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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

„Es ist keine Lüge, Alma! Alfred hat mir geschworen, daß Alles, was er mir von Feldern gesagt hat, Wahrheit ist.“

„Also von ihm kommt das Gift?“ murmelte Alma, während in ihre bisher bleichen Wangen die Röthe des Zornes stieg. „Was sagte Dir denn Alfred?“ fragte sie bebend.

„Er erzählte mir von dem Aufsehen, welches es in … mache, daß Feldern in intimen Beziehungen zu einer Schauspielerin stehe, die er häufig mit seinen Besuchen beehre, während er sich sonst fern von dem weiblichen Theil der Badegesellschaft halte. Man nehme allgemein an, daß die Person – es ist eine gewisse Melanie Wolde – ihn gänzlich in ihren Netzen habe. Er fügte hinzu, daß er selbst sich empört fühle über Feldern, den er immerhin als seinen Verwandten ansehen müsse, namentlich seit den Erkundigungen, die er in der Hoffnung, ihn rechtfertigen zu können, nach seinem früheren Leben eingezogen habe. Er hat daraus leider die Beweise sammeln müssen, daß das Verhältniß bereits ein altes ist, daß es schon vor Eurer Verlobung bestanden hat und damals nur auf eine Weile unterbrochen worden ist.“

„Und das wagte er Dir zu sagen, Mama, und erlebte nicht, daß Du ihm die Thür wiesest für seine schändliche Verleumdung?“ rief Alma, außer sich vor Entrüstung.

Die Mutter fühlte sich bei der Erinnerung verwirrt, daß sie nur zu gern diesen Enthüllungen gelauscht, nur zu bereitwillig auf Alfred’s hingeworfenes Wort, daß die Thatsachen mehr als genügend sein würden, um eine Trennung von „dem Menschen“ herbeizuführen, eingegangen war und daran schon eine Hoffnung auf eine spätere Möglichkeit in Betreff Alfred’s selbst geknüpft hatte. „Aber, Alma, ich begreife Dich nicht,“ stotterte sie verlegen.

„Ich aber begreife,“ unterbrach die Tochter sie stolz, „daß es an mir ist, die Ehre und die Rechte meines Gatten zu wahren, und Niemand soll sie antasten, so lange sein Weib neben ihm steht, denn so gewiß ich an meinen Gott glaube, so gewiß, Mama, glaube ich an die Reinheit meines Gatten!“

Es mischte sich eine Innigkeit in ihren Ton, wie sie lange nicht mehr mit dem Gedanken an Feldern verbunden gewesen war, und diese ließ sie jetzt auch weicher gegen die Mutter sprechen, die bereute, daß sie zu weit gegangen war, und seufzend erkannte, daß das Herz der Tochter fester an dem Gatten hing, als sie für möglich gehalten hatte.

Alfred hatte sich einer starken Uebertreibung schuldig gemacht, wenn er das Aufsehen, welches der Verkehr Feldern’s mit der Schauspielerin mache, ein scandalöses genannt hatte. Allerdings hatte es einiges Befremden erregt, daß der ernste Professor, der sich so zurückgezogen hielt, dem jungen Mädchen gewisse Aufmerksamkeiten bewies, aber man fand doch bald die in ruhigem Ton abgegebene Erklärung, daß er sie bereits als angehende Künstlerin gekannt und bisweilen mit seinem kritischen Rath unterstützt habe, genügend, um sein Interesse zu begreifen. In der Meinung der älteren Herren stand sein Charakter überdies zu hoch, als daß ihm von dieser Seite unlautere Motive untergelegt worden wären, und die jüngere Herrenwelt, die sich für die piquante junge Schauspielerin enthusiasmirte, sah in ihm keinen Gegenstand ihrer Eifersucht, denn er mischte sich nie in den Kreis, der sich bei ihrem Erscheinen auf der Promenade oder in öffentlichen Localen um sie sammelte. Ebenso wenig fiel es ihm ein, sich den Cavalcaden anzuschließen, die häufig Ausflüge nach näheren oder entfernteren Punkten der Umgegend machten und an deren Spitze Melanie – in der Regel die einzige Dame dieser Gesellschaft – als gewandte und kühne Reiterin der Schaar der Herren voranflog. Ihre Laune, ihr Witz waren bei allen solchen Gelegenheiten unerschöpflich und es schien, als ob sie von allen Wesen unter der Sonne das fröhlichste sei, ohne daß man ihr indessen irgend eine Unziemlichkeit des Benehmens hätte vorwerfen können, wenn sie schon von der Frauenwelt ziemlich gehaßt war.

(Fortsetzung folgt.)




Das Tusculum eines amerikanischen Dichters.


Unter der großen Zahl fremder Schriftsteller unserer Zeit sind wenige in Deutschland besser bekannt und höher geschätzt, wie der Amerikaner Washington Irving, und er ist in der That der Anerkennung würdig, die ihm dort gezollt wird. Eine leichte,

Sunnyside, Washington Irving’s Landsitz.

gefällige und doch abgerundete Schreibart, reges Phantasiespiel, ausgezeichnete Gabe der Darstellung und ein Humor, der lebhaft an Walter Scott erinnert, sind die Vorzüge, welche Irving den Beifall aller gebildeten Völker erworben haben; den deutschen Leser aber zieht besonders die Gemüthlichkeit an, die sich in seinen Schriften, namentlich denen leichteren Inhalts, ausspricht. Man kann Irving’s Werke nicht lesen, ohne seine Persönlichkeit lieb zu gewinnen und sich zu ihm hingezogen zu fühlen, wie zu einem Freunde; und wie er sich dem Leser in seinen Schriften darstellt, so war er auch wirklich im Leben: einfach, wahr, bescheiden, wohlwollend, milde in der Beurtheilung Anderer und voll hohen Sinnes für das Recht. Nicht der leiseste Makel haftet an seinem Namen. Sein vor einigen Jahren erfolgter Tod erregte überall in den Vereinigten Staaten das größte Bedauern, und hier in New-York, seiner Geburtsstadt, fanden öffentliche Demonstrationen statt, um sein Andenken zu ehren. Es ist nicht meine Absicht, in diesem Aufsatze auf Irving’s literarisches Wirken im Einzelnen einzugehen; seine anmuthigen kürzeren Schilderungen sowohl, wie seine wichtigeren Werke geschichtlichen Inhalts werden ja im Originale oder in der Uebersetzung von allen Gebildeten in Deutschland gelesen, und das „Skizzenbuch“, die „Erzählungen eines Reisenden“, „Bracebridge-Hall“, die „Alhambra“, das „Leben des Columbus“ etc. sind dort kaum minder einheimisch, wie hier in seinem Geburtslande.

Irving hat fast den dritten Theil seines langen, thätigen Lebens in Europa zugebracht. Meistens in England verweilend, machte er von dort aus Reisen nach den Niederlanden, Deutschland, Italien, Frankreich und Spanien, und in letzterem Lande sammelte er den Stoff für seinen „Columbus“ und andere auf Spanien bezügliche Schriften. Als er nach seinem zweiten siebenzehnjährigen Aufenthalte in Europa in gereiftem Alter in sein Vaterland zurückgekehrt war, erwarb er sich an den Ufern des Hudson, jenes Stromes, den er so trefflich beschrieben und mit dem Zauber der Romantik umkleidet hat, einen Landsitz, wo er, fern vom Getümmel der großen Metropole, in ländlicher Zurückgezogenheit

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 116. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_116.jpg&oldid=- (Version vom 3.3.2017)