Seite:Die Gartenlaube (1866) 821.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

Die Güsse bestehen zunächst aus mehr oder weniger großen, runden oder viereckigen Formen und werden erst hernach in die erforderliche bestimmte Gestalt geschmiedet, gehämmert und gedrechselt. Durch die regelmäßige Form des Gusses wird eine gleichmäßige und von Luftblasen freie Masse erzielt; der Dampfhammer giebt dann der rothglühenden Masse die nöthige Dichtigkeit, Kraft und Elasticität und drängt sie in der Regel zu einer zwei bis drei Zehntel Procent größeren Dichtigkeit zusammen, und die Widerstandskraft steigt von siebenhundertundsechszig bis eintausenddreihundertundzwanzig Centner auf den Quadratzoll. Die letzte Masse für die Kanonen ist ziemlich weich und hat eine Widerstandskraft von acht- bis neunhundert Centnern.

Die kleineren Kanonen bestehen aus einem einzigen soliden Stück, die über acht Zoll im Kaliber sind zusammengesetzt und durch Ringe befestigt. Die bis jetzt fabricirte größte Stahlkanone von elf Zoll Kaliber wurde zunächst als Cylinder siebenhundertundfünfzig Centner schwer und sieben Fuß im Durchmesser gegossen und dann zuerst geschmiedet, worauf sie mit Schildzapfenringen von Gußstahl und durch mehrere Reifen befestigt ward. Zwei solche Ungeheuer, jede fünfhundertundvierzig Centner schwer und im Werthe von beinahe vierzehntausend Thalern, sind für die russische Regierung verfertigt worden. Es sind Hinterlader, werfen mit fünfzig Pfund Pulver eine Kugel von fünfhundertundvierzig Pfund und sind zur Vertheidigung von Kronstadt bestimmt. Ein noch größeres Ungeheuer von fünfzehn Zoll Kaliber, ebenfalls für die russische Regierung bestimmt und Kugeln von neunhundert Pfund werfend, wird zunächst auf der großen Pariser Ausstellung prangen.

Eine Hauptrolle in der Krupp’schen Anstalt spielen die Dampf-Eisenhämmer von der Schwere eines Centners bis zu tausend Centnern. Der größte dieser Art hat einen Fall von zehn Fuß und kostet gegen siebenmalhunderttausend Thaler, wovon zwei Drittel allein für den Bau der Unterlage oder des Bettes verwendet wurden, welches denn auch so fest gerathen ist, daß, obgleich er schon fünf Jahre lang Tag und Nacht gedonnert und die Erde ringsum erschüttert hat, bis jetzt kaum eine Senkung zu bemerken ist. Man sollte glauben, daß nichts der Gewalt dieser Schläge widerstehen könnte, aber die großen Massen rothglühenden Stahls, die er oft zurecht zu schmieden hat, ertragen diese Schläge mit so viel Widerstandskraft, daß sie nur durch lange Wiederholung nach immer erneuerter Glühung sich etwas fügen und schicken lernen. Deshalb hat sich Herr Krupp auch bereits entschlossen, eine dreifach größere Gewalt gegen seinen störrischen Stahl anzuwenden und einen Hammer von zweitausendvierhundert Centnern mit einem Falle von dreizehn Fuß zu schmieden. Die Kosten dafür sind auf mehr als 1,300,000 Thaler berechnet worden.

Bisher waren Stahlkanonen die Hauptwunderwerke der Krupp’schen Anstalt; neuerdings fabricirt er aber auch viele Kugeln und Bomben dazu, zunächst für die russische Regierung, welcher er viele Tausende von länglichen, Acht- und Neun-Zoll-Kaliber-Bomben, alle von dem feinsten Stahl, geliefert hat. Die kleinere Art davon enthält acht Pfund Pulver und ist im Stande, vierundeinenhalben Zoll dicke Eisenplatten zu zerschmettern, ohne selbst beschädigt zu werden; aber jede dieser Pillen kostet mehr als hundert Thaler, da sie alle gehämmert und geschmiedet sind. Aehnliche, etwas kleinere Bomben sind für die italienische Regierung bestimmt und zum Theil schon geliefert worden.

Auch die Engländer, die seit Jahren mit den ungeheuersten Mitteln in dieser Sphäre arbeiten und probiren, leisten in gewaltigen Zerstörungswerkzeugen Bedeutendes, wie neuerdings die Schießübungen auf der berühmten Land- und Sandzunge von Shoeburyneß an der Mündung der Themse bewiesen haben sollen. Hier haben sie seit Jahren eine Art Concurrenzkrieg zwischen Bomben und künstlichen Schiffseisenwänden geführt und erstere immer größer und zerstörender, letztere immer dicker und undurchdringlicher gemacht, bis diese endlich eine Stärke erreichten, die nicht mehr vergrößert werden kann, wenn überhaupt die betreffenden Schiffe noch schwimmen sollen. Aber die Whitworth-Kanonen und deren Bomben schlugen schließlich durch die dicksten, sehr dick gefütterten Eisenplatten hindurch. Den größten Triumph feierten zuletzt die Bomben des Major Palliser von gekühltem Eisen, d. h. solchem, welches in Rothglühhitze schnell und auf einige Augenblicke in’s Wasser geworfen ward. Sie schlugen sofort durch die allerdicksten Eisenplatten hindurch und barsten erst hinterher, was bei sämmtlichen früher versuchten Bomben nur ausnahmsweise der Fall war. Eine Hauptsache dabei ist noch, daß sie selbst viel billiger sind, als alle früher versuchten Bomben, und viel weniger Pulver erfordern. Da nun die Dicke und Stärke der Schiffswände nicht mehr vergrößert werden und diese den Palliser’schen Bomben nicht mehr widerstehen können, haben die Engländer wieder etwas Ruhe bekommen und hoffen, daß sie in einem nächsten Seekriege ihre alte Ueberlegenheit behaupten werden. Was inzwischen aus der Krupp’schen Werkstatt und aus dem immer noch erfinderischen Kopfe des Zündnadelgewehr-Helden in Sömmerda hervorgehen wird, das kann man freilich nicht wissen. Jedenfalls dürfte England noch lange Zeit brauchen, ehe es den Einen und den Anderen erreicht.

Zwischen den beiden Halbgöttern der militärischen Production, Krupp und Dreyse, scheint eine Art Gegensatz zu bestehen, da Letzterer darauf hin arbeitet, es nicht nur der Infanterie, sondern auch der Artillerie im massenhaften Zerstörungswerke immer leichter zu machen, während Ersterer darauf hinarbeitet, Kanonen und Kugeln zu furchtbarer Größe anzuschwellen. Sie Beide arbeiten auch nach geschlossenem Frieden mit ungeschwächten Dampf- und Menschenkräften an immer größerer Vervollkommnung und Vermehrung der furchtbarsten Zerstörungsinstrumente des Krieges und haben in der ganzen civilisirten Welt alle Collegen, alle Großmächte zu der fieberhaftesten Thätigkeit und Production angefeuert, so daß wir leider noch auf keinen dauernden Frieden rechnen können, wohl aber befürchten müssen, daß der nächste Krieg alle andern an Furchtbarkeit und großartiger Zerstörungskraft übertreffen werde. Der einzige Trost ist auch hier wieder, daß die Herren über Krieg und Frieden im Bewußtsein dieses Entsetzens mehr als bisher ihre Kräfte aufbieten werden, dem Frieden Opfer zu bringen, statt die Blüthe ihrer Landeskinder und die heiteren Werke der Cultur dem Schlachtengotte preiszugeben.




Ruine Wildenfels.
Erzählung von Friedrich Gerstäcker.
(Schluß.)


In das kleine Gewölbe, das Paul Jochus jetzt betrat und das dicht an den Burghof stieß, fiel allerdings die Sonne noch nicht herein, denn die einzige dort eingebrochene Thür lag nach der Nordseite, es war jedoch hell genug darin, um sich umsehen zu können, und er athmete hoch auf, als er keinen Menschen hier erblickte; war es doch fast, als ob er erwartet hätte, hier Jemanden zu finden. Plötzlich aber stieß er einen lauten Angstschrei aus, denn in dem Moment sprangen zwei dunkelgekleidete Gestalten durch die schmale Thür und warfen sich auf ihn. Jeder Flucht- und Widerstandsversuch war unmöglich, weil den Zweien noch Andere folgten. Soldaten sah er ebenfalls mit ihren blitzenden Helmen und Gewehren. Im Nu hatten sie seine Arme gefaßt und ihn an weiterer Flucht verhindert.

„Was wollt Ihr?“ schrie er absichtlich laut, „was habt Ihr vor? Seid Ihr Räuber und Mörder?“

Das Klopfen hatte unten aufgehört, aber immer mehr Menschen drängten in den engen Raum.

„Laternen her!“ rief der Assessor Schüler, der das Ganze leitete, „hier ist der Eingang zu dem Versteck. Klettere einmal Einer mit einer Laterne voran. Ihr Uebrigen breitet Euch oben aus; ich brauche nur vier Mann mit mir, wir wissen nicht, ob der Bau nicht noch eine Nothröhre hat, durch welche die Schufte vielleicht ausfahren könnten. Vorwärts! Ihr kennt Eure Ordre.“

Paul Jochus war ein baumstarker Mann, und in gewöhnlicher Zeit würden vielleicht vier Leute kaum hinreichend gewesen sein, ihn zu überwältigen und zu halten, jetzt konnte ihn fast ein

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 821. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_821.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)