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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

Blätter und Blüthen.

Von der Erde verschwunden, so soll nach einer preußischen Instruction derjenige Ort gleichsam betrachtet werden, in welchem die Rinderpest grassirt. Und so ist es denn auch mit einigen Orten, in welchen die bekanntlich jetzt in Oberfranken und Meiningen aufgetretene verheerende Seuche herrscht. Hören wir die Schilderung eines Einwohners eines solchen Orts. Es ist das zu dem früher kurhessischen, jetzt preußischen Kreis Schmalkalden gehörige Städtchen Barchfeld, in welchem eine vom Viehhandel lebende zahlreiche Judenschaft ihren Sitz hat. „Unser Ort,“ schreibt man von dort, „ist wie ausgestorben. Grabesstille herrscht auf den Straßen, kein Fuhrwerk darf dieselben passiren, kein Huhn, kein Hund, keine Katze, geschweige ein anderes größeres Stück Vieh darf sich außerhalb der Gehöfte blicken lassen. Nur Soldatenpikets durchziehen von Zeit zu Zeit die Straßen, um, wenn da nöthig, unter dem Gebrauch der Waffen die Todtenstille aufrecht zu erhalten. Die Bewohner der Gehöfte, in welchen sich die Seuche befindet oder befand, dürfen ihre Wohnungen nicht verlassen, jede Berührung mit anderen Menschen ist ihnen auf das Strengste untersagt. Nahrungsmittel werden ihnen vor die Thür gesetzt, sie müssen dieselben nach Entfernung des Zubringenden abholen. Die Gehöfte sind militärisch abgeschlossen. Jeder andere Ortseinwohner muß, wenn er aus dem Orte, dessen ganze Ausgänge besetzt sind, hinaus gehen will, sich vorher desinficiren lassen, das heißt, er wird in eine Breterbude gesteckt und fünf Minuten lang mit Chlordämpfen geräuchert. Der Kopf wird, um das Einathmen der Dämpfe zu hindern, während der Räucherung durch ein in der Bude befindliches Loch gesteckt. Gesicht und Hände muß er mit einer flüssigen Substanz versehen. Keiner kann sich dieser Procedur entziehen, sofern er einmal draußen im Freien vor dem Orte frische Luft schöpfen, vielleicht einen Gang in seinen Garten oder auf’s Feld thun will. Auch Jeder, der von auswärts in die Nähe des Ortes kommt und auf der jetzt außerhalb des Orts verlegten Straße vorüber geht oder fährt, muß die Räucherung über sich ergehen lassen. Selbst der Herzog und die Herzogin mußten auf der Durchreise nach Liebenstein diese Gleichheit vor dem Gesetze an sich erproben. Die zartnervigere Damenwelt hat vor diesen „Desinfectionshütten“ eine gewaltige Scheu. Sie zieht es daher lieber vor, ihr Leben bis auf Weiteres hinter öden Mauern zu vertrauern. Die größte Calamität war noch, daß die viele Landwirthschaft treibende Bevölkerung wegen gänzlicher Einsperrung ihres Zugviehs ihre Felder nicht bebauen konnte. Da die Arbeit wegen der lang anhaltenden schlechten Witterung ohnedies in diesem Frühjahre sehr drängte, so spannten sich die Menschen in der ersten Rathlosigkeit selbst an den Pflug, bis auf polizeilichem Wege die Bebauung der Felder durch Viehbesitzer aus den Nachbarorten angeordnet wurde. Glücklicherweise hat in den letzten Tagen sich kein ‚neuer Pest-Fall‘ gezeigt. Wir sehen einem solchen mit Angst und Schrecken entgegen, denn er verzögert unsre Befreiung um wieder vier Wochen.“




„Handeln die Thiere nur mit Instinct, oder auch mit Ueberlegung?“ Ein langjähriger Freund unserer Familie, Dr. M..…, theilte bei seinem letzten Besuche einen neuen Beweis für die oft eminente Intelligenz der Singvögel mit.

„Als ich,“ so berichtete er, „vor Kurzem den zur Zeit unbewohnten, einer mir befreundeten Familie gehörigen Landsitz auf einem Spaziergange berührte, stattete ich dem daselbst angestellten, mir ebenfalls bekannten Gärtner einen Besuch ab. Derselbe ist ein großer Vogelliebhaber und besitzt zwei Kanarienvögel, einen Hänfling und eine Finkmeise. Diese Vögel sind sehr zahm und fliegen am Tage oft frei in der Stube umher. Der Gärtner wußte von der Finkmeise manche Schelmenstreiche gegen die übrigen Vögel zu erzählen und lieferte mir dazu einen Beweis.

Er streute nämlich in einige Käfige frisches Futter. Sogleich flogen die Vögel mit Ausnahme der Finkmeise herbei und gingen in den ihnen zunächststehenden Käfig, wo sie sich das ausgestreute Futter sehr gut schmecken ließen. Kaum hatte jedoch die Finkmeise bemerkt, daß die übrigen Vögel sich in dem einen Käfig befanden, so flog sie wie ein Pfeil herbei und schlug die Thür dieses Käfigs zu, worauf sie sich in einen andern Käfig begab und ungestört fraß. Nachdem der Gärtner die eingeschlossenen Vögel befreit hatte, streute er plötzlich Futter in den Käfig der Finkmeise, diese jedoch flog mit großer Geschwindigkeit hinein, schlug die Thür zu und ließ den übrigen Vögeln das Nachsehen, indem sie sich das Futter trefflich schmecken ließ. Nach einem jeden dieser Schelmenstreiche erhebt sie ein betäubendes Triumphgeschrei. Noch verdient Erwähnung, auf welche Art das kluge Vögelchen das Auf- und Zuschlagen der Käfigthüren bewerkstelligt. Diese Thüren sind wie die gewöhnlichen Stubenthüren gebaut, und die Meise flattert auf den obern Rand der Thür und wirft sie durch Schaukeln zu, indem sie durch Abspringen den geeigneten Stoß giebt. Auch macht sie die Thüren durch Andrücken der Brust wieder auf, wenn sie sich gesättigt hat.“

Dresden.

A. K.




Ein neues Kunstwerk der Bildwirkerei. Unsere Leser erinnern sich jenes „Heinrich des Vierten in Canossa“, den wir nach dem großen Oelbilde Plüddemann’s in Nr. 16 der Gartenlaube von 1862 in einem trefflichen Holzschnitt mittheilten. Diese Copie liegt nun als ein in Seide gewebtes Bild vor uns. Herr H. F. Schaller, Manufacturzeichner und Kartenschläger zu Ernstthal in Sachsen, hat dasselbe als eine Probe, bis zu welchem Grade der Kunstfertigkeit und Vollkommenheit es im Fache der Weberei gebracht wurde, für die Chemnitzer Gewerbeausstellung dieses Jahres herstellen lassen. Wie mühselig diese Arbeit ist, erkennt auch der Nichtsachverständige an den Angaben, daß zu diesem 93/4 Zoll breiten und 143/4 Zoll hohen Bildgewebe nicht weniger als eintausend einhundert sechsundsiebenzig Kettenfäden, dreitausend dreihundert Einschläge oder Schüsse und demnach zusammen sechstausend sechshundert Musterkarten gehörten. Dasselbe Bild wird in Wolle 53/4 Leipziger Ellen hoch und 33/4 Ellen breit hergestellt. Der Werth dieser gewebten und gewirkten Bilder besteht bekanntlich in ihrer Dauerhaftigkeit, und eben deswegen wendet man diese technische Kunst nur für Kunstwerke an, die eines solchen Aufwandes von Mühe, Zeit und Kosten für den Vorzug ihrer Dauerhaftigkeit werth sind. Wir freuen uns, daß Herrn Schaller zu dem von ihm bevorzugten Gegenstande der patriotische Wunsch hinzog, daß dieses deutscher Industrie entsprungene Bild in jedem Beschauer den Muth des deutschen Mannes wach rufen möge, „damit ein Jeder nach seinen Kräften dazu helfe, daß solche Schmach (wie Deutschland damals in seinem Kaiser erlebt) in unseren Zeiten auch auf andere Weise nicht wiederkehre.“




Kleiner Briefkasten.


Der „achtjährigen Abonnentin“. Da nicht alle Leser der Gartenlaube Bräute oder angehende Hausfrauen sind, so möchte Ihre „alltägliche Geschichte“, die übrigens von einem recht hübschen Talente für Kleinmalerei aus dem Haus- und Familienleben zeugt, nicht das nachhaltige Interesse finden, das Sie selbst gewiß Ihrer Erzählung wünschen.

Alexander Schulte in Saarbrücken. Geniren Sie sich nicht mit Ihren Angriffen auf die Gartenlaube und ihr „Rom am Rhein“; diese wird unbeirrt davon ihren Weg weiter wandeln und bekennen, was sie und mit ihr das gesammte unbefangene Publicum aller Confessionen für wahr hält. Allerdings hat die Geschichte über den Jesuitenorden ihr Urtheil abgegeben, dasselbe lautet aber ganz anders, als das Ihre. Schlauheit und Geschicklichkeit hat ihm noch Niemand abgesprochen, und diese Schlauheit, verbunden mit einer wohlberechneten Organisation und einem Zurückbeben vor keinem Mittel, ist es gewesen, wodurch er über die ganze Welt sich verbreitet, wenn auch nicht Bürgerrecht gefunden hat, wie Sie sagen. Bürgerthum und Jesuitismus sind Gegensätze, wie sich schlagendere nicht denken lassen.

Germain. Zu freisinnig sind uns Ihre Gedichte nicht, aber zu – schlecht.

L. B–s. in St. L–s. Immer nur Stoffe aus dem dortigen Leben, nicht allgemeine Betrachtungen wie der letztgesandte Artikel, der ebenso gut an dem Gestade der Pleiße hätte geschrieben werden können.

Br. in J–l. Geduld! Nach und nach werden Sie Alles finden. Artikel über Sch. unbestimmt.

J. H–l in R–u. Sie haben wohl vergessen, was wir schon mehrere Male bemerkten, daß wir Einsendungen von Manuscripten und Zeichnungen etc., die uns ohne unsre Aufforderung gemacht werden, nur annehmen, wenn sie frankirt sind.

S. in Cl–thal. Ist leider den Weg alles Fleisches gewandelt.




Freiligrath-Dotation.


Bei dem Barmer Haupt-Comité sind wiederum eingegangen: Durch Philipp in Elbing 50 Thlr.; gesammelt vom Freiligrath-Comité in Essen, durch W. Lürenbaum 300 Thlr., wovon 50 Thaler von der Gesellschaft „Glocke“; von R. L. F. in Elberfeld 5 Thlr.; gesammelt durch Fritz Hoddick in Langenberg 30 Thlr.; von Fr. Harkort und Hammacher 10 Thlr.; vom Freiligrath-Comité in Bingen durch Leop. Feist 57 Thlr.; von F. Itzig in Burgsteinfurt durch denselben gesammelt 18 Thlr. 15 Ngr.; aus Barmen: H. und R. E. 50 Thlr.; H. und O. J. 25 Thlr.; Scherz in der Barmer Pfalz 4 Thlr. 20 Ngr.; R. N. 11 Thlr. 10 Ngr.

Bei der Redaction der Gartenlaube: Liedertafel in Greiz 2 Thlr.; aus Rusinow bei Kruschwitz durch Eduard Lange 1 Thlr. 15 Ngr.; W. U. in W. 1 Thlr.; Ertrag einer musikalisch-declamatorischen Abendunterhaltung des Turnvereins in Dessau 14 Thlr.; Gesellschaften Liederkranz, Frohsinn und Blechmusikverein in Lindau 50 Thlr.; Turner in Mannheim und Frankenthal 10 Thlr.; M. Riedel in Leipzig 1 Thlr.; Verein T. in Meerane 1 Thlr.; Dr. Schreiber in Quedlinburg 5 Thlr.; F. S. in Schweinfurt 3 Thlr.; R. H. aus H. 2 Thlr.; von Verehrern des Dichters aus Stadt Norden 27 Thlr. 20 Ngr. 7 Pfg.; J. B. 1 Thlr.; Sammlung in der Gesellschaft der sog. Abendschule in Nassau-Weilburg (22 fl. 11 Xr.) 12 Thlr. 21 Ngr.; Turnverein in Schweinfurt 6 Thlr.; Gewerbeverein in Dessau 10 Thlr.; Wiener Männergesangverein mit dem Motto: „Frei und treu in Lied und That“ 10 Ducaten; aus Holland (125 fl.) 70 Thlr. 25 Ngr.

Die Redaction.




Inhalt: Das Geheimniß der alten Mamsell. Von E. Marlitt. (Fortsetzung.) – Die Dorfsibylle. Mit Illustration. – Die Biene. Gedicht von Leopold Schefer. – Die letzten Tage eines Agitators. Von einem Augenzeugen. – Aus deutschen Gerichtssälen. 2. Ich habe ja nichts Böses thun wollen! – Ein deutsches Sangesjubelfest. Mit Abbildungen. – Pariser Weltausstellungs-Briefe. Von Michael Klapp. 1. Zum Eingang. – Blätter und Blüthen. Von der Erde verschwunden. – Handeln die Thiere nur mit Instinct, oder auch mit Ueberlegung? – Ein neues Kunstwerk der Bildwirkerei. – Kleiner Briefkasten. – Freiligrath-Dotation.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 384. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_384.jpg&oldid=- (Version vom 12.11.2020)