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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

wie die bis dahin heftig von ihnen angefeindete Fortschrittspartei, und suchten sich dieser anzuschließen. Wenn diese auf ihre Fahnen schrieb: Keinen Pfennig dieser Regierung oder diesem Systeme! – so lautete die Inschrift Jener: Keinen Pfennig zu diesem Bruderkriege! Offenbar hatte die Bruderliebe daran den geringsten Theil.

Während in Wien der Jesuitenpater Klinkowström von den Kanzeln gegen die „preußischen Teufel“ donnerte, ergriff auch am Rhein fast die ganze katholische Geistlichkeit heftig Partei gegen Preußen und wirkte in diesem Sinne. So beispielsweise ein sonst milder Pfarrer in einer kleinen Stadt am Rhein, welcher, als er um eine Gabe für die Verwundeten angesprochen wurde, erklärte: er gebe nichts für die Preußen. Ueberall hörte man, daß die Geistlichen die zum Heere Berufenen ermahnten, nicht auf die Oesterreicher zu schießen, sondern die Gewehre hoch zu halten oder wegzuwerfen, wenn sie diesen gegenüberständen; und ein Geistlicher, welchem genossener Wein das Herz und den Mund zu sehr geöffnet hatte, entging, nachdem er Aehnliches öffentlich zu mehreren Einberufenen gesagt, mit genauer Noth dem Strafgesetze. Ein Landwehr-Unterofficier erzählte, daß sein Seelsorger ihn in der Beichte, die er vor dem Ausmarsch abgelegt, gefragt habe: was er thun würde, wenn er den Oesterreichern gegenüberstände? und als er darauf erwidert: er werde, getreu seinem Eide, als Soldat seine Schuldigkeit thun, da habe ihn Jener belehrt, das sei ein erzwungener Eid, den er nicht halten dürfe. Ein Anderer erklärte: sein Beichtvater habe ihm die Absolution verweigert, wenn er sich nicht verpflichte, nicht auf die Oesterreicher zu schießen. So versuchte man überall die Treue zu lösen und die Interessen des Staates unter die Tendenzen der römischen Kirche zu knebeln. Ein königlicher Landrath, welcher einer der ersten sogenannten autonomischen Familien des katholischen rheinischen Adels angehört, sagte laut in einer Gesellschaft: er freue sich, nach so vielen traurigen Nachrichten einmal wieder eine freudige bringen zu können – und da brachte er die von der Schlacht bei Custozza!

Solche Züge, die nicht böswillig erfunden, sondern wahrheitsgemäß vorgetragen sind, beweisen, was Preußen von dieser Seite zu erwarten hat; und mit vollem Herzen stimmen wir in die von Heinrich v. Treitschke gehegten Hoffnungen ein. Glaubensfreiheit, aber nicht, wie bisher, Begünstigung einer Partei, deren Parole die Verneinung Preußens ist!




Wir glauben in Vorstehendem unsere Aufgabe: die ultramontanen Strömungen und ihre Gefahr für den Preußischen Staat nachzuweisen, soviel als möglich thatsächlich gelöst zu haben und kommen nun noch zu einigen Schlußbetrachtungen.

Geistliche und weltliche Knechtschaft gehen gewöhnlich Hand in Hand, und darum scheint es erklärlich, wenn der Rundschauer der Kreuzzeitung gesagt haben soll: „Den Liberalen gegenüber sind die Jesuiten unsere Freunde und Brüder.“ – Aber ein gefährliches Experiment ist für einen Staat mit einer überwiegend protestantischen Bevölkerung, mit einem protestantischen Könige an der Spitze, ein Pact mit einer Partei, deren Grundprincip die Negation dieses Staates ist und die fortwährend nicht nach Berlin, sondern über Wien nach Rom blickt. Kurzsichtig müßten wir es daher nennen, wenn es wahr wäre, daß ein hoher Staatsmann geäußert haben solle: „Wir kennen diese – aber wir brauchen sie.“

Wir haben es gesehen, wie die katholische Fraction des Abgeordnetenhauses blos ihren principiellen Vortheil sucht und nur, wo dieser nicht in’s Spiel kommt, zur Regierung hält, wo er aber auch nur entfernt gefährdet werden könnte, ihr gegenübertritt. Wir halten die Bildung dieser Fraction für ein Unglück, weil ihr Princip auf einer ungehörigen Vermischung heterogener Dinge, Politik und Kirche, beruht. Wo die Religionsfreiheit, die Freiheit der katholischen Kirche wirklich bedroht ist – und dazu hat diese bei der Tendenz und den Handlungen der gegenwärtigen Regierung wenig Gefahr – da werden die Verfassungstreuen aller Confessionen entgegentreten. In politischen Fragen aber gehen die Mitglieder der katholischen Fraction von der Rechten zur Linken weit auseinander und vergebens haben sich einige ihrer Führer, im Widerspruch mit ihren früher geäußerten freisinnigen Ansichten, bemüht, sie zusammen zu halten, um sich in rein politischen Fragen der Regierung gefällig zu erweisen und politische und selbst commercielle Bündnisse mit katholischen Staaten zu erzielen. – Wer dem Absolutismus Concessionen macht, um seinerseits größere factische Concessionen für seine Kirche zu erlangen, der taugt nicht zum deutschen, nicht zum preußischen Abgeordneten, der ist ein unzuverlässiger, selbstsüchtiger Freund der jeweiligen Regierung und wird bei sich ergebender Gelegenheit bald von ihr abfallen. Gerechtigkeit gegen Alle, wahres und treues Festhalten an Gesetz und Verfassung, starke Zurückweisung aller darüber hinausgehenden Ansprüche, welche nur dem Einen zu Gute kommen, den Andern aber schädigen, das ist die alleinige dauerhafte Grundlage aller staatlichen Ordnung.

Schwache Nachgiebigkeit aber gegen eine Partei, welche die Kirche über den Staat, den Papst über den König setzt, wie wir sie oben an mehreren Beispielen nachgewiesen haben, kann nur zu immer weiter gehenden ungerechtfertigten Prätensionen und endlich zur Unterordnung des Staates unter die Kirche und im Augenblicke der Gefahr zum Sturze des Staates führen. Es liegt uns ein Hirtenbrief des Erzbischofs von Köln, Johannes von Geissel, welcher dem Könige die Berufung auf den erzbischöflichen Stuhl verdankte, vom 22. März 1848 vor, worin derselbe, damals als Thron und Staat wankten, ungleich seinem Standesgenossen, dem edlen Fürstbischof von Breslau, Melchior von Diepenbrock – kein Wort für den preußischen Staat und seinen König hat, – ein Hirtenbrief, welcher nur die Kirche im Auge hat und übrigens für jede Staatsform, für die Republik wie für die Monarchie paßt.

Der preußische Staat sei also auf seiner Hut, er halte sich fern von dem Liebäugeln mit jener Partei wie von Vertrauensseligkeit gegen sie, er halte sich stark im Rechte und sorge, daß seine Interessen der katholischen Kirche gegenüber mit Treue und Umsicht vertreten werden.

Wir aber wollen, so viel an uns ist, der ultramontanen Strömung widerstreben, und rufen uns die Ultramontanen zu: Hie Rom! so antworten wir ihnen mit dem Rufe: Hie Vaterland!




Ein treuer Führer.
Reiseerinnerung aus den Hochalpen.


In der Frühe eines Julimorgens, so frisch und klar, wie er nur über dem Hochgebirge aufgehen kann, wanderte ich mit einem Freunde, der sich die Aufgabe gestellt hatte, in den höchsten Gebirgsregionen photographische Aufnahmen für wissenschaftliche Zwecke zu veranstalten, durch das Chamounixthal. Es war an jenem Tage ein ländliches Fest, und die in ihre bekannte nette und einfache Tracht gekleideten Savoyarden, welche unter heitern Gesprächen von der Frühmesse aus Prieuré kamen und grüßend an uns vorübergingen, blieben am blumigen Bett der Arve bei einem Alpenführer stehen und blickten mit größter Aufmerksamkeit durch ein altes, vielgebrauchtes Fernrohr, das Letzterer mit sich führte, die weiße Bergwand des Montblanc hinan. Sie mußten dort irgend etwas Ungewöhnliches beobachten, denn mehrmals hörte ich sie rufen: „Voilà les touristes – à présent ils avancent – ils montent!“ Auf nähere Erkundigung zeigte uns der Führer, der sich Fréderic Dairraz aus Chamounix nannte, eine kleine Anzahl langsam sich fortbewegender schwarzer Punkte, die wir mit bloßen Augen auf der weiten glitzernden Schneewüste natürlich gar nicht bemerken konnten. Zwei Engländer waren es mit vielen Führern und Lastträgern, die unter der Oberleitung des alten, bewährten Michel Croz aus Chamounix bereits in der Frühe des vorigen Tages aufgebrochen waren, um einen neuen Weg zur Krone des europäischen Bergkönigs zu finden.

Wir ließen die Kletterer Altenglands da droben ihren trügerischen Weg weiterziehen über die zerprasselnde Schnee- und Eiskruste und unterhandelten mit dem Führer wegen einer Besteigung

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 137. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_137.jpg&oldid=- (Version vom 8.3.2017)