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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

wurde zu Täuschungen benutzt. Um das mit den Localitäten und Verhältnissen nicht vollkommen vertraute Publicum zu hintergehen und irrezuleiten, klammerte sich die Concurrenz an das Wörtchen „gegenüber“ an, und ließen sich Mehrere in der nächsten Nachbarschaft vom Jülichs-Platz nieder, um so den vollen Zusatz „gegenüber dem Jülichs-Platz“, wenn auch der Wahrheit zuwider, zu benutzen. Gerichtlich verfolgt, sahen sie sich den Gebrauch des Wortes „gegenüber“ untersagt; der Zusatz „gegenüber dem Jülichs-Platz“ wurde als ausschließliches Eigenthum der Firma „Johann Maria Farina“, welche jenen Zusatz zuerst gebraucht hat, in höchster Instanz zuerkannt. Seitdem sucht man durch andere Wörtchen, wie „an“ oder „bei dem Jülichs-Platz“ und unter Hinzufügung einer Hausnummer das Verlorene möglichst zu ersetzen. Eine zwar weiter liegende, aber wohl nicht minder auf Irreleitung abzweckende Erfindung ist es ferner, daß verschiedene Fabrikanten ihre Geschäfts-Locale an anderen öffentlichen Plätzen der Stadt etabliren, um so auf ihren Adressen und Etiketten den Zusatz: „gegenüber dem und dem Platze“ gebrauchen zu können, hinsichtlich des Eigennamens „Jülich“ auf die Vergeßlichkeit oder Unachtsamkeit der Consumenten speculirend, und dies um so mehr, als sie ihre Etiketten in Form, Papier, Schrift etc. denjenigen der Firma „Johann Maria Farina gegenüber dem Jülichs-Platz“ gänzlich nachbilden.

Die Einführung des allgemeinen deutschen Handels-Gesetzbuches, welches bekanntlich am 1. März 1862 in Kraft trat, hat durch die im dritten Titel „Von Handelsfirmen“ handelnden Bestimmungen, Art. 15 bis 27, dem Handel mit Firmen allerdings Einhalt gethan und auch Bestimmungen getroffen, durch welche die rechtmäßigen Inhaber bestehender Firmen geschützt sind. Nichts desto weniger werden auch diese Bestimmungen umgangen, und es entstehen nach wie vor neue Firmen „Farina“. Alle neuen Firmen jedoch, und wenn sie auch selbst den Namen „Johann Maria Farina“ tragen, müssen sich deutlich von der Firma „Johann Maria Farina gegenüber dem Jülichs-Platz“ unterscheiden. Dieselben Bestimmungen gelten in Oesterreich, Frankreich, Belgien und England.

Aber nicht allein die genannte Firma ist der Gegenstand unausgesetzter Nachahmungen, sondern auch deren Familienwappen, Fabriksiegel, sowie das Facsimile der Unterschrift und selbst die Abbildung des Wohnhauses, ja man hat geradezu die Firma „Johann Maria Farina gegenüber dem Jülichsplatz“ auf die Etiketten gedruckt mit dem über derselben in kleinster Diamantschrift angebrachten Wörtchen „nach“. Leider hat hier unsere Handelsgesetzgebung eine bedauerliche Lücke; sie tritt zwar für den Firmen-Schutz, nicht aber für den sogenannten „Marken-Schutz“ in die Schranken. Der Unbefangene, der die Flaschen, Etiketten und Umschlagzettel, kurz, die ganze äußere Erscheinung des Fabrikats des „ältesten Destillateurs“ mit denjenigen vieler seiner Concurrenten vergleicht, wird, wenn er sie nicht beim ersten Anblicke für ganz gleichartig hält, jedenfalls über die auffallende Aehnlichkeit staunen.

Wer der freien Entwickelung des Handels und der Industrie, wie wir, im ausgedehntesten Sinne des Wortes zugethan ist, der achtet gewiß jede ehrenhafte Concurrenz, allein die Art und Weise, wie die Concurrenz, mit wenigen löblichen Ausnahmen, in der Kölnisch-Wasser-Fabrikation auftritt und durch Lug, und Trug das Publicum täuscht, wird von keinem Ehrenmanne gebilligt werden können und steht in der Geschichte des Handels zweifelsohne einzig da.

Ein Mittel aber, und wohl das gehässigste, welches viele Concurrenten in Köln zu ihrem Nutzen und zum Nachtheile der Firma „Johann Maria Farina, gegenüber dem Jülichs-Platz“ anwenden, ist die übermäßige Bezahlung von Lohndienern, Droschkenkutschern und anderen sich dem Reisenden anbietenden Führern, welche unkundige Fremde, die sich mit „echtem“ Kölnischen Wasser versehen wollen, ihrem Hause zuführen. Nicht selten wird dem Fremden irgend ein Verkaufslocal als eine Niederlage, ja sogar als die Fabrik des ältesten Destillateurs bezeichnet. Diese anscheinend nicht unerlaubten Mittel führen nicht minder als die früher aufgezählten Lug und Trug im Gefolge, denn da dem Führer nicht selten der dritte Theil des Verkaufspreises als Provision zufällt, so ist ein solcher Erwerb, welchen man als den eines modernen Wegelagerers bezeichnen könnte, zu verlockend, als daß der Reisende nicht unter allerlei Vorspiegelungen und falschen Ortsangaben häufig irre geführt würde. Fast täglich bewährt sich diese Thatsache.

Schließlich noch einige Worte über die Bereitung der berühmten wohlriechenden Flüssigkeit.

Es ist im Grunde zwar eine sehr einfache und stets sich gleich bleibende Manipulation, welche man die Fabrikation des Kölnischen Wassers nennt, wie dies auch nicht anders sein kann bei einem Artikel, welcher seinen Hauptruhm in die Stabilität seiner vortrefflichen Eigenschaften setzt. Von einer Verbesserung der Qualität durch fortgesetzte Analysen und Versuche kann gar keine Rede sein. Man kann von verschiedenen Qualitäten nur in Bezug auf die Mischung besseren oder schlechteren Spiritus mit den feinsten oder geringeren Sorten von Essenzen sprechen, dann aber auch noch in Bezug auf das Alter des Kölnischen Wassers, denn es steht notorisch fest, daß sich dasselbe, wenn es gut verschlossen verwahrt wird, durch längeres Lagern verbessert, indem die ätherischen Oele sich immer mehr im Spiritus auflösen und enger mit demselben verbinden und der eigentliche Weinsprit sich in seinem Geruch ebenfalls durch das Alter mildert, d. h. verfeinert. In dem Hause „Johann Maria Farina, gegenüber dem Jülichs-Platz“ wird, wie schon bemerkt, nur eine einzige Sorte, aus dem besten französischen Weinsprit und den feinsten Essenzen bereitet und gerade durch jahrelanges, Lagern verbessert. Die Mischungen sind es, welche in ihren ersten Instanzen das eigentliche Geheimniß der Fabrikation bilden. Das Recept zu denselben wird denn auch mit Recht wie ein Kleinod vom seltensten Werthe unter Verschluß gehalten, und das Laboratorium, in welchem die geheimnißvollen Arbeiten der ersten Mischungen eigenhändig vom Chef des Hauses vorgenommen werden, macht auf den mit einiger Phantasie begabten Fremden, dem es gestattet ist, dieses Allerheiligste des Geschäftes zu betreten, einen eigenthümlichen, fast möchte man sagen feierlichen Eindruck.

Daß auch manche Concurrenten des „ältesten Destillateurs“ in Köln ein Fabrikat produciren, bei welchem nur ein fein unterscheidender Geruchssinn einen wesentlichen Unterschied in der Qualität herausriechen kann, geben wir gern zu. Der regelmäßige und daher wählerische Consument wird wohl wissen, welchem Fabrikanten er den Vorzug zu geben hat, während bei der großen Masse leider noch immer der Spruch gilt: „Mundus vult decipi, ergo decipiatur.“ (Die Welt will getäuscht sein, also werde sie getäuscht.)




Beim kleinen Thiers.
Thiers’ Lebens- und Bildungsgang. – Sein Palais. – Sein Arbeitszimmer. – Die Abfassung seiner Reden. – Seine Diners und sein Salon. – Frau Thiers. – Thiers’ Schwägerin und Schwiegermutter. – Seine Persönlichkeit und äußere Erscheinung. – Sein Kunstsinn und seine Kunstsammlungen.


Die Rheingrenze! Das war vor Kurzem das Feldgeschrei der meisten französischen Blätter und ist es mehr oder weniger noch.

Im Jahre 1821 kam ein junger Franzose aus dem Mittag des Landes nach Paris, wie alle Provincialen mit der ausgesprochenen Absicht, in der alle Kräfte und Talente anziehenden und absorbirenden Hauptstadt sein Glück zu machen. Er hatte sich auf der Universität von Aix in der Provence eben sein Advocatendiplom geholt und dachte in Paris eher zu Praxis und Clienten und damit zu Geld und Einfluß zu gelangen als in seiner Heimath. Der junge Jurist, der im Passage Montesquieu ein auf das Einfachste möblirtes Stübchen bezog, war Niemand anders als der nachmalige allmächtige Minister, der Geschichtschreiber und Akademiker Adolph Thiers, derselbe, welcher, wie er als der eigentliche Urheber jenes von Zeit zu Zeit immer von Neuem auftauchenden französischen Feldgeschreis anzusehen ist, auch neuerdings wieder in seiner vielbesprochenen Kammerrede diese alte Losung der französischen Eitelkeit und Ueberhebung auf’s Tapet brachte und so als der Hauptanstifter der sich in Frankreich gegenwärtig so laut und

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 297. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_297.jpg&oldid=- (Version vom 13.3.2017)