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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

soll, so ist es durchaus nöthig, daß das Publicum endlich den Glauben an medicinische Wundercuren vollständig aufgiebt und zu der Ueberzeugung kommt, daß im menschlichen Körper Alles natürlich und nach ganz bestimmten, unabänderlichen Gesetzen vor sich geht. – Uebrigens will Verfasser hiermit erklärt haben, daß er, obschon der ärgste Feind so ziemlich aller gegen bestimmte Krankheiten empfohlener wirklich wirksamer (deshalb aber nicht heilsamer) Arzneistoffe, doch den großen Segen nicht verkennt, den örtlich wirkende und beschwerliche Krankheitserscheinungen hebende oder lindernde Medicamente schaffen können. Auch hat er durchaus nichts dagegen, wenn dummen Leuten zur Beruhigung indifferente Mittel verschrieben werden. Ausführlicheres hierüber siehe in Gartenlaube Jahrg. 1855. Nr. 25.

Unter den Krankheiten, gegen welche eine Unmasse von legalen und illegalen, veröffentlichten und geheimen und meist angeblich untrüglichen Heilmitteln existiren, trotzdem daß auch nicht ein einziges wirklich heilsam ist, nimmt

die Fallsucht oder die Epilepsie

so ziemlich den ersten Platz ein. Und woher kommt es, daß gegen diese für den Arzt zur Zeit unheilbare Krankheit so viele Mittel als wirklich heilsam empfohlen und ausposaunt werden? Das kommt daher, weil die Natur gar nicht selten der Epilepsie plötzlich ein Ende macht und daß nun dasjenige Arzneimittel und Verfahren, sowie derjenige Hokuspokus, kurz Alles, was gerade zu dieser Zeit, wo die Krankheit von selbst verschwand, am Kranken versucht wurde, als Heilmittel betrachtet wird. Und hier haben wir denn das dem gesunden Menschenverstande so oft Hohn sprechende Post hoc, ergo propter hoc (weil’s darauf kommt, darum’s auch daraus kommt; oder: weil darnach, also auch darum; s. Gartenl. 1859 Nr. 33 und 38), wodurch die dumme Menschheit auch bei der blödsinnigsten Heilmethode als Beweis für deren Heilsamkeit zu sagen wagt: ja, es hat aber doch geholfen.

(Ueber Epilepsie in einer der nächsten Nummern.)

Bock.




Blätter und Blüthen.


Eine Erb-Weltgeschichte des deutschen Volkes. In einer traurigen und fast hoffnungslosen Zeit deutschen Volkslebens, in den Jahren 1800 bis 1805, ging aus dem Arbeitszimmer eines einfachen Privatgelehrten zu Berlin ein Buch hervor, welches den bescheidenen Titel trug: „Weltgeschichte für Kinder und Kinderlehrer“. Karl Friedrich Becker hieß ihr Verfasser; er war 1777 in Berlin geboren und starb dort im preußischen Unglücksjahre 1806. – Der Mann gehörte weder zu den durch Staats- und gesellschaftliche Stellung ausgezeichneten Persönlichkeiten, noch zu den namhaften Berühmtheiten unserer Literatur: sein Buch aber sollte bedeutend über seine eigene Bedeutung hinausragen und selbst eine weit reichere Entwickelungsgeschichte erlangen, als die Lebensgeschichte seines Verfassers gewesen.

Die Becker’sche Weltgeschichte ist eines jener Bücher, von denen Jedermann einmal gehört hat, das Viele besitzen und noch weit Mehrere sich wünschen. Dieses anfangs für anscheinlich so engen Wirkungskreis beplante Geschichtswerk ging aus den Händen der „Kinder und Kinderlehrer“ in die Familien über und setzte sich in den Bürgerhäusern so fest, daß der erfahrungskluge Buchhandel die Herren Gelehrten auf dasselbe aufmerksam machte, um den Einfluß, den dasselbe auf die allgemeine historische und sociale Bildung des deutschen Volkes zu gewinnen begann, nicht durch Veraltung des Buches wieder erschlaffen zu lassen. So erfuhr denn Becker’s Weltgeschichte durch eine Reihe von Jahren und Gelehrten fortwährend Umwandlungen und Fortsetzungen, so daß es von den ursprünglich neun Bänden, wie sie Becker’s Hand geschrieben hatte, bis zu achtzehn Bänden anwuchs. Die Männer, die sich nach einander um die „Becker’sche Weltgeschichte“ verdient machten, waren Joh. Gottfr. Woltmann, Joh. Wilh. Loebell, Karl Adolf Menzel, Max Duncker, Eduard Arnd und Adolf Schmidt (Professor in Jena), der gegenwärtige Oberredacteur des Werkes. Bei der achten Auflage desselben waren außerdem noch Gustav Hertzberg für die Umarbeitung der alten Geschichte und Nasemann in Halle für die des Mittelalters herangezogen worden.

Ein solches Zusammenwirken von ausgezeichneten Kräften für das Buch eines Mannes ist der beste Beweis seines ungewöhnlichen Werths. Und trotz der vielen Geister unter dem einen Dach ist das von ihnen ausgebaute Haus kein ungleichartiges Durcheinander geworden, sondern der Becker’sche Grundplan des Gebäudes ist in treuer Pietät und Beachtung des durch den Erfolg Bewährten beibehalten, sein Ideal einer Weltgeschichte, das nicht die Vollständigkeit des Stoffs, sondern die scharfe Hervorhebung und detailreiche Schilderung einzelner Haupterscheinungen war, blieb geschont, und so ist es noch heute, wie in der ersten Auflage des Buchs, möglich, vermöge seiner lebensvollen Darstellung und Hervorhebung des Lebensvollen mit den handelnden Personen der Geschichte mitzufühlen und mitzuhandeln. Dagegen war es der Nachfolger Becker’s Hauptverdienst, das Buch auf der Höhe der jeweiligen historischen Forschung zu erhalten, oder, wie Duncker sich ausdrückt: jederzeit mit den sich höher wölbenden Bogen der Wissenschaft auch ihre Giebel emporzubringen.

Ein Geschichtswerk, das so gesunden Boden in der Familie und in der Gelehrtenstube gefunden hat, wird fortwachsen, es wird werden, was wir es genannt haben: eine Erb-Weltgeschichte des deutschen Volks, und als eine solche empfehlen wir sie allen deutschen Bildungsfrohen dies- und jenseits der Meere.




Für Freiligrath!


Den Dichter will ich heute preisen,
Dem mit Bewundrung Ihr gelauscht,
An dessen frischen Zauberweisen
Ihr euer Herz gelabt, berauscht.

5
Bald ist sein Lied der schlanken Palme

Im heißen Wüstensande gleich;
Bald rauscht es wie des Kornes Halme,
An Lerchenschlag und Segen reich.

Wohl saß er einst beim Königsmahle,

10
Doch nicht berauscht von Gunst und Wein

Ging mannesstolz er aus dem Saale,
Wie er gekommen – arm und rein.
Und wieder griff er in die Saiten
Und sang die alte Melodie:

15
„Die Freiheit hoch für alle Zeiten!

Im Volk nur lebt die Poesie.“

Das Opfer bracht’ er ohne Zagen;
Verbannung, Aechtung, Sorg’ und Noth,
Das Schwerste hat er leicht getragen,

20
Wenn er nur Arbeit fand und Brod.

Wie einst Apoll nach alter Mähre
Erschien in niedrer Hirtentracht,
So schuf sein Sohn das Werk, das schwere,
Am heißen Tag und – sang zur Nacht.

25
Nun ist versiecht die kleine Quelle,

Das Feld verdorrt, das ihn genährt.
Auf, Deutschland, zeige jetzt zur Stelle,
Wie man bei Dir den Dichter ehrt!
Gieb’ nicht Almosen, deine Schulden

30
Bezahl’ nur, lös’ den Wechsel ein!

O Schmach, die nimmermehr zu dulden,
Reichst du statt Brod ihm – einen Stein!

Max Ring.




Freiligrath-Dotation.

Bei dem Barmer Haupt-Comité sind wiederum eingegangen: Von Badegästen in Wildungen 13 Thlr., Sammlung durch Hrn. C. Hecker in Bonn 109 Thaler 10 Ngr., Dr. S. in Bedburg 10 Thlr., G. H. in Bonn 10 Thlr., W. W. in Barmen 10 Thlr, F. R. das. 1 Thlr., E. C. das. 10 Thlr., A. C das. 10 Thlr., F. W. das. 5 Thlr., H. B. S. das. 10 Thlr., C. B. das. 5 Thlr., W. N. das. 5 Thlr., W. v. E. das. 150 Thlr., F. v. E. das. 50 Thlr., C. H. das. 5 Thlr., H. S; das. 10 Thlr., J. H. das. 5 Thlr., W. K. das. 2 Thlr.

Bei der Redaction der Gartenlaube; M. in Worms 3 Thlr., Tosca in Berlin 3 Thlr., Schwarz in Bendorf 2 Thlr. 15 Ngr., Sammlung der Weimar. Zeitung (darunter eine Freundin des Dichters mit 25 Thlr.) 39 Thlr. 5 Ngr., Familie San Galli in St. Petersburg 70 Rubel=63 Thlr., Erlös eines Musikalischen Abends in Werther 43 Thlr. 15 Sgr., Sängerverein in Königsberg 25 Thlr., aus Würzburg, von einem Frauen-Comité 187. fl. 30 kr. – Außerdem hat der Verleger von Freiligrath’s herrlichem Buche: „Ein Glaubensbekenntniß“, Herr Victor v. Zabern in Mainz, zu Gunsten der Dotation 50 Exemplare des Buches zur Disposition gestellt, die wir den Freunden des Dichters à 1 Thlr. offeriren.


Die Redaction.




Inhalt: Das Geheimniß der alten Mamsell. Novelle von E. Marlitt. (Fortsetzung.) – Im Golfe von Neapel. – Bild und Wort von P. Thumann. Mit Illustration. – Deutsch-amerikanische Lebensläufe. Von Adolf Douai. 2. Ein Schauspieler. – Der Blutritt. Von H. v. C. Mit Abbildung. – Gedanken über das Curiren von Krankheiten. 1. Die Epilepsie oder Fallsucht. Von Bock. – Blätter und Blüthen: Eine Erb-Weltgeschichte des deutschen Volkes. – Für Freiligrath. Von Max Ring. – Freiligrath-Dotation.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 368. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_368.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2017)