er ist! – und dann lief er den Herrschaften nach, die noch draußen auf der Brücke von Fra Ambrogio Abschied nahmen. Seht, das ist Alles, was ich weiß. Vielleicht steht das Uebrige in dem Briefchen hier.“

Das Blatt aber, das Eugen in seltsamer Bewegung beim letzten Tagesschein entzifferte, enthielt, mit Bleistift von der Hand des Marchese hingeworfen, nur die Worte: „Ihr seid ein Ehrenmann. Ihr werdet wissen, was Ihr der Gastfreundschaft schuldig seid. Lebt wohl!“

Eine Stunde darauf, als er in tiefer Dämmerung mit einem Knaben, der sein Gepäck trug, den Berg hinunterstieg – er hatte sich nicht entschließen können, trotz Barborin’s heftigem Zureden, noch eine Nacht im Castell zu bleiben – sah er unten, wo die Steine im Bett des Wildbachs weiß heraufschimmerten, etwas Glänzendes, das ihn, ohne daß er wußte warum, zu dem halsbrechenden Umweg in die Tiefe lockte. Er hieß den Knaben warten und stieg von Klippe zu Klippe hinab, die Augen fest auf das Blinkende geheftet. Als er es aufhob, durchzuckte ihn eine seltsame Empfindung. Er zweifelte keinen Augenblick, daß er dieselbe Uhr in den Händen hielt, die so viel bittere Stunden gezeigt hatte seit jener ersten entscheidenden Mitternacht. Nun stand sie für immer still, das Werk war zerschmettert.

Der Finder steckte sie mechanisch in die Tasche; er dachte wohl daran, sie zum Andenken an diese Tage aufzuheben. Als ihn aber in dunkler Regennacht ein Kahn nach Riva hinübertrug, zog er plötzlich mitten auf dem See die Uhr hervor und warf sie über Bord.




Erinnerungen aus dem letzten deutschen Kriege.
Nr. 5. Treu bis in den Tod.
Mit Abbildung.


Treu bis in den Tod.


Noch eine Illustration aus dem deutschen Krieg,“ schreibt uns ein befreundeter Künstler, welcher der Gartenlaube schon manches gute Bild geliefert, „und wieder von den böhmischen Leichenfeldern? So werden Sie mit Kopfschütteln denken, wenn Sie dieses Blatt aufschlagen. Ja, verehrter Freund, noch eine, aber es zwang mir den Bleistift in die Hand, als mir die einfache Geschichte erzählt wurde, die sie darstellt. Die beiden preußischen Soldaten sind Portraits.[WS 1] Ich zeichnete sie, als sie mir auf meiner

Anmerkungen (Wikisource)

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 813. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_813.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)