Seite:Die Gartenlaube (1867) 013.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

Eine kleine Geschichte, die unsern Lesern im Allgemeinen vielleicht schon bekannt ist, finde, da ihre Einzelnheiten meist unrichtig erzählt werden, hier noch einen Platz:

Während Pfuel Gouverneur von Paris war, besuchte ihn einst ein französischer Officier, als ersterer eben im Begriff stand, das Haus zu verlassen. Die Beiden trafen sich auf der Treppe. Der Officier trug ihm sein Anliegen vor. Pfuel, sehr pressirt, ersucht ihn artig, in einigen Stunden wieder zu kommen. Dieser wird zudringlich und besteht in brutaler, ungezogener Weise darauf, gleich abgefertigt zu werden. Pfuel, dem das Blut zu Kopfe steigt, schlägt dem Franzosen den Hut vom Kopf, mit dem dieser bedeckt geblieben, und macht ihn aufmerksam, daß er als Bittender vor dem „Gouverneur von Paris“ stehe. „Das wagen Eure Excellenz nur,“ entgegnete ihm der Geschlagene, „weil Sie wissen, daß Sie mir in Ihrer Stellung keine Satisfaction zu geben brauchen.“ „Meinen Sie?“ entgegnete Pfuel, rasch den Degen ziehend, „kommen Sie in den Hof. Ziehen Sie!“ – Vergebens alles Widerreden, Pfuel dringt auf ihn ein, der Franzose vertheidigt sich, aber der Deutsche, ein gewandter Fechter, schlägt ihm nach einigen Gängen die Klinge aus der Hand, worauf sich der Entwaffnete schnell hinter ein großes, im Hofe stehendes Wassergefäß retirirt. Mit dem Worte „Lâche!“ (Feigling) steckt Pfuel den Degen ein, dreht dem Gegner achselzuckend den Rücken und verläßt das Haus.

Und dieser Mann, in jeglicher Gefahr ein Held, hatte ein Gemüth wie ein Kind, jeder weichen Empfindung zugänglich. Die Schriftstellerin Mühlbach, von der oben die Rede war, hatte ein paar indische Vögelchen, von denen das Weibchen eines Tages todt im Käfig lag. Pfuel kam eben dazu, als Frau Mühlbach vergebens Versuche anstellte, das niedliche Thierchen wieder zu beleben. Während der Zeit flatterte das Männchen mit ängstlichem Gekreisch unruhig im Bauer hin und her, und als die betrübte Professorin die kleine Leiche vor ihm hin legte, stürzte das arme Thier, wie vom Blitz getroffen, todt neben dem Weibchen hin. Die beiden Zeugen dieses rührenden Stückes Seelenleben der Thierwelt konnten sich der Thränen nicht erwehren, und nie erzählte der alte General diese von ihm oft wiederholte Geschichte eines „treuen Ehepaares“, ohne Wasser in den Augen zu haben. Oft blieb er vor den ausgestopften Lieblingen der Hausfrau stehen, um einige Worte des Lobes zu Ehren des „braven Ehepaares“ vor sich hin zu murmeln. Auf seinem Gute wurden zahllose zahme Kanarienvögelchen gepflegt, die, im Sommer in den Park frei gelassen, beim Einbruch der rauhen Witterung größtentheils in die schützenden Räume des Schlosses zurückkehrten. Alle Thiere fanden an Pfuel einen warmen Freund und treuen Beschützer.

Eine rührende Eigenschaft des alten Kriegsmannes war sein felsenfestes Gottvertrauen und sein unverbrüchlicher Glaube an ein Fortbestehen nach dem Tode. Stundenlang konnte er an diesem Thema festhalten und es mit allen Gründen des Glaubens

Die kranke Kuh.
Originalzeichnung von Ernst Bosch.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_013.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)