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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

Nach diesen Vorbemerkungen begeben wir uns in den Apparatsaal der Centralstation, die eigentliche Werkstätte und zugleich den Sammelpunkt jener dienstbar gemachten ungeheuern Kraft, welche wir gemeinhin die elektrische oder galvanische nennen. Eine jede Station, größere oder kleinere, setzt sich zusammen aus 1) den Batterien, 2) den Schlüsseln, 3) dem Schreibeapparat, 4) den Hülfsapparaten. Letztere zerfallen in die sogenannten Relais, die Galvanoskope, die Blitzableiter und die Umschalter.

Wie schon angeführt, vereinigen sich in der Centralstation zu Berlin die Drähte von sechsundneunzig Leitungen für den internationalen Verkehr. Fünfzehn Drähte sind für den Transitverkehr von Osten und Westen bestimmt. Diesen Drähten entsprechend sind die Stationen eingerichtet, welche der unserem Artikel beigegebene Holzschnitt deutlich zeigt; jede einzelne Abtheilung bildet eine besondere Station mit dem dazu gehörigen Apparate. Rechts vom Eingange in den Stationssaal gewahrt der Beschauer einen großen, scheibenförmigen Apparat. Schrauben, Knöpfchen, Zahlen, Drähte, Zeiger und Metallstreifen bedecken

Der Apparatsaal in der Central-Telegraphenstation zu Berlin.

die Scheibe fast ganz und gar. Es ist der Blitzableiter zum Schutz der Apparate, dessen Einrichtung eine spätere Nummer der Gartenlaube ausführlicher beschreiben wird.

Von diesem Sicherheitsapparate wenden wir uns zu einem zweiten höchst sinnreich construirten Gegenstande, dem Umschalter. Auf einem kathederförmig erbauten, sauberen, aus Eichenholz gefertigten Pulte ruhen eine Anzahl horizontal gelegter Messingschienen auf einer Unterlage, welche sie vollständig isolirt, d. h. ihnen die Möglichkeit benimmt, den elektrischen Strom in die Erde oder auf andere Leiter als die bestimmten zu übertragen. Ueber diese horizontalen Schienen sind verticale gelegt und zwar so, daß keine derselben weder mit der neben ihr vertical, noch mit den unter ihr liegenden horizontalen Schienen in Berührung kommt. Zwischen allen diesen Metallstreifen ist Luft, welche nicht leitet.

Man denke sich also diese Schienen etwa wie ein Schachbret übereinander liegend, ohne daß sie sich berühren; an den Stellen, wo sich diese Streifen kreuzen, sind sie durchbohrt. Will man nun die Verbindung der freiliegenden Schienen herstellen, so bedient man sich hierzu eines Federbolzens aus Metall, der in eines der Löcher jener Schienen gesteckt wird, welche miteinander verbunden werden sollen. Die horizontalen Schienen sind mit den Apparaten des Stationssaales durch Drähte, die verticalen mit den Leitungsdrähten verbunden; wenn also durch den Metallbolzen die beiden Schienenlagen vereinigt werden, so ist es leicht begreiflich, daß dadurch der elektrische Strom, von den Leitungsdrähten in die Schienen gehend, auch den Metallbolzen durchläuft, von dort aus durch die verbundenen Streifen in die zu den Apparaten führenden Drähte läuft – daß also, wie der technische Ausdruck besagt, der Contact hergestellt ist. Der Zweck des „Umschaltens“ ist, die verschiedenen Leitungen unter sich sowohl, als auch mit den Verbindungen der Apparate beliebig verbinden zu können.

In den Umschalter der Central-Telegraphenstation münden nun wieder die Drähte aller sechsundneunzig Stationen. Wenn eine der Linien mit einer andern zu combiniren ist, wenn dieselbe etwa gar auf einen andern Apparat gebracht werden müßte, so könnte dies ohne den Umschalter nur durch Abnehmen und Wechseln der Drähte geschehen. Durch die angegebene Umstöpselung kann nun jede Depesche auf eine beliebige Leitung geführt werden, denn da alle Drähte durch den Umschalter gehen, braucht man nur durch den Metallpfropfen die beiden Schienenlagen mit einander zu verbinden, durch welche die Drähte aus der Leitung in den Apparat laufen, um dem Strome jede Richtung zu geben und dadurch die Depesche in die Station zu befördern. Geht die Depesche direct, so läuft sie durch den Umschalter in den Stationsapparat; soll sie aber etwa zur Controle oder behufs einer Abrechnung in Berlin erst gelesen werden, so wird die Umstöpselung bewirkt und der Strom aus dem Umschalter geleitet und hiernach auf den Stationsapparat zur Weiterbeförderung gebracht. Man hat auch Apparate in der Centralstation, welche, an den Schreibapparaten angebracht, diese Uebertragungen selbst ausführen und die man Translatoren oder Uebertrager nennt. Die Telegraphen-Centralstation hat übrigens noch verschiedene Arten von Umschaltern in Gebrauch. So z. B. einen, der dem elektrischen Strome in der Drahtleitung eine beliebige Richtung geben kann. Dieser Apparat wird Stromwender oder Gyrotrop genannt. Das Verfahren besteht in aller Kürze darin, daß die Leitung und der Erddraht in der Diagonale gegenüber angelegt werden und der Apparat, ein sogenanntes Relais, angesetzt wird. Mittels einer Vorrichtung, „Wippe“ genannt, welche hin- und herbewegt werden kann, und je nach dieser Bewegung ändert der elektrische Strom seine Richtung nach rechts oder links. Das von Wheatstone erfundene Relais findet sich in verschiedenster Gestaltung.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 60. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_060.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)