Seite:Die Gartenlaube (1867) 281.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

dieser Unterrichtszweig betrieben wird, einen Schatz daran haben werden, der die darauf verwendete Ausgabe reichlich verzinst. Welche Freude schon für das Auge, wenn es die schönen Früchte in ihrer naturgemäßen Zeitigung, in ihrer vollkommensten Entwickelung sieht! und welch’ eigenthümliches Interesse, wenn man die künstliche Nachahmung mit dem natürlichen Original vergleicht! Aber auch welcher Gewinn, wenn durch solche vergleichende Anschauungen mancher Zweifel gelöst, mancher Name berichtigt, manche Frucht nach ihrem Werthe bestimmt wird! – Darum sollte diese perennirende Obstsammlung, wenn auch nur in einzelnen Lieferungen, die zweckmäßigste Prämie sein, welche die landwirthschaftlichen und Gartenbauvereine, sowie auch die nach dieser Richtung hin arbeitenden Lehranstalten für die hervorragenden Leistungen verabreichen könnten.

Der Abend dämmerte, als wir noch darüber sprachen. Die besorgte Hausfrau rieth, das schützende Zimmer aufzusuchen und nun erst die ganze Sammlung, welche dort in zierlichen Glaskästen aufgestellt war, zu beaugenscheinigen. Vor diesen Kästen hätte ich stundenlang sitzen und Sorte um Sorte mustern mögen! Hier sah ich eine längst bekannte Frucht, die ich in meinem eigenen Garten zog, aber bisher unter einem Provincialnamen cultivirt hatte, den ich vergebens in den pomologischen Lehrbüchern suchte; da war es eine neue Obstsorte, die ich entweder noch gar nicht gekannt, oder doch, wenn ich auch darüber gelesen, noch nicht gesehen hatte; dort bewunderte ich die Vollkommenheit einzelner Exemplare, wie sie mir in dieser gleichsam idealen Schönheit noch nicht vorgekommen. Alle Früchte aber – sechsundachtzig Aepfel, einundsechszig Birnen, zwanzig Pflaumen, eine Pfirsich – waren von einer so scheinbaren Frische und von einer so vollendeten Naturtreue in Gestalt und Farbe, in Krone und Stiel, daß es dem Auge kaum möglich sein dürfte, die Copien von den Originalen zu unterscheiden.

„Daß es keine leichte Aufgabe ist,“ – bestätigte mein Freund, als ich der Anerkennung und des Lobes kein Ende fand – „diese technische Vollendung zu erreichen und daß die scheinbar hohen Preise im Vergleich mit solchen Leistungen immer noch sehr bescheiden sind, werden Sie zugestehen. Da ich mich für das wahrhaft künstlerische Unternehmen lebhaft interessire, so habe ich nähere Erkundigungen darüber eingezogen und kann Ihnen über die Anfertigung dieser Früchte, welche keineswegs als ein Geheimniß behandelt wird, einige Auskunft ertheilen. – Die vorzügliche Obsternte des Jahres 1855 und das rege Interesse, das sich um jene Zeit der Obstkunde und der Obstbaumzucht zuwendete, brachte den Kaufmann H. Arnoldi in Gotha, ein eifriges Mitglied des dasigen Gartenbauvereins, auf den Gedanken, ein neues plastisches Obstcabinet in’s Leben zu rufen, welches jenem so erfreulich erwachten Interesse in die Hände arbeiten und des Dittrich’sche Obstcabinet, das ohnehin nur bescheidenen Ansprüchen genügte, in einer vollkommeneren Weise ersetzen sollte. Dazu wählte er eine leicht gebrannte Porcellanmasse,[WS 1] die in der Arnoldischen Porcellanfabrik zu Elgersburg im Thüringerwalde hergestellt und nach den vorliegenden Originalfrüchten sorgfältigst geformt wurde. Schwieriger war die naturgetreue Färbung, wozu ein geschickter Künstler aus Harburg beigezogen wurde.

Mit Hülfe des als Naturforscher bekannten Professors Hassenstein in Gotha gelang es nach vielfachen Versuchen, die Auftragung der Farben und den Wachsüberzug, der ihnen erst das natürliche Gepräge giebt, so vortrefflich herzustellen, daß auch das Colorit nichts mehr zu wünschen übrig ließ. So erschien die erste Lieferung des Unternehmens, und zwar im Wege der Subscription, die jedoch anfangs so spärlich einging, daß ein minder eifriger Fabrikant den Muth verloren haben würde. Arnoldi dagegen schritt auf dem betretenen Wege rüstig fort. Um aber auch der wissenschaftlichen Bedeutung seines. Werkes eine Vertrauen erweckende Fürsprache und einen gediegenen Halt zu sichern, gewann er die Herausgeber des ‚Illustrirten Handbuches über Pomologie‘ Superintendenten Oberdieck in Jeinsen, Director Lucas in Reutlingen und Medicinalassessor Jahn in Meiningen, ihm mit Rath und That an die Hand zu gehen. Diese unterstützten ihn mit zuverlässig benannten Naturfrüchten, prüften die nachgebildeten Exemplare und redigirten die vom Pfarrer Koch in Nottleben bei Gotha bearbeiteten Beschreibungen. So brach sich das Unternehmen allmählich Bahn und fand namentlich in Oesterreich erfreulichen Absatz.

Indessen hatte sich die Haltbarkeit der Früchte bei überseeischen Sendungen nicht durchweg bewährt, so daß Arnoldi seit 1860 statt des Porcellans eine feine ‚Papiermachémasse‘ dazu verwendete, die er unter dem Namen ‚Compositionsmasse‘ anfertigen ließ. Die Früchte haben dadurch an ihrer Schönheit und an ihrer Naturtreue durchaus nichts verloren, sind aber haltbarer geworden und bewähren fort und fort ihre naturgemäße Frische. Wenn man sie auch nicht unter Glas und Rahmen schützt, sie bleiben immer dieselben. Sind sie bestäubt, so werden sie mit einem zarten Tuche leicht gesäubert und prangen dann wieder in ihrem ursprünglichen Glanze.

Warum aber das Unternehmen nicht rascher vorschreitet, erklärt sich aus der Schwierigkeit der dabei in Anwendung kommenden Technik. Wer sollte es glauben, daß die Herstellung jeder einzelnen Fruchtsorte mindestens zwei Jahre erfordert? Und doch ist es so. Im ersten Jahre wird die Normalfrucht ausgesucht und die Compositionsmasse darnach ab- und ausgeformt; im zweiten muß man abermals eine solche Normalfrucht beschaffen, um nach dieser Mustervorlage die Decoration des Modells auszuführen. Dies decorirte Modell aber wird, bevor es zur Vervielfältigung gelangt, vom Superintendenten Oberdieck in Jeinsen bei Hannover sowie vom Dr. Ed. Lucas in Reutlingen, als den bewährtesten Obstkennern unserer Zeit, sorgfältig geprüft. Machen diese irgend eine Ausstellung, so müssen andere, nöthigenfalls wiederholte, Probefrüchte angefertigt werden, bis ein in jeder Hinsicht tadelloses Muster vorliegt, nach welchem die eigentliche Fabrikation zur Ausführung kommt, und nur diejenigen Früchte werden in das Cabinet aufgenommen, die mit dem anerkannten Modell vollkommen übereinstimmen, so daß über die Identität der Frucht und über deren künstlerische Vollendung nicht der geringste Zweifel obwalten kann. Fallen ungünstige Obstjahre dazwischen, in welchen tadellose Normalvorlagen nicht zu beschaffen sind, so würde nicht selten zur Herstellung einer bestimmten Obstsorte ein noch längerer Zeitraum erforderlich sein, wenn nicht jede gute Obsternte benutzt würde, um genügende Modelle zu gewinnen, nach denen ungestört fortgearbeitet werden kann.

Aus dieser Manipulation erklärt es sich, warum bis jetzt die Kirschen im Arnoldi’schen Obstcabinet nicht vertreten sind. Die rasche Reife dieser Fruchtgattung gestattet kaum hinreichende Zeit, die Vorarbeiten zu erledigen, die zur Fabrikation erforderlich sind. Indessen sind Vorkehrungen getroffen, auch diesem Mangel abzuhelfen, wenn schon zur Herstellung einzelner Kirschsorten länger als zwei Jahre gebraucht werden sollten, damit man immer neue Früchte als Vorlagen benutzen kann.“

Alle diese Mittheilungen hatten mich für das Arnoldi’sche Obstcabinet dermaßen enthusiasmirt, daß ich meinem Freunde gern das Versprechen gab, die Verbreitung desselben auf alle Weise förderlich zu sein. Wie aber mag dies erfolgreicher geschehen, als dadurch, daß ich – nicht etwa in die Lärmtrompete stoße, sondern einfach erzähle, was in jener Gartenlaube zwischen mir und meinem Freunde erlebt und verhandelt worden?

Dies geschieht hiermit in der großen „Gartenlaube“, in welcher schon so manches industrielle Unternehmen einen Ehrenplatz und so manches verdienstvolle Streben eine energische Fürsprache gefunden.

Sch–dt.




Nur sieben Tage.[1]


Adeline von R. war rechtskräftig zu sieben Tagen Gefängnißstrafe verurtheilt. Ich erhielt die Anweisung, die Verurtheilte zur Strafvollstreckung in das Gefängniß aufzunehmen. Die Dame war mir persönlich nicht bekannt, und ebenso wenig hatte ich über die Strafthat Mittheilung gemacht erhalten; es lag also kein Umstand vor, der mein Interesse hätte besonders rege


  1. Der oben erzählte Fall hat vor einigen Jahren vielfaches Aufsehen erregt und ist neuerdings durch den erfolgten Tod des armen Mädchens wieder in die Erinnerung gerufen worden.
    D. Red.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Porlellanmasse
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 281. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_281.jpg&oldid=- (Version vom 13.3.2017)