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Alfred Meißner.

des ersterwähnten Gedichtes, „An Alfred Meißner“, und da ich damals im Beginn meiner literarischen Laufbahn und Mitarbeiterin an Herloßsohn’s „Komet“ war, so sandte ich es an diesen. Von da hatte es den Dichter gefunden, dem es galt und von dem ich nichts wußte, als was aus seinen Gedichten zu ersehen war.

Alfred Meißner hatte damals in der That noch nichts als das in Leipzig erschienene Bändchen Gedichte veröffentlicht und sein Name ward damit zuerst genannt – vielleicht war mein Gedicht das erste Lorbeerblatt aus „Deutschland“ zu dem Kranze, der ihm später geworden. Er schrieb darüber an mich u. A. unterm 14. Septbr. 1845 aus St. Wolfgang in Oberösterreich:

„Es giebt wohl keine größere Genugthuung, als sich aus voller Seele verstanden zu wissen und über Fernen hinaus mitklingende Saiten und edle Herzen zu wecken und über Berge hinüber von Gleichgesinnten einen Händedruck zu erhalten, für etwas, das man mit seinem besten Herzblut geschrieben. Diese Freude ist mir durch Sie geworden. Ihr Gedicht hat einen Menschen erhoben, der in seiner Stellung von allen Bewegungen, denen er seiner innern Natur nach angehört, abgeschnitten, nur gar zu oft gänzlichem und schmerzlichstem Verzagen anheimfällt.“

Diese Stelle ist charakteristisch. Alfred Meißner, ein Deutsch-Böhme, mußte die Absperrung Oesterreichs von der reicheren Lebensströmung, die „draußen in Deutschland“ in Literatur und Politik sich kund zu geben begann, auf das Schmerzlichste empfinden und sich in der eigenen Heimath, der doch auch wieder sein Herz angehörte, wie ein Verbannter erscheinen.

Am 15. October 1822 zu Teplitz geboren, der einzige Sohn eines Arztes, welcher seit 1832 in Karlsbad lebte, war Alfred Meißner, der eine namentlich durch seine edle Mutter, eine Schottin, Karoline May von Invermay, geleitete sehr sorgfältige Erziehung erhalten hatte und sich selbst durch die eifrigste Leselust weiter bildete, nach dreijährigem Studium im Schlackenwerther Gymnasium in jenes der Altstadt in Prag übergegangen. Beim Uebertritt in die höheren Gymnasialclassen, die damals in Oesterreich „die philosophischen Jahrgänge“ hießen, erschloß sich für Meißner eine neue Welt. Er lebte hier im Verkehr mit den Böhmen Moritz Hartmann und L. Kompert, den Ungarn Fr. Szarvady und Max Schlesinger u. A. Gewillt in die Fußstapfen seines Vaters zu treten, hatte er sich 1840 als Hörer der Medicin immatriculiren lassen, aber Geschichte, Politik, Staatswissenschaften und Poesie fesselten ihn mehr, als sein „Brodstudium“, obwohl Chemie und Physiologie ihm viel Anziehendes boten, wie denn auch seine Schriften, sogar seine Gedichte dies Studium durchblicken lassen.

1845 erschien jenes erwähnte Bändchen Gedichte in Leipzig und machte Aufsehen in den verschiedensten Kreisen. In Prag brachte es ihn unter polizeiliche Aufsicht. In Deutschland begrüßte man diese Liederstimme aus Oesterreich theils mit Verwunderung, theils mit Anerkennung, und Viele wußten nicht recht, zu welcher Partei der Dichter zu zählen sei. Die Liberalen trauten einer Freiheitsbegeisterung nicht, die, statt der gewohnten Phrasen, Wärme der Empfindung zeigte, und die Socialisten oder Communisten,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 69. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_069.jpg&oldid=- (Version vom 28.2.2017)