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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

No. 2.

1867.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.


Wöchentlich 1 1/2 bis 2 Bogen.     Vierteljährlich 15 Ngr.     Monatshefte à 5 Ngr.


Die Brautschau.
Ein Bild aus den oberbairischen Bergen.
Von Herman Schmid.
(Fortsetzung.)


Der alte Brunnhofer war so erregt, daß er auch allein zu schelten fortfuhr und mit lauter Stimme vor sich hin schrie. „Anders muß es werden!“ rief er. „Und ich hab’ schon meinen Gedanken, wie ich ihn zwing’, den keinnützen Buben! Wenn ich mir denk’, wie es sein könnt’ und wie es ist, krieg’ ich meinen Zorn, daß ich nicht weiß, wo aus und wo an! Wenn ich nur gleich was hätt’, woran ich ihn auslassen könnt’ … ich bin so giftig, daß ich gleich Eins nehmen könnt’ und könnt’ es in der Mitt’ abbrechen …“

„Oho …“ rief eine weiche wohlklingende Stimme, als er im blinden Eifer gegen die Hausecke rannte, „wirst doch mich nicht abbrechen wollen? Ich hab’ keine Zeit zu verlieren, bis Du mich etwa wieder zusammensetzen thätst!“

„Was giebt’s? Wer ist da?“ rief der Alte unwillig und hob die Laterne in die Höhe, daß ihr volles Licht auf Gestalt und Angesicht der Sprechenden fiel. Es war ein Mädchen in der gefälligen Bauerntracht der Gegend, schlank und geschmeidig wie eine junge Tanne, und wie der grüne Wipfel saß das damals noch allgemein getragene Miesbacher Hütchen keck und leicht auf dem nußbraunen, in reiche breite Zöpfe geschlungenen Haar. Unter der Krempe sah ein angenehmes wohlgeformtes Antlitz hervor, bräunlich von Farbe und doch von dem kräftigen Rosenanfluge jugendlicher Frische lieblich überhaucht. Um die feinen halb geöffneten Lippen, zwischen denen klare Zähne hervorblickten wie blankes Elfenbein, spielte anmuthige Schalkheit, aus den tiefblauen Augen drang ein heller Strahl gemüthvoller Güte und unbefleckter Reinheit.

„Stern-Sacra!“ sagte der Brunnhofer, betroffen von der Schönheit der unerwarteten Begegnung; dabei blieb er ein paar Secunden lang unbeweglich stehen, die Laterne hoch in der Hand, die Augen unverwandt auf das Mädchen gerichtet.

„Na, wie ist’s?“ rief sie lachend, und das Lachen machte das liebliche Gesicht nur noch gewinnender. „Will’st so steh’n bleiben bis morgen früh? Ich muß auf den Gangsteig hinaus, der um den Hof herum geht … Aus der Bahn, Brunnhofer, oder nieder’than!“

„Du kennst mich, Madel?“ fragte er, noch immer überrascht entgegen. „Wie denn das? Ich mein’, ich seh’ Dich zum ersten Mal!“

„O nein! Was wirst Du wissen!“ lachte sie. „Ich bin lang fort gewesen, bei einer meinigen Basen in Tirol, aber jetzt muß ich heim – die Mutter kann nimmer recht fort! Hast mich wohl oft g’seh’n in früheren Jahren, aber hast halt über mich ’nüber g’schaut!“

„Dasselb’ glaub’ ich kaum: ich hab’ sonst gar ein gutes Gemerk … Aber wo bist denn daheim?“

„Laß mich aus!“ rief das Mädchen und suchte neben dem Fragenden vorbei zu kommen. „Es wird schon völlig finster und ich hab’ noch einen weiten Weg über’n Waxenstein in den Gindler-Schlag …“

„Was? Du willst heut’ noch durch den Wald?“

„Durch den Wald oder in den Wald – was fragst?“

„Weil ich mein’ es ist schon spat – wie leicht könnt’ Dir was gescheh’n unterwegs, es giebt allerhand gar nichtsnutzige Leut’! Könntest ja auf dem Brunnhof übernachten! Oder wart’ wenigstens, ich geb’ Dir den Schafbuben mit … kehr’ ein bissel ein derweil! Rast’ Dich aus – Küchel giebt’s, frisch aus der Pfann’, für morgen, für die Sichelhenk’!“

„Na na,“ rief sie lachend, „mir geschieht nix – ich hab’ ein gutes Gewissen und verlass’ mich auf unsern Herrgott und auf ein paar Arm’, die niemals nit g’faulenzt haben … Und einkehren? Es ist wahr, wenn man so hinein schaut in’s Fletz, schaut’s recht heimlich aus … aber Du bist mir zu grantig, ich fürcht’ mich vor dem Abbrechen!“

„Narrische Dingin!“ sagte der Bauer. „Das war ja so bös nit gemeint! Aber wenn Du durchaus fort willst, so nimm ein paar Küchel mit – und ich will Dir leuchten, daß Du den Gangsteig nit verfehlst, wo’s neben dem Zaun hinuntergeht. Derweil’ kannst mir auch erzählen, wo Du daheim bist!“

„Ich dank’ schön für Alles,“ lachte sie und schritt voran, „ich muß fort – und das Andre, das erzähl’ ich Dir, wenn ich wieder vorbeikomme …“

„Also willst wieder kommen? Und willst dann einkehren und nit vorbeigeh’n?“

„Wohl – aber dann muß der Bauer unter der Thür steh’n und muß mich anlachen mit’m ganzen Gesicht und muß mich freundlich einkehren heißen!“

„Da soll’s nit fehlen!“ rief hastig der Alte, indem er, neben dem Mädchen fortschreitend, die Laterne wieder hoch hielt, als gelte es, den Weg zu beleuchten – im Grunde that er es nur, um ihr noch einmal in’s Gesicht zu sehen.

„So – da ist der Zaun und der Weg“ – sagte sie und blieb einen Augenblick an der Hecke steh’n. „Jetzt find’ ich schon weiter. Gute Nacht, Brunnhofer – lösch’ doch Deine Latern’ aus, Du verdirbst Dir ja die Augen …“

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_017.jpg&oldid=- (Version vom 26.2.2017)