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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

hab’s gesagt und es bleibt dabei, so gewiß als der Jägerkamp da drüben auf seinem Fleck stehen bleibt! Das ist das letzte Mittel – ein richtiges Weib muß Dich ziehen und ein’ richtigen Mann aus Dir machen … Brauchst nit viel zu reden,“ fuhr er, sich abwendend fort, als Sylvester etwas zu erwidern versuchte, „ich geb’ nichts auf’s Reden und werd’ ja seh’n, was Du thust! Darnach richt’ ich mich; folgst Du meinem Willen, so ist’s gut und recht … folgst Du nit, so kannst Du Deinen guten Freund mit seiner Glatzen und seinem Schmeerbauch bitten, daß er Dir einen neuen Landler aufspielt, wenn Du zum Brunnhof hinausmarschirst …“

Er ging eilig und verschwand im Hause.

„Hoho, alter Brummbär,“ rief der Musikant ihm nach, „das braucht’s nit, er hat schon an dem Tanz genug, den Du ihm aufgeigst! Das ist eine schöne Gaudi,“ fuhr er fort, als Sylvester noch immer schweigend und wie angewurzelt stand. „Und was er für ein Mundwerk hat, der Alte, ein Mühlgang ist ein Spaß dagegen! Was meinst’, Vestl, willst zum Kreuz und in’s Bett kriechen, wie er’s verlangt, oder geh’n wir noch hinüber in’s Dorf zum Wirth, da wird die Sichelhenk angetrunken, da könnten wir eins singen und aufspielen …“

„Ich hätt’ gute Lust dazu,“ sagte der Bursche unwillig, „was hab’ ich denn so Unrechtes gethan, daß er mir mit dem Fortjagen droht, wie einem Ehhalten, und mich ’runterputzt wie einen Schulbuben?“

Die Hauserin war dem Alten gefolgt; jetzt kam sie wieder, um zum Frieden zu reden und eine rasche That zu verhindern. „Nein, Vestl,“ sagte sie und suchte ihn an der Hand zum Hause zu ziehen, „das thust Du nit, wenn ich Dir gut zum Rath bin! Du mußt den Schwager nit völlig aus der Verfassung bringen … er ist so wild diesmal, wie ich ihn noch nie gesehen hab’, und es ist ihm völliger Ernst! … Schau,“ fuhr sie schmeichelnd fort, „Du weißt, daß ich’s immer gut g’meint hab’ mit Dir, ich rath’ Dir nichts Unrecht’s! Hast ja doch schon bald Deine Fünfundzwanzig auf dem Buckel, es wär’ ja doch nimmer zu früh, wenn Du einmal schön stät anfangen thätst, gescheidt zu werden! Und der Brunnhof, mein’ ich, wär’ doch auch kein Pfifferling, wegen dem könnt’ man schon ein Uebriges thun! Und dann erst die Hauptsach’! Du hätt’st wohl Ursach’, daß Du dem Vetter was zu Lieb’ thät’st … er hat Dir nur Lieb’s und Gut’s gethan und ist Dir Deiner Lebtag ein richtiger, rechtschaffener Vater gewesen …“

„Ich weiß’ ja, Bas,“ rief Sylvester, „und ich erkenn’s ja auch! Aber wenn ich ihm auch den Willen thun möcht’, es ist ja keine Möglichkeit! Wie soll ich zu Dreikönig Hochzeit machen … ich kenn’ ja kein einzig’s Madel! Ich hab’ mich um die Weiberleut’ niemals nit ’kümmert, als höchstens zum Tanz – mein Stutzen ist mein Auf und Nieder gewesen und mein einziger Schatz!“

„Das ist mein geringster Kummer!“ sagte die Frau eifrig. „Dafür laß nur mich sorgen! Ich will mich statt Deiner umschauen und Dir eine Bäurin aussuchen …“

„Halt!“ rief der Musikant dazwischen und blies auf seiner Clarinette einen Lauf herunter von der untersten Tiefe bis zum höchsten Pfiff. „Mir ist was eing’fallen! Mit dem Brunnhofer hab’ ich’s auszumachen, was geht ihn mein Schmeerbauch und meine Glatzen an? Und ich bin’s gewesen – ich hab’ Dich verführt in das Staudenhäusl hinein, ich bin eigentlich schuld an dem ganzen Malheur – also gehört’s mir zu, daß ich Dir wieder heraus helf’! Ich seh’s doch schon, daß Du an’s Nachgeben denkst – also mein Wort d’rauf, ich verschaff’ Dir eine Hochzeiterin!“

„Du?“ sagte die Hauserin achselzuckend. „Das wird die Rechte sein!“

„Und was für eine ist denn die Rechte?“ rief Muckl lachend. „Das weiß man doch niemals vorher, das kommt immer erst auf so ein halb’s Jahr nach der Hochzeit! Das ist accurat, wie ich’s einmal in dem Glückshafen geseh’n habe, auf der Dult drin’ in der Münchnerstadt! Da heißt’s voraus blechen, dann greift man blindlings in ein Sackel und zieht ein zusammengewickeltes Papierl heraus und wenn man’s aufmacht, dann sieht man erst, ob man seinen Treffer erwischt hat oder einen Hanswurstel! Dem Sylvester ist eine Jede gleich – aber das Umschau’n, das Aussuchen, das Fragen, das Gered’ und das Geplausch ist ihm zuwider – und dafür kann ich ihm helfen!“

„Aber wie denn? So red’!“ sagte Sylvester.

„Du weißt,“ fuhr Muckl mit wichtiger Miene fort, „morgen ist die Sichelhenk – da wird auch drüben in der Kirch’ das Erntefest gefeiert, da werden alle Früchten, die gewachsen sind, beim Hochamt geopfert und auf dem Altar aufgestellt – die zwölf schönsten und bravsten Dirndeln aus der Pfarr’, die kommen da als Prangerinnen und tragen die Garben und die Früchten … da gehst morgen hin und suchst Dir Eine davon aus!“

„Ah, das ist pfiffig!“ sagte die Hauserin spöttisch. „Da springt die Katz’ auf die alten Füß’ … da muß er sich ja doch Eine aussuchen!“

„O Sie Siebengescheidte!“ entgegnete Muckl. „Hätt’ Sie mich nur erst ausreden lassen! Freilich muß er sich Eine aussuchen, aber heut’ noch, jetzt gleich! Die Prangerinnen stellen sich links und rechts am Altare auf, die Ehrenführerin mit der Sichel und dem Aehrenbüschel in der Mitt’ – und der Vestl soll sagen: diejenige, die morgen auf dem und dem Platz steh’n wird, die wird Brunnhoferin!“

„Wär’ nit übel!“ eiferte die Frau, „das wär’ ja ein helllichter Frevel! Nein, Vestl, laß Dich auf so was nit ein!“

„Warum, Bas?“ fragte dieser rasch hinwider. „Der Vorschlag g’fallt mir gar nit schlecht! Wenn ich mich doch einmal zwingen lassen muß – wenn ich mein lustig’s ledig’s Leben aufgeben muß – warum soll ich’s nit auf eine Weis’ thun, die mir g’fällt?“

„Recht hast!“ rief der Musikant. „Und daß Du siehst, wie aufrichtig ich’s mit Dir mein’ – ich thu’ auch mit! Mein Häusel und mein Gütel ist zwar nur klein, aber es schreit schon lang’ nach ein Weib, wenn’s nit hinunter schwimmen soll … Es gilt, Vestl, wenn Du heirathest, thu’ ich’s auch; wenn Du Dir eine Prangerin nimmst, such ich mir auch Eine aus!“

„Es gilt!“ rief Vestl, die dargebotene Hand ergreifend. „Ich mach’s, wie Du sagst!“

„Also – wir versprechen einander, … die ein Jeder sich aussucht von den Prangerinnen, die wird geheirath’t …“

„Vom Fleck weg – und wir halten Wort! Ich nehm’ mir die Prangerin, die morgen in der Kirch’ die fünfte ist auf der Evangeli-Seiten …“

„Also die Zweite vom Altar weg?“

„Richtig – die wird Brunnhoferin!“

„Und ich …“ rief Muckel und schüttelte sich vor Lachen – „ich nehm’ mir die Ehrenführerin mit dem Aehrenbüschel und mit der Sichel … Juche! Das giebt eine Gaudi, wie noch keine dagewesen ist!“

Die Hauserin hatte verdutzt zugehört; sie begriff nicht, ob das Ernst sein sollte oder nur ein zu weit getriebener Scherz.

„Aber, Vestl … Bue …“ rief sie jetzt ängstlich, „ich bitt’ Dich um Gotteswillen – laß Dir doch so ’was nit einfallen! Das wär’ ja eine Sünd’! Das hieß ja, Spott treiben mit einer heiligen Sach’! Das könnt’ Dir kein’ Segen bringen und müßt’ Dich unglücklich machen für Deine ganze Lebszeit!“

„Der Vetter will’s ja so haben!“ entgegnete der Bursche trotzig. „Ich treib’ kein’ Spott mit einer heiligen Sach’ – der Vetter ist es, der mich zwingen will – über Hals und Kopf! heißt ja: die Heirathen werden im Himmel geschlossen – ich will einmal probiren, ob’s wahr ist! Gute Nacht, Muckel – studir’ einen neuen Landlerischen aus für die Hochzeit – morgen früh geht’s zu der Sichelhenk auf die Brautschau!“




2. Glimmende Kohlen.

Die lange Herbstnacht wollte noch nicht weichen, als es auf dem Brunnhofe schon wieder sich zu regen begann.

Die erbleichende Mondsichel hing noch wie ein weißes verflatterndes Wölkchen über den Bergen, die mit tiefem Veilchenblau übergossen sich klar und scharf von dem anglühenden goldrothen Himmelsgrunde abhoben. Im Thalgrunde, am See dahin und die Hänge hinan war es noch fast vollständig dunkel, der See selbst zwar unsichtbar, eine graue Nebelschicht lagerte über ihm, als hätten die Wasserweiblein in der Fluth und die Wichteln am Land zusammengeholfen, ihr Kleinod zu wahren und die Nacht über mit schützender Decke zu verhüllen. Auf den geschornen Grashängen schimmerte es leicht, denn es war starker Reif gefallen, und wer Tags zuvor die Kirschbäume an den Feldrainen genau betrachtet hatte, dem konnte es nicht entgehen, daß die Blätterkronen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_019.jpg&oldid=- (Version vom 26.2.2017)