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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

stürmend, „willst mir wohl das Haus überm Kopf anzünden, Schwagerin? Kannst nit besser umgeh’n mit der Sach’? Meinst wohl, das Schmalz kost’ nichts, weil Du’s nur herausstechen darfst aus dem Hafen?“

„No, no,“ entgegnete die Hauserin, eine stattliche Frau mit freundlich gerundetem, geröthetem Angesicht. „Ich hab’ schon die letzte Lag’ Küchel in der Pfann’; wegen dem Bröckel Schmalz, das mir unversehens von der Gabel gefallen ist, wird dem Faß der Boden noch nicht aus sein! Der Schwager macht halt aus jeder Mucken einen Elephanten!“

Der Brunnhofer hatte einen Spahn ergriffen und endlich die Pfeife in Brand gesetzt. „Hab’ ich etwa nicht Ursach’ dazu?“ rief er paffend und dampfend. „Wegen dem Bröckel Schmalz kann der ganze Hof in Rauch aufgehen! Und nachher – das ist ja ein ganzer Berg von Kücheln, die da gebacken werden! Will mich die Schwägerin auf die Gant bringen, daß sie so in den Tag hinein haust?“

Die Frau ließ sich durch das Schelten nicht irre machen und fuhr ruhig fort, die Pfanne über dem Feuer zu schütteln, worin das letzte ‚Richt‘ des schneeweißen Gebäcks sich verlockend zu bräunen begann. „Es ist nicht um ein Stück mehr, als allemal gebacken worden sind!“ sagte sie ruhig. „Wenn’s dem Schwager zu viel ist, hätt’ er’s nur sagen brauchen … ich hab’s nit wissen können, daß es dem reichen Brunnhofer die Küchel nimmer leid’t zu der Sichelhenk!“

„Willst mich noch foppen auch zu all’ mein’ Verdruß?“ rief der Bauer. „Und ich sag’ der Schwagerin, es muß anders werden; es ist nirgends keine Ordnung im Haus und nirgends kein Respect!“

Die Schwägerin sah ihn einen Augenblick seitwärts an, als wolle sie eine gereizte Antwort geben, dann wandte sie sich achselzuckend ab und fuhr fort, die Küchel auf der zweizinkigen Gabel abtropfen zu lassen und zu dem schon aufgethürmten Berge zu häufen. „Dann thät’ ich’s halt ändern, wenn ich der Schwager wär’!“ sagte sie kaltblütig. „Ich mein’, ich hätt’ ihm die zehn Jahr’ her, seit die Schwester todt ist, Haus und Hof wohl zusammen gehalten – wenn’s dem Schwager aber nimmer taugt, darf er’s nur sagen; ich kann alle Stund’ geh’n und weiß wohin! Und wenn man keinen Respect vor’m Schwager hat, wird’s wohl sein, weil er sich kein’ verschaffen kann!“

„Oho, ich werd’ mir ihn schon verschaffen! Ich werd’! Es ist nur, weil ich zu gut bin gegen Euch Alle miteinander und besonders gegen den Lumpazi, den Vestl!“

„Aha, blast der Wind wieder einmal aus dem Eck? Hätt’ mir’s einbilden können! Der verflixte Bub’, was hat er denn schon wieder ’than?“

„Gethan?“ rief der Brunnhofer und dampfte wie unsinnig. „Das ist ja eben das Kreuz, daß er nichts thut! Nichts als auf d’ Jagd laufen und auf alle Scheibenschießen ’rumfahren!“

„Weil er halt der beste Schütz ist weit und breit und weil ihn der Forstner überall dabei haben will!“

„Oder gar mit dem Stutzen herum spazieren geh’n und den Officier spielen!“

„Weil er der sauberste Bursch’ ist von Allen und weil ihn die Bergschützen halt durchaus als Corporal gewollt haben …“

„Bei Tag und Nacht nit heimgeh’n …“

„Aber d’ Arbeit ist doch allemal gescheh’n, wann’s sein muß und wie sich’s gehört.“

„Nichts als Händel anfangen! Aufbegehr’n, wenn ihm Einer eine schiefe Red’ giebt, und noch gar d’reinschlagen!“

„Ja, das ist wahr,“ sagte die Hauserin beistimmend, „das hat er erst neulich wieder gethan, wie’s auf den Schwager Trutzg’sangeln g’sungen haben!“

„Was? Trutzg’sangeln auf mich? Wer hat das ’than? Wo ist das gewesen?“

„Wo wird’s gewesen sein? Am Lienhardi-Tag, drinnen im Neuhaus bei’m Bocksteffel! Da waren Marbacher Burschen an dem einen Tisch und der Vestl, der just vom Josesphsthal herauskommen ist, am andern … Da haben sie ang’fangen Trutzliedeln auf einander zu singen und haben über einen gewissen Bauern g’spöttelt, der im Frühjahr auch einmal mit’gangen ist auf die Jagd und hat einen Baumstamm für einen Rehbock ang’schaut. …“

„Stern-Sacra!“ murrte Brunnhofer und biß auf seine Pfeife.

„Der Vestl aber,“ fuhr die Hauserin fort, „hat’s nit gelitten und hat’s den Burschen abgeboten … die haben ihn ausgelacht, weil sie die Mehreren gewesen sind, ihrer Sieben oder Acht über Einen. Der aber ist nit faul gewesen und hat frisch angepackt. ‚Wer mein’ Vettern schimpft, der schimpft mich,‘ hat er g’rufen, und in fünf Minuten ist die Stuben ausg’räumt g’wesen und die Marbacher sind draußen g’legen, als wenn s’ ihrer Lebtag nit g’standen wär’n!“

Der Alte erwiderte nichts; er dampfte gemächlicher und stopfte mit dem Finger die Gluth in der Pfeife nieder. Er war sichtlich geschmeichelt und innerlich erfreut über des Burschen Kraft und Entschlossenheit und daß er so entschieden für ihn eingestanden, allein der Unmuth war noch zu groß, als daß er vermocht hätte, es zu gestehen.

„Da haben wir’s ja!“ polterte er, aber merklich milder. „Das ist ja, was ich sag’! Ihrer Sieben oder Acht über Einen! Wie leicht hätt’ das ein Unglück abgeben können! Aber es muß anders werden, hab’ ich g’sagt und ich halt’s!“

Die Hauserin hatte indeß ihr Geschäft beendet, das Feuer gelöscht und war eben daran, die mächtige Eisenpfanne wieder blank zu scheuern. „Mein, mein!“ rief sie dazwischen. „Es hat keine so große Gefahr mit dem Vestl! Und wenn nit Alles wär’, wie’s sein sollt’, wer wär’ daran schuld, als der Schwager selber? Er hat den Buben in’s Haus g’nommen und hat ihn verzogen und verwöhnt und in ihn hineingeschaut, wie in ein’ Spiegel!“

„Was hätt’ ich denn sonst thun sollen, Schwagerin? Ist er nit das Kind von meinem Bruder und ein armer Narr gewesen dazu? Ich bin ein alter einschichtiger Mann, ich hab’ keine andern Blutsfreund’ – Deine Schwester, mein braves Weib, ist auch schon lang heim’gangen.“

„ … Tröst’s Gott …“ sagte die Hauserin und faltete die Hände.

„D’rum,“ fuhr der Alte fort, „und weil unser Herrgott mir keine Kinder vermeint hat, haben wir den Buben bei uns behalten und ich hab’ mir vorgesetzt, er sollt’ einmal Brunnhofer werden, sollt’ Alles haben und mir einmal die Augen zudrücken, als ein richtiger Bauer und als ein braver, ordentlicher Mensch … Aber wenn’s so fort geht und er kommt auf den Hof, so kommt sein Camerad, der Musikant, der Clarinetten-Muckl, mit ihm und die Jager alle und die Schützen, da geht das Loderleben erst recht an und eh’ ein paar Jahrl’n vergeh’n, ist der ganze prächtige Hof verblasen und verschossen und verjubilirt und der Lump ist fertig oder der Bettelmann!“

„So arg wird’s auch nit werden, Schwager!“ erwiderte begütigend die Hauserin. „Mit den Jahren kommt der Verstand … das wird halt im Blut stecken! Das wird er von seinem Vater haben! Der ist ja auch auf und davon und hat den schönen Hof hinten gelassen, blos von wegen dem lustigen Leben beim Militari …“

„Still, Schwagerin,“ unterbrach sie der Alte und blickte um sich, als sei ein gefährliches Wort gesprochen worden und als wolle er sich überzeugen, daß Niemand zugegen, der es belauscht haben könnte … „still! Keine solche Red’ mehr – wann sie wüßt, wie sehr sie dem Todten damit Unrecht thut, sie thät ihrer Lebtag das Maul nimmer so weit aufmachen … Aber ich kann’s der Schwagerin jetzt wohl sagen! Jetzt ist’s besser, sie erfahrt, was ich die Zeit her alleweil bei mir behalten hab’ … vielleicht ist sie nachher meiner Meinung und hilft mir …“

„Da bin ich doch neugierig!“ sagte die Hauserin, nahm einen mächtigen Wollstrumpf zur Hand und machte sich zum Zuhören und Stricken bereit.

„Die Schwagerin weiß wohl,“ begann der Alte, „es sind unser zwei Brüder gewesen auf dem Brunnhof – der Andrä, das war der Aeltere, der einmal den Hof hätte kriegen sollen – und ich. Es sind schwere Kriegszeiten gewesen dazumal – die Leut’ waren rar und die Güter wohlfeil und der Brunnhof war heruntergekommen; es hat für mich nit viel Andres herausgeschaut, als meiner Lebtag als Bauernknecht herumdienen oder auch Soldat werden. Wär’ auch schier so gekommen! Der Vater ist alt gewesen und hat in die Ruh’ verlangt und wollt’ dem Andrä den Hof übergeben. Der hat sich eine Heirath aussuchen sollen und das ist ihm nit schwer g’fall’n, er hat ja schon lang einen Schatz g’habt – ein saubres braves Dirndl, aber auch ein bissel von der armen Seiten … Das wär’ Alles noch gar nit schlimm gewesen – aber da ist das Unglück kommen: das Madel ist

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_003.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)