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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

liegenden alten Kirche, deren Thürme bald auf die Flursteine um den Altar niederfallen würden, hätte man nicht im Augenblick höchster Gefahr den Männergesangverein begründet, der bereits Oesterreich und Preußen nach allen Richtungen durchstreift habe und jetzt nach Paris gekommen sei, um die Casse des Domschatzmeisters zu füllen und den Dom fertig zu machen.

Das Deficit der Pariser Sängerfahrt deckte ein Jahr nachher eine dritte Reise des Vereins nach London. Diesmal bot sich denn auch Gelegenheit, ein Volksconcert zu geben, nachdem der Krystallpalast in Sydenham den Sängern eingeräumt war. Die Aufführung fand vor zwölftausend Zuhörern statt.

Hatten die Wanderzüge den Namen des Kölner Männergesangvereins von den beiden Hauptstädten des europäischen Auslandes aus durch den ganzen Welttheil getragen, so wurde in der engeren rheinischen Heimath nicht minder für seine Celebrität gesorgt. Jedem guten und schönen Zwecke dienstbar, griffen die Sänger allüberall ein, wo es galt, zu erwerben, zu erhalten und zu pflegen. Sie sangen zum Besten wohlthätiger Stiftungen, zum Aufbau und zur Erhaltung von Kirchen und Gotteshäusern, für den Schillerfonds zum Ankauf von des Dichters Geburtshause wie für die Restauration des alten Kaiserdomes in Speier; ihre Hymnen begrüßten bei festlichen Gelegenheiten, wie z. B. der Eröffnung der neuen Rheinbrücke und des neuen Museums, die frohen Gäste und klangen bei feierlichen Bestattungen geliebter Todten, z. B. dem Dombaumeister Zwirner, in die Grube nach. Und wieviel Gelegenheit bot nicht im Laufe der Jahre die im ganzen Rheinlande und besonders in Köln in höchster Blüthe stehende Geselligkeit! Wenn wir oben sagten, daß dem Verein Kräfte aus allen Ständen und Kreisen angehörten, so haben wir damit eigentlich schon ausgesprochen, daß der weltbekannte rheinische Humor auch seine Stätte darin gefunden; nun aber waren und sind humoristische Talente ersten Ranges unter den Mitgliedern Dichter und Componisten, Schauspieler und Sänger in Einer Person! Es ist in Köln Sitte (strenge Kritiker nennen es Unsitte), jedem ernsthaften Kunstgenuß einen humoristischen Schluß anzuhängen; vor den erstaunten Blicken des fremden Gastes schlüpft da der würdige Repräsentant der hochtragischen Hauptfigur eines Oratoriums in die Harlekinsjacke und trägt mit derselben Stimme, die eben noch im Dienste der Muse Sebastian Bach’s oder Graun’s auf dem Kothurn gewirkt, nun Scherzlieder im Kölnischen Dialect vor. Ja, die ersten Sänger der großen Gürzenich-Concerte vereinigen sich zum Carneval und spielen und singen im Schauspiele, in Burlesken und Localpossen, die sie selbst gedichtet und componirt haben; sie nennen das ein „Divertissementchen“ geben und zwar regelmäßig auf Kosten der bevorzugten Minorität der Menschheit, der Kaiser und Könige, Minister und Solcher, die es werden wollen – zum Besten der benachtheiligten Majorität, der Armen und Unterdrückten!

Dann wiederum verbünden sich die Jünger der Tonkunst von Köln mit den Pflegern der bildenden Künste von Düsseldorf; es trägt diese artistische Allianz ihre goldenen Früchte zur Freude aller Kunstfreunde; die Einen singen Concert, die Andern malen Decorationen und stellen lebende Bilder.

Während seines fünfundzwanzigjährigen Bestehens veranstaltete der Kölner Männergesangverein zur Förderung der Kunst und zu wohlthätigen Zwecken zweihundertsechsunddreißig Concerte, davon einhundertdreiunddreißig in Köln, siebenundvierzig in England und dreizehn in Paris; zur Verherrlichung der Kunst wirkte der Verein achtzehn Mal mit. Er machte sechsunddreißig Reisen und Sängerfahrten, brachte vierundsechszig Serenaden und gab vierunddreißig Liedertafeln zum geselligen Vergnügen. Das materielle Ergebniß der öffentlichen Concerte des Vereins beträgt über dreiundfünfzigtausend Thaler, welche namhafte Summe er zu vaterländischen, vaterstädtischen und wohlthätigen Zwecken vertheilte. Der Verein verfuhr dabei so uneigennützig, daß er weder ein eigenes Local, noch baares Vermögen besitzt. Zuletzt, nachdem er lange in verschiedenen gemietheten Räumen umher nomadisirt, mußte sich die Stadtverwaltung des Obdachlosen erbarmen und räumte ihm die Rathhauscapelle zu seinem Gebrauche ein.

Als nun der fünfundzwanzigste Jahrestag der Stiftung, der 27. April 1867 herankam, schrieb der Kölner Männergesangverein ein großes Festconcert aus, und kaum trug die Presse die Kunde von dem bevorstehenden Jubelfest in die Ferne, als auch schon von allen Seiten die lebhafteste Theilnahme sich kundgab. Der Dichter Roderich Benedix, einst, während seines mehrjährigen Aufenthalts in Köln, ein eifriges Mitglied des Vereins, übernahm den Prolog und trug ihn selbst vor. Die Componisten Ferdinand Hiller, Max Bruch, J. Brambach, F. Gernsheim und Franz Weber schrieben eigens für das Fest Lieder und Gesänge, und die sämmtlichen Vereine und Corporationen, die ein gleiches Streben mit dem Kölner verfolgten, oder alte Schulden der Dankbarkeit für seine langjährige Wirksamkeit abzutragen hatten, ließen sich durch gratulirende Deputationen vertreten. Der jüngere Zweigverein, der „Sängerbund“, schloß sich sofort der Feier an und so kam ein stattlicher Chor von zweihundertsechsundachtzig Männerstimmen zu Stande. Die neuen Compositionen erforderten einige Solisten und eine junge Künstlerin aus dem Sachsenlande, Fräulein Hedwig Scheuerlein aus Halle, fand Gelegenheit, sich als vortreffliche Sängerin zu bewähren.

Von Seiten des Königs von Preußen, der als Protector des Kölner Männergesangvereins eine Einladung zur Theilnahme empfangen, und von der Königin erhielt der Jubilar ein Gratulationsschreiben nebst einem außerordentlich kostbaren Tactstock zum Geschenk. Die beiden bildlichen Darstellungen, die wir unserer Mittheilung beifügen, zeigen eine Silberkanne, die dem Vereine zur Erinnerung an die Londoner Concerte von der Königin Victoria von England verehrt wurde, und einen Ehren-Pocal, welchen die Mitglieder ihrem hochverdienten Dirigenten, dem königlichen Musikdirector Franz Weber, zum Jubiläum überreichten.

Ein seltenes Glück kann man es nennen, daß die Häupter des Vereins größtentheils heute noch, wie vor einem Vierteljahrhundert, mitwirken, vor Allem, daß es dem ersten Tenoristen, Herrn Andreas Pütz, noch heute beschieden ist, seine schöne Stimme und seine hohe Gesangesfertigkeit dem Vereine zu widmen.

Kaum jemals möchte es einer auf freier Verbindung beruhenden kleinen Corporation vergönnt gewesen sein, solche Erfolge zu registriren und eine solche Dauer nachzuweisen. Der Kölner Männergesangverein ist ein glänzendes Zeugniß für den guten Geist des deutschen Genossenschaftswesens; mag dasselbe im Allgemeinen auch mehr materielle Zwecke verfolgen, es beruht doch durchweg auf einem idealen Streben: Verbesserung und Veredlung sind seine Ziele allerwegen.




Pariser Weltausstellungs-Briefe.
Von Michael Klapp.[1]
1. Zum Eingang.

Vier Jahre werden es gerade in wenigen Tagen sein, daß ein kaiserliches Decret im Moniteur sprach: Es werde eine zweite Weltausstellung in Paris! Die Pariser waren überrascht, sie dachten an nichts weniger als an industrielle Weltfeste, sie dachten an ganz andere Dinge, die dem großen Manne in den Tuilerien nicht wenige Sorgen machten. Versprechungen mußten einmal gemacht sein und so versprach der Kaiser den Parisern für das Jahr 1867 zwar nicht die Freiheit, die sie meinen, aber die Freiheit, mit den weit von allen Meer- und Landwegen anströmenden Fremden machen zu können, was sie financiell nur immer wollten. Das war etwas, was sich immerhin hören ließ. Hinter den Tuilerien-Coulissen aber hatte man nebst der Freude der wirksamen Vertröstung der Pariser Kinder auf kommende fette Tage auch noch ein Extra-Vergnügen – man hatte Oesterreich einen kleinen Possen gespielt. In Wien hatten sie zur Zeit nämlich einen – Gedanken! Die Ausstellungslorbeeren von Paris und London sollten einmal auch für die schöne Donaustadt gepflückt werden. Der Kaiser Franz Joseph interessirte sich dafür, Schmerling und Rechberg

  1. Dieser Artikel bildet die Einleitung zu einer Reihe von Briefen über die und gelegentlich der Pariser Weltausstellung, die wir von jetzt an etwa alle vierzehn Tage regelmäßig veröffentlichen werden. Der Name des geistreichen Feuilletonisten verbürgt unseren Lesern interessante Bilder aus dem augenblicklich in Paris versammelten großartigen Völker- und Friedenscongresse.
    D. Red.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 382. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_382.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2017)