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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

sich unaussprechlich glücklich. Umsonst verfolgte der Vater ihre Spur; um sie seinen Nachforschungen zu entziehen, wurde sie von einem Schwesterkloster in das andere gebracht. Endlich wurde ihr Aufenthalt ermittelt und die Bestürmungen erneuerten sich, da sie wirklich kindlich an dem Vater hing. Um zu sehen, worauf es abgesehen sei, erklärte er zuletzt der Oberin: er wolle einwilligen, wenn auf alles Vermögen der Tochter verzichtet werde. Da hieß es aber: von Vermögen sei ja keine Rede, das wolle man Gott und der Zukunft überlassen. Hinterher fand sich versteckt in dem Zimmer des Mädchens eine Correspondenz mit einem Ordensgeistlichen, welche ihr immer heimlich durch dritte Hand zugesteckt war und worin er ihr wiederholt sagte: sie möge ihren Vater um die Einwilligung bitten, wenn er aber durchaus nicht wolle, so möge sie warten, bis sie mit einundzwanzig Jahren ihre eigene Herrin würde. – Durch ihn und seine Helfershelfer war sie aus dem väterlichen Hause in’s Kloster befördert worden.

Der wohlfeile Preis dieser Pensionate ist eine Lockspeise für die Eltern. Das benachbarte Belgien hat eine Menge Kloster-Pensionate für Jünglinge und Jungfrauen, wo Kost und Unterricht nur 300 Francs = 80 Thlr. kosten. Es wäre nicht möglich beides davon zu bestreiten, wenn es nicht andere Hülfsmittel gäbe. Freilich wird da nicht viel gelernt, aber die jungen Herzen werden für die Kirche bearbeitet und die Goldfische bleiben im Netze. –

Alle diese Orden arbeiten den Männer-Orden, insbesondere den Dominicanern, Redemptoristen und Jesuiten, worunter sie ihre Beichtväter haben und unter deren Leitung sie ihre geistlichen Exercitien machen, in die Hand. – Dazu wirken auch die zahlreichen kirchlichen Brüderschaften, Sodalitäten und Congregationen, die sich tief in das Volk, in die geistlichen und Lehrer-Seminare und in die Schulen erstrecken, wo, wie wir es an verschiedenen Orten erlebt haben, Denunciationssysteme gegen Lehrer und Schüler organisirt werden. Dazu wirken ferner die zahlreichen katholischen Gesellen-Vereine, die zwar das Gute haben, daß ihre Mitglieder durch Zusammenkünfte und Lustfahrten mit Gesang, Declamation und dramatischen Aufführungen von manchem Schlimmeren abgehalten werden, deren hierarchische Gliederung in der Leitung und Oberleitung durch Geistliche bis zum Erzbischofe hinauf aber andeutet, daß ihr Hauptzweck auf die Kirche berechnet ist, in deren Dienste sie denn auch zu Demonstrationen, Aufzügen, Processionen und bei politischen Wahlen verwendet werden. –

Ebenso wird die confessionelle Trennung in das gesellige Leben der mittleren und höheren Stände hinein getragen. Da giebt es in größeren Städten, beispielsweise in Aachen und Köln, geschlossene katholische Clubs, worin nur Katholiken aufgenommen werden. Wenn auch darin nicht katholisch Billard gespielt und katholischer Wein getrunken wird, so werden doch die Besucher dieser Clubs vor dem Gifte unrömischer Bücher und Journale bewahrt und ihnen nur gut katholische Zeitschriften, wie das Mainzer Journal, welches sich zur Devise das Calumniare audacter (nur keck verleumdet) genommen zu haben scheint, in die Hände gegeben, dieselben vor dem Umgange mit Protestanten behütet und bei städtischen und politischen Wahlen auf die compacte Masse der Mitglieder gewirkt.

In gleicher Weise wirken die durch ganz Deutschland verbreiteten katholischen Vereine. Diese hielten im September 1865 ihre General-Versammlung in Trier, die stärkste bisherige kirchliche Wander-Versammlung. Sie zählte 1364 Mitglieder, einschließlich 240 aus Trier selbst. Es wurde der heilige Rock zu Trier als das Symbol der katholischen Einheit dargestellt, gegen die schlechte Presse geeifert und die Einsetzung eines Preß-Bureau in Antrag gestellt, die Encyclica als eine große That des Papstes Pius des Neunten, besonders den gottlosen modernen Wissenschaften gegenüber, gepriesen. Der Pater Theodosius wurde als ausgezeichneter katholischer Volkswirth gerühmt und Görres als der größte Deutsche gefeiert, dem man in Coblenz ein Denkmal errichten müsse. Auch gegen die unmittelbaren Sphären des Staates wurde zu Felde gezogen. Für die Gefangenenhäuser wollte man geistliche Ordensbrüder als Gefängnißwärter. Namentlich galt der Angriff den staatlichen Schulen, bei denen doch die confessionellen Verhältnisse durch confessionelle Seminaristen, Lehrer und Schulpfleger so viel als möglich berücksichtigt werden. Das Unterrichts-Monopol des Staats, heißt es, sei ein Product des absolutistischen Polizeistaats und unverträglich mit den Rechten und der Selbständigkeit der Kirche. Man raube durch den Schulzwang die Kinder ihren Eltern, um sie dem Glauben zu entfremden. Der Schulzwang führe zur Afterweisheit und befördere den Zwiespalt zwischen Gebildeten und Ungebildeten! Der Staat handle wie Pilatus, indem er sich zur religiösen Wahrheit in der Schule gleichgültig stelle, und die Eltern, welche ihre Kinder in unchristliche Schulen schickten, wie der umgekehrte Mortara, welcher sein Kind, das er in den besten Händen wußte, zurück haben wollte, während sie ihre Kinder theilnahmlos dem Moloch hingäben. Die Eltern sollten daher ihre Kinder nicht mehr in die Schule schicken, sondern sich ruhig (von den Gerichten) wegen Schulversäumniß strafen lassen. Beharrten sie dabei, so würde das Strafen bald aufhören. Schließlich wurde gegen den Schulzwang feierlichst Protest erhoben und die Verwendung der katholischen Fonds und der Steuern der Katholiken zur Bezahlung nichtkatholischer Lehrer und Professoren und zur Verbreitung nichtkatholischer Lehren für eine schwere Rechtsverletzung erklärt, gegen welche und gegen den Staatsschulzwang man die Hülfe der Gerichte in Anspruch zu nehmen habe.

Daß eine solche directe Aufforderung zum Ungehorsam und zum Widerstande gegen die staatlichen Gesetze, wobei man einerseits den Gerichten trotzen, andererseits ihre Hülfe in Anspruch

Die Glanquelle am Untersberg.
Nach der Natur aufgenommen von R. Püttner.
(S. S. 79.)

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_073.jpg&oldid=- (Version vom 28.2.2017)