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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

Praktische Verwendung der Elektricität. Die neuerdings entdeckte und mehrfach angewandte Uebersetzbarkeit mechanischer Kraft in Wärme, Elektricität, Magnetismus und Licht oder überhaupt der einen Erscheinungsform in die andere wird sich wahrscheinlich noch auf mancherlei Weise praktisch verwenden und verwerthen lassen. In England hat man schon den Anfang damit gemacht. Professor Wheatstone und C. W. Siemens zeigten neulich in der königlichen Gesellschaft zu London jeder eine von ihm erfundene neue Elektrisirmaschine, durch welche die Verwandelbarkeit mechanischer Kraft in Elektricität auf überraschende Weise zur Anschauung kam. Diese Maschinen bestehen zunächst aus einer Barre weichen Eisens, das der Länge nach mit Kupferdraht umwickelt ist; dann aus zwei anderen befestigten Barren, zwischen welchen erstere gedreht wird. Je schneller diese Drehung vor sich geht, desto rascher und rauschender springen Ströme von Elektricität heraus, die, wohlfeiler als auf jede andere Weise gewonnen, sich vielfach auf chemische und mechanische Weise anwenden lassen. Siemens hat auch bereits eine solche höchst wichtige Verwendung gefunden, nämlich zur Erleuchtung von Warnungstonnen und Leuchtthürmen in großen Entfernungen vom Lande und zwar in jedem Wind und Wetter, welches die Annäherung von Menschen oft gefährlich, ja unmöglich macht. Man kann durch seine Maschine die gewonnene Elektricität vermittelst eines submarinen Kabels hinübersenden und die Tonnen und Thürme, welche vor gefährlichen Stellen warnen sollen, weithin strahlend erleuchten. Die Commissionäre der nordischen Leuchtthürme haben seine Erfindung bereits angenommen, um alle die unzähligen Warnungstonnen und Leuchtthürme auf den gefährlichen Stellen und um die Küsten Schottlands herum damit vom Lande aus zu erleuchten.

Ein wahres Ungeheuer von Elektrisirmaschine hat ein Mr. Wilde in Manchester aufgebaut. Sie wiegt neunzig Centner und enthält nicht weniger als zwanzig Centner Kupferdraht. Sie wird durch eine Dampfmaschine von acht Pferdekraft bewegt und giebt dann elektrisches Feuer in furchtbaren, mächtigen Strömen, welche, zum Lichte beruhigt, mit der vollständigsten Sonnenkraft leuchten. Man kann dabei Tag und Nacht photographiren und es auch in großen Fabriken und in Leuchtthürmen besser und billiger, als jedes andere Beleuchtungsmaterial anwenden. Eine französische Compagnie hat bereits das Gebrauchsrecht dieser Maschine gekauft und will sie zur Erleuchtung von Cap Grisnez verwenden, um damit nicht nur den ganzen Canal zwischen England und Frankreich, sondern auch einen Theil der südlichen Gegenden von England besser zu beleuchten, als es mit Tausenden von Gasflammen möglich ist. Außer zur Erzeugung mächtigen Lichtes dient die Maschine auch für wichtige Fabrikzwecke. So hat z. B. eine große Firma in Birmingham die Einrichtung getroffen, sie statt galvanischer Batterien für Ueberkupferung metallischer Artikel mit großem Vortheil zu gebrauchen, da die Elektricität, welche hier die Stelle der Säuren und des Zinks vertritt, viel billiger ist und schneller arbeitet. In einer anderen Anstalt gebraucht man sie zur Erzeugung des elektrischen oder activen Sauerstoffs Ozon, mit welchem man schneller und billiger bleichen kann, als auf jede andere bisher bekannte Weise. Weitere Verwendungen und Verwerthungen werden sich wahrscheinlich bald finden lassen.




Graf von Bismarck als Auscultator. Graf von Bismarck, so erzählte mir im vorigen Herbst auf der Thüringer Eisenbahn ein Reisegefährte, war nach beendigten Universitätsstudien eine Zeitlang Auscultator in einer Kreisstadt der Mittelmark. Eines Tages saß er mit seinem Kreisrichter zusammen in der Gerichtsstube. Der Kreisrichter war in einer Ecke des Zimmers mit Actenlesen beschäftigt, während der Auscultator die für den Tag Vorgeladenen vernahm und die Gerichtsangelegenheiten schlichtete. Jeder der Vorgeladenen hatte seine bestimmte Nummer und wurde nach dieser Reihenfolge hereingerufen. Als die Mittagsstunde herannahte, drängte sich ungerufen ein Bäuerlein herein und stellte dem Herrn Auscultator in ziemlich barscher Weise vor, daß er von einer der entferntesten Gegenden des Kreises komme und daher verlangen müsse, daß seine Angelegenheit sofort in Angriff genommen werde, weil er sonst nicht mehr in die Heimath zurückkehren könne und kein Geld habe, um das kostspielige Nachtquartier zu bezahlen. Bismarck bedeutete ihn in aller Ruhe, daß jede der vorgeladenen Parteien ihre Nummer habe und daß er, sobald seine Nummer an die Reihe käme, ihn sogleich vorbescheiden und so rasch als möglich abfertigen werde. Das Bäuerlein aber bestand darauf, es müsse sofort vorgenommen werden. Da es dabei immer heftiger und unartiger in seinen Ausdrücken wurde, so riß endlich dem Auscultator der Geduldsfaden und er erklärte dem Unbescheidenen, daß er, falls er nicht ruhig sei, sich genöthigt sehe, ihn von dem Gerichtsdiener aus der Gerichtsstube hinauswerfen zu lassen. – Jetzt erhob sich der Kreisrichter, der seinen Stolz darein setzte, den Geist der größten Humanität überall blicken zu lassen, mit den Worten: „Ich will Sie, Herr Auscultator, darauf aufmerksam machen, daß hier Niemand Jemanden hinauswerfen lassen darf, als ich.“ Bismarck verneigte sich schweigend vor dem Chef; das Bäuerlein aber wurde, als es sich unerwartet durch einen mächtigen Bundesgenossen verstärkt sah, immer gröber und ungezogener. – Da sprang endlich Bismarck auf, öffnete die Thüre und rief dem Uebermüthigen zu: „Jetzt packt Ihr Euch den Augenblick, oder ich lasse Euch durch den Herrn Kreisrichter ‘nausschmeißen!“

A. W. M.




Zwei Bitten an die Gartenlaube. Zunächst geht uns eine Bitte aus Marmaros Sziget im nordöstlichen Ungarn zu, die ein so ehrendes Vertrauen auf die Gartenlaube voraussetzt, daß wir demselben, besonders in einem so schmerzlich ergreifenden Falle, nach Möglichkeit entsprechen müssen. Im vorjährigen „deutschen Krieg“ wurde ein Unterjäger des vierzehnten österreichischen Jägerbataillons, Johann Eichler, im Gefechte bei Wysokow (Nachod in Böhmen) am 27. Juni nach vollständiger Erschöpfung in Folge eines heldenmüthigen Sturmangriffs, angelehnt an einen Baum, von einem preußischen Trompeter gefangen genommen. So lauten die übereinstimmenden Aussagen seiner Cameraden, wie auch der amtliche Bericht des Bataillons-Commandos. Nach dem Friedensschluß kehrten die österreichischen Gefangenen aus den preußischen Festungen, wie die transportablen Verwundeten aus den deutschen Lazarethen in die Heimath zurück. Nur auf den tapfern Jäger Johann Eichler warten die trauernden Eltern in Prag und der Bruder in Sziget bis heute vergebens. Anfangs gab ihnen die Vermuthung noch einigen Trost, daß der Vermißte in der Gefangenschaft erkrankt sei und später zurückkehren werde. Aber alle Nachricht über ihn blieb aus, jede Nachforschung über sein Schicksal war vergeblich. Beweinen nunmehr seine Lieben ihn auch als einen Verlorenen, einen Todten, so macht doch die Ungewißheit über sein Schicksal den tiefen Schmerz nur noch peinlicher. Darum senden sie durch die Gartenlaube die Bitte in die Oeffentlichkeit um eine Kunde über den Vermißten, sollte es auch die traurigste, die Bestätigung seines Todes sein.

Wir machen diese Bitte zu der unsrigen und ersuchen diejenigen unserer Leser, welche in der Lage sind, den bekümmerten Verwandten den Trost einer sichern Nachricht zu geben, dieselbe an uns richten zu wollen. –




Sodann ersucht uns als die Redaction des „weitest verbreiteten deutschen Blattes“ ein Herr Dr. Kemmel in Melbourne in Australien um die Veröffentlichung des nachstehenden Aufrufes:

„Am 11. Mai 1864 starb hier in Melbourne Karl Wienhart aus Mitau in Kurland und hinterließ ein Vermögen von etwa siebenhundert Pfund Sterling. Obgleich von der Regierung in Australien nach der Heimath des Verstorbenen geschrieben wurde, um allfällige Erben desselben auszumitteln, erfolgte doch keine Antwort. Es ergeht daher jetzt durch die Gartenlaube die erneute Aufforderung an Erbberechtigte, ihre gerichtlich beglaubigten Ansprüche bei dem Gouvernement in Melbourne erheben zu wollen. Dabei sei bemerkt, daß noch ein Bruder Wienhart’s am Leben sein soll, der, um nicht Soldat zu werden, aus Rußland desertirte, auf den Walfischfang zog und dann nach Amerika ging. Der deutsche Turnverein in Melbourne wird gern alle etwaigen An- und Nachfragen beantworten.“ Auch diese Bitte befürwortet die Gartenlaube auf das Wärmste.




Karl Otto, der Maler unseres gemüthvollen Hans-Sachs-Bildes, ein geborener Hannoveraner zählt zu den tüchtigsten Schülern Prof. Piloty’s in München, des Hauptvertreters der neueren dortigen Kunstrichtung. Der verstorbene König Maximilian der Zweite von Baiern, der seine neuen Prachtbauten mit Fresken schmücken ließ, ehrte auch Otto mit Aufträgen, von denen mehrere in bedeutenden Dimensionen ausgeführt sind. Der Künstler, der seine Studien später in Paris und Antwerpen fortsetzte, befindet sich jetzt wieder in München, und dieser neuesten Periode gehört sein Hans Sachs an.




Noch einmal der „Lincoln Mexicos“. (S. S. 284.) Das mexicanische Kaiserzwischenspiel naht sich seinem Ende; nach anderen Nachrichten ist es bereits ausgespielt und Maximilian schon als Kriegsgefangener in den Händen der Republikaner. Die Zügel der Regierung wird nun wieder jener ausgezeichnete Indianer ergreifen, der „Lincoln Mexicos“, dessen Charakteristik neulich die Gartenlaube einer sachkundigen Feder verdankte; wir glauben daher keinen geeigneteren Moment wählen zu können, um, wie wir versprochen, unsere Leser auch mit den zwar nicht eben schönen, doch ausdrucksvollen Gesichtszügen Juarez’s bekannt zu machen, welche uns aus der zweiten Illustration unserer heutigen Nummer entgegentreten.




Im Verlag von Ernst Keil in Leipzig ist erschienen:

Dr. Otto Ule,
Populäre Naturlehre (Physik)

oder die
Lehre von den Bewegungen in der Natur und von den Naturkräften im Dienste des Menschen.
Für Jedermann faßlich dargestellt.
Mit zahlreichen Holzschnitten. Eleg. brosch. Preis 2 Thlr.




Inhalt: Die Herrin von Dernot. Novelle von Edmund Hoefer. (Fortsetzung.) – Ein deutscher Handwerksmann. Von Louise Otto-Peters, Mit Illustration. – Immerfrisches Obst. – Nur sieben Tage. Von J. J. Engelberg. – Photographien aus dem Reichstag. V. – Blätter und Blüthen: Das Ferngefühl der Blinden. – Praktische Verwendung der Elektricität. – Graf von Bismarck als Auscultator. – Zwei Bitten an die Gartenlaube. – Karl Otto. – Noch einmal der „Lincoln Mexicos“. Mit Portrait.




Die Deutschen Blätter, Literarisch-politische Feuilleton-Beilage zur Gartenlaube, Nr. 17 enthalten: Eine Engländerin über die deutschen Frauen. – Umschau: Eine Ursache der Verarmung. – Pfingstversammlungen in Leipzig. – Das elektrische Clavier. – Was hat Deutschland jetzt zu thun? – Brehm’s neuer Wirkungskreis. – Ein deutscher Nationalschatz. – Poetischer Ostergebrauch. – Arnold Ruge als Roman- und Jugendschriftsteller. – Ein Charakter.




Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 288. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_288.jpg&oldid=- (Version vom 13.3.2017)