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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

Dieses Elysium auf Erden, diese Mysterien der Liebe und Wollust, diese Tänze der Adepten und Grazien fanden natürlich in solchen Kreisen Beifall, die zur Gesellschaft zählten, und das Geld für die Vereinscasse wurde dazu sehr reichlich gespendet. Das neue Jerusalem, gestützt auf das Testament der ehemaligen Tempelherren, gewann immer größere Dimensionen und wurde allmählich im großen Publicum bekannt, zum Theil Gegenstand der spannendsten Neugierde, zum Theil der schärfsten Anklage von Seiten Solcher, welche die öffentliche Moral gefährdet glaubten.

Letzteres drohte endlich der geheimen Gesellschaft gefährlich zu werden, weshalb Bruder Martin den Rath gab, in Begleitung der reichsten Bürger und Nymphen der Gesellschaft Cork zu verlassen und nach London überzusiedeln, wo man hoffen durfte, inmitten der ungeheueren auf- und abwogenden Menschenmenge in den Mysterien des neuen Jerusalems mit größerer Sicherheit leben und eine noch größere Zahl von Proselyten finden zu können.

Von der Nothwendigkeit dieses Schrittes die Miß H. zu überzeugen, hielt am schwersten, da sie durch ihren reichen Grundbesitz an Irlands Boden gebunden war und nicht mitziehen konnte. Sie rang die Hände und vergoß einen Strom von Thränen, als Proli kam, ihr die Trennung zu melden; er berief sich jedoch auf eine Erscheinung des Erzengels Gabriel, die ihn zu diesem Entschluß aufgefordert habe, aber erst als er versprach, wiederzukommen und sie als Gemahlin und Herzogin des neuen Reichs heimzuholen, ergab sie sich in die Nothwendigkeit und rief ihm noch mit aufgelösten Haaren und schluchzender Stimme nach: „Herr, gedenk an mich, wenn du in dein Reich kommst!“

Im Besitze einer Summe von nahezu hunderttausend Pfund Sterling, welche die Gemeinschaft der Heiligen zusammengesteuert und wozu die Miß H. das Meiste beigetragen hatte, kam Proli nebst seinem Mephistopheles und einer Anzahl Jünger und Priesterinnen in Britanniens Hauptstadt an. Das Leben in London erwies sich jedoch so kostspielig, daß die heilige Gesellschaft bald in Noth gerathen mußte. Diese Zeit sah der jesuitische Judas voraus und hielt es für angezeigt, das Geld aus dem drohenden Schiffbruch zu retten. Während eines Tages der Prophet seine Andacht mit den Jüngern und Priesterinnen hielt, schlich er in das Cabinet des Propheten, bemächtigte sich der ganzen Summe in Banknoten, die noch vorhanden war, und entfloh.

Als der Prophet aus seinen Andachtsübungen zurückkam und sein Cabinet betrat, ersah er aus einem von Martin zurückgelassenen Zettel, daß der Judas in den Hafen geeilt und ein Schiff bestiegen hatte, um nach Amerika zu entweichen. Trotz aller Bestürzung und augenblicklichen Verlegenheit beschloß Proli, den Diebstahl vor seiner Gesellschaft geheim zu halten, er gab sogar vor, daß er den Jesuitenpater nach Dänemark und Schweden auf eine Missionsreise gesendet habe und daß er demselben die Summe von dreitausend Pfund Sterling nachschicken müsse. Diese Summe entlieh er von seinen Anhängern, versprach die Rückzahlung innerhalb vier Wochen, wenn er den Erlös aus seinen Gütern von einigen Millionen Thalern flüssig gemacht hätte, und entfloh mit dem Gelde nach Hamburg, nachdem er vorher den vornehmsten Auserwählten seines himmlischen Reiches verkündigt hatte, daß er, Proli, gleich Moses dem Erdkreis entschweben und sich erheben müsse zu den höchsten Regionen des Urlichtes, um dort sein Angesicht in das leuchtende Meer der Offenbarung zu tauchen und von da hellleuchtend zurückzukehren, wie Moses vom Berge Sinai in voller Glorie herabgestiegen sei zur Erdenwelt. Dann würde das Reich der Herrlichkeit vollendet sein. Bis dahin sollten sie sich wacker halten, damit er nicht nöthig habe, bei seiner Wiederkunft wie Moses die Gesetzestafeln zu zertrümmern.

(Schluß folgt.)




Das Unterwasser-Geschütz.
Ein Brief von Wilhelm Bauer.


Nachdem die Gartenlaube seit einer Reihe von Jahren meine Bestrebungen in der Submarine und die damit erzielten Resultate ihrem Leserkreis in allen Welttheilen zur Kunde gebracht und für mich um Freunde geworben, welche durch freiwillige Geldbeiträge es ermöglichten, daß ich das Dampfschiff „Ludwig“ aus der Tiefe von dreiundsiebenzig Fuß so wohl erhalten heben konnte, daß es gegenwärtig unter dem Namen „Rorschach“ den Bodensee wieder nach allen Richtungen durchfurcht; – nachdem mir ferner ermöglicht worden, den Plan zu einer für unterseeische wie für aëronautische Fahrzeuge geeigneten Motionsmaschine durch Experimente im Kleinen so weit auszuarbeiten, daß auch dieses Problem nur der Großausführung harrt (denn es ist mir gelungen, die Expansivkraft des Petroleums in langgezogenen Explosionen auf eine Wassersäule wirken zu lassen, um die Propellerschraube durch eine Turbine zu bewegen): fand ich auch die nöthige Hülfe, um die Plane zu meinen Unterwasser-Geschützen nicht allein ausarbeiten, sondern auch praktischen Versuchen unterziehen zu können. Auch darüber ist seiner Zeit von der Presse kurz berichtet worden. Möge mir nun gestattet sein, über diese unterseeischen Schießproben einige ausführlichere Mittheilungen zu machen und so meinen Dank für die freiwillige Förderung dieser technischen Versuche auszusprechen, dagegen über die eigenthümlichen Erlebnisse auch mit diesem Theile meiner Erfindung in den Kreisen der Competenz schweigend hinwegzugehen.

Es dürfte genügend bekannt sein, daß ich weder an den deutschen Ostsee- noch an den Nordseeküsten die beabsichtigten unterseeischen Schießversuche ausführen durfte, daher ich schließlich nach Baiern zurückkehren und bis auf den Alpensee bei Starnberg steigen mußte, um eine deutsche Waffe wenigstens in deutschem Wasser erproben zu können. Daß ich auf diesem fünf Stunden langen Alpensee keine Panzer- oder sonstige Kriegsschiffe zum Durchschießen vorfand, weiß Jedermann; daher mußte ich versenkbare Ziele bauen, welches für meinen Zweck an die Stelle von Bodentheilen feindlicher Kriegsfahrzeuge traten; ebenso wenig besaß ich ein unterseeisches Boot, und auch dieser Mangel war in einer Weise zu ersetzen, die mir dennoch die vollständige Lösung meiner Aufgabe möglich machte.

Zum Verständniß dieser Aufgabe gehören folgende Vorbemerkungen.

Nachdem die unterseeische Navigationsfähigkeit meiner Taucherfahrzeuge bei Kiel und Kronstadt praktisch bewährt war, obgleich dort nur Menschenkraft zur Fortbewegung diente, so waren noch zwei Hauptbedürfnisse zu lösen und zu bewähren. Die erstere bezog sich auf die erwähnte neue Motionsmaschine, die zweite auf die in einem „Küstenbrander“ anzubringenden Unterwasser-Geschütze, um mittels dieser feindliche Schiffe von unten nach oben durchschießen zu können, und zwar ohne den Rückstoß der Geschütze auf den Körper des „Küstenbranders“ nachtheilig einwirken zu lassen. Gehässige Verurtheiler meiner Erfindung, die über sie absprechen ohne sie zu kennen, haben mit ganz besonderm Hohn prophezeit, daß der erste unterseeische Schuß aus meinem Boote dieses selbst zertrümmern würde. Die Leser der Gartenlaube werden sich nun über das mir angedrohte Schicksal leicht beruhigen, wenn sie, denen aus der Illustration in Nr. 35, Jahrgang 1864 die äußere Form eines Küstenbranders bekannt ist, Folgendes erwägen. Sie müssen sich nämlich mitten durch das Schiff vom Kiel bis zum Deck reichende eiserne Rohre laufen denken, welche oben wie unten wasserdicht mit den Wandungen vernietet werden; diese Rohre, die ich Führrohre nenne, bilden demnach Cylinder, in welchen ein Geschütz, welches von einem Holzmantel umgeben und getragen ist, der dasselbe schwimmen macht, wie ein Kolben oder Pfropfen auf und ab bewegt werden kann, und da nun das Wasser in dem Führrohre nach unten oder oben ungehindert austreten kann, so ist bei der Abfeuerung des Geschützes ein wenn auch noch so starker Rückschlag desselben unschädlich, weil er nur auf das Wasser außerhalb des Bootes wirkt, ohne auf den Körper desselben einen wesentlichen Einfluß auszuüben. Es war daher für die Schießversuche selbst der Besitz eines unterseeischen Fahrzeuges kein absolutes Bedürfniß, dagegen mußte ich eine Vorrichtung treffen, daß ein Führrohr das Geschütz sammt seinem Holzmantel aufnehmen und frei darin spielen lassen konnte.

Weil das Geschütz sammt Führrohr, in Ermangelung eines führenden Küstenbranders, auf den Grund des Sees an Stellen von vierzig bis sechszig Fuß Tiefe gesenkt werden mußte, so gab

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 332. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_332.jpg&oldid=- (Version vom 15.3.2017)