Seite:Die Gartenlaube (1867) 400.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

meiner Hand losgemacht und entfernt; nach wenig Augenblicken aber kam sie mit einem ihrer Kränze wieder zurück und breitete denselben über das Antlitz des Todten; in seine gefalteten Hände gab sie ihm die Rose, welche sie selbst bis jetzt in ihrer Hand getragen. Der Sänger und Spieler mochte das bemerkt haben, denn er ließ das Instrument von Neuem ertönen und er präludirte: „die letzte Rose“. Wer sollte nicht diese herrliche Melodie kennen? Unter ihren tief ergreifenden Klängen verließen wir und viele der fremden Besucher das große, weite Schmerzenshaus. Vor unserm Weggang schon hatte die schwergeprüfte Dulderin, die Braut des eben Verschiedenen, am Arme des geistlichen Herrn dasselbe verlassen.[1]




Ferdinand Stolle’s Frühling auf dem Lande. In dem Augenblicke, in welchem ringsumher der Frühling alle seine Reize entfaltet, dürfte es auch an der Zeit sein, die Aufmerksamkeit wiederum auf dieses reine und thaufrische Product zu lenken, das ein Frühlingsidyll ist, so zart und sinnig, wie es in unserer neueren Literatur kaum jemals gedichtet, ein von den schwellendsten Accorden zu dithyrambischem Jubel anschwellender Frühlingshymnus, wie er in so fesselnder Weise von allen unseren lyrischen Mai- und Lenzmusikanten noch nicht gesungen wurde. Es ist über die Berechtigung der Natur- und Landschaftsmalerei der Poesie viel gestritten worden. Aber schon das einfache Gefühl, der unmittelbare Eindruck entscheidet die Frage dahin, daß derartige Bilder und Schilderungen überall auch in der Dichtung ihre vollauf berechtigte Stelle haben, wo sie innig mit einer lebendigen Handlung verbunden, so gesund und ungesucht auftreten und dabei von der sicheren Hand eines berufenen Kenners und Meisters so liebevoll und sauber ausgeführt, so anmuthig und in geschmackvollster Gruppirung uns dargeboten werden, wie es in diesem Buche geschehen ist, in dem wir die gesunderen und heut noch lebensfähigen Seiten der Matthisson’schen Richtung mit den Anschauungen der fortgeschrittenen Wissenschaft sowohl, als mit dem volksthümlichen Geiste, der kräftig naiven Auffassung Hebel’s und Uhland’s zu einer Wirkung vereinigt sehen, die sich als eine durchaus poetische bezeichnen läßt.

Stolle führt seine Leser nicht an den „Busen der Natur“ und in die Abgeschiedenheit des Landlebens, um sie hier müßig träumen und schmachten, blos empfindungsselig sich einschläfern, die Aufgaben der ringenden Culturwelt, den Ernst einer menschlichen Existenz vergessen zu lassen. Es ist vielmehr der auszeichnende Reiz und Vorzug seiner Schilderungen, daß er uns die Schöpfung in der freudigen Unermüdlichkeit ihres segenspendenden Wirkens zeigt und durch die sinnige Betrachtung und Deutung ihrer wunderbaren Thätigkeit auch in der Menschenbrust die Freude an rüstigem Thun und Schaffen, den Sporn zu wirkungsvollem Streben weckt.

Mit dem Erwachen und der Entfaltung des Frühlings in einer freundlichen Gebirgsgegend, umgeben also von einer wechselnden Scenerie blühenden und duftenden, strahlenden und klingenden Lebens, entfaltet sich vor unseren Augen die Geschichte einer kleinen, aber nicht gestaltenarmen Menschenwelt, an deren engem und stillem Kreise die großen Humanitäts- und Bildungskämpfe der Zeit, die erschütternden Bewegungen, Schmerzen und Verirrungen unserer nächsten Gegenwart nicht spurlos vorübergegangen sind. Die Entwickelung dieser kleinen, in so überaus lieblicher Staffage sich bewegenden Erzählung ist spannend und befriedigend, die Charakteristik in der bekannten Manier des Verfassers schlicht, treuherzig, warm und lebenswahr, nicht ohne einen harmlosen Anflug jenes drollig-realistischen Humors, mit welchem der alte Schelm und Spaßvogel das Aufkommen weichmüthiger und überschwenglicher Stimmungen so liebenswürdig zu paralysiren und dem eben noch thränenfeuchten Gesichte des Lesers ein herzhaftes Lachen zu entlocken weiß.

Daß das freundliche Buch übrigens nicht blos künstlerisch werthvoll, sondern schon wegen seiner Fülle von herrlichen Liedern, schönen Gedanken und praktischen Lebensregeln auch ein echtes Volks- und Familienbuch für alle Stände, ja sogar – wenn wir uns eines durch dogmatisch-homiletische Salbadereien längst in Mißcredit gerathenen Ausdrucks bedienen dürfen – eine Erbauungsschrift im besten Sinne des Wortes ist, wurde bereits früher von der Kritik anerkannt. Mag man auch im Einzelnen, in politischer und religiöser Hinsicht, mit der gar zu genügsamen Freisinnigkeit des Dichters, seinem eine gemüthliche Vermittelung der unvereinbarsten Gegensätze anstrebenden Standpunkte nicht einverstanden sein, durch das Ganze weht doch der Hauch der Zeit, ein heller und lichtvoller Ton, der läuternd und veredelnd durch die Häuser und Herzen zu ziehen und kampfesmüde Seelen zu erfrischen vermag, wie eine fröhliche Berg- und Waldfahrt in schwülen Sommertagen.




Handeln die Thiere nur aus Instinct, oder auch mit Ueberlegung? Bei einem frisch gefallenen Schnee des Jahres 1842 hatte ich einen Fuchs in einem Bau eingekreiset, welcher lebend ausgegraben und zur Parforcejagd verwendet werden sollte. Der Bau war seicht, der Hund lag vor und nach wenig Arbeit kamen wir auf die Röhre und den Fuchs. Ich nahm eine parat gehaltene Gabel, stellte sie auf den Hals des Fuchses und drückte ihn nieder, gab sodann die Gabel in die Hand des Kreisers, faßte den Fuchs mit beiden Händen an den Lauschern (Ohren), zog ihn aus der Röhre heraus und hielt ihn dem Dachshund zum Beißen hin. Schon beim Herausziehen gab der Fuchs kein Lebenszeichen von sich, auch da nicht, als ihn der Hund biß. Der Kreiser und sämmtliche Anwesende hielten ihn für todt; ich konnte mir dieses jedoch nicht denken, da ihm weiter kein Leid, als das ganz kurze Zeit dauernde Festhalten mit der Gabel, geschehen war. Auch hatte ich schon ähnliche Fälle von Verstellungen mit Füchsen erlebt. Ich ließ mir nunmehr den parat gehaltenen Sack geben, steckte ihn hinein, legte den Sack, nachdem er fest zugebunden, auf den Boden und verhielt mich mit meinen Leuten etwa fünf Minuten ganz ruhig. Der Fuchs regte sich nicht, auch da nicht, als ich den Dachshund wieder an den in dem Sack Befindlichen beißen ließ. Nach etwa dreiviertel Stunden kamen wir mit unserem Fuchs beim Eintritt der Nacht in der Wohnung des Kreisers an. Hier wollte ich mich nun überzeugen, ob der Schlaue wirklich noch lebe oder nicht. Die Wohnstube wurde zugemacht, zwei Männer mit kräftigen Stöcken an die Fenster gestellt, ich machte den Sack auf und schüttelte den Fuchs bis an die Oeffnung des Sackes. Läufe und Kopf hingen herab und die Augen waren halb geschlossen, gerade wie bei einem todten Thiere. Nunmehr glaubte ich ebenfalls, er sei todt, hielt ihm ein brennendes Licht bis auf einen Zoll Entfernung vor die Nase, doch er rührte sich nicht. Nun ließ ich das Licht von Jemand Anderem und zwar etwas höher halten, tippte ihn mit dem Finger zwischen die Augen auf die Stirne, worauf er einen heftigen Zuck, jedoch nur mit den Augen that.

Nunmehr wußte ich, daß er noch lebte, verwahrte ihn in den Sack und machte mich auf den Heimweg in’s Forsthaus, welches eine gute halbe Stunde von der Wohnung des Kreisers entfernt lag. Der Fuchs gab auch bis dahin, nachdem er volle zwei Stunden in dem Sack zugebracht, kein weiteres Lebenszeichen von sich. Im Forsthaus angekommen, wurde im Hausplatz ein Faß aufgestellt und ein hierzu gehöriger Deckel parat gelegt, der Sack über das Faß gehalten und der Fuchs bis an die Oeffnung des Sackes geschüttelt. Aber auch hier, gerade wie in der Wohnung des Kreisers, ließ er bei halb geschlossenen Augen, Kopf und Vorderläufe hängen und zeigte nicht die geringste Spur des Lebens. Jetzt faßte ich mit der rechten Hand den Deckel und mit der Linken ließ ich den Fuchs in’s Faß fallen. Doch in demselben Moment, als der Fuchs den Boden erreichte, that er einen Satz bis an den Rand des Fasses und nur das rascheste Zuschieben des Deckels verhinderte das Herausspringen des Listigen. Nunmehr machte er gewaltsame, jedoch vergebliche Versuche zum Entkommen.

Schließlich sei noch bemerkt, daß der Fuchs ein sehr starkes und dem Aussehen nach ein ziemlich altes Exemplar gewesen, zu noch sechs seiner Gefährten in einem Bau, welcher mit einer tief in die Erde gehenden Mauer umgeben wurde, gebracht, unter dieser sich mit seinen Genossen durchgearbeitet und sie sämmtlich das Weite gefunden.




Ein Handwerksbursche beim Toilettemachen, dieses Bild aus einem Stückchen deutschen Volkslebens, das vor zwei neuen mächtigen Erscheinungen, den Eisenbahnen und der Gewerbefreiheit, bald zu einer immer seltneren Erscheinung des alten Gewerbstreibens zusammenschwinden wird, hat ein junger talentvoller Thüringer uns vor Augen geführt. Möglich, daß erst das Läuten der Sonntagsglocken von dem Thurme des Städtchens da unten den frischen Wanderburschen auf die nothwendige Verschönerung seines äußeren Menschen aufmerksam gemacht und veranlaßt hat, den Wanderstab in den Chausseesteinhaufen und obendarauf seinen Wachstuchhut zu stecken, um den Taschenspiegel und den Haarkamm ungenirter handhaben zu können. Er thut’s mit sichtlichem Wohlgefallen an sich selber, und wie auf der Landstraße wird ihm auch hier im Bilde Jedermann gern zusehen. Das liebliche Genrestückchen verdanken wir dem kunstfertigen Griffel Adolf Karst’s, eines geborenen Erfurters, der in Berlin und München seine Kunststudien machte und gegenwärtig in Dresden lebt. Sein „Kehrkönig“, ein Essenkehrer, der stolz auf der Höhe eines Schornsteins thront, ist durch den Witthöf’schen Stich in größeren Kreisen längst bekannt, ebenso seine Stadtmusikanten am Pfingstmorgen und vieles Andere, womit er die das heitere volksthümliche Genre liebenden Kunstfreunde bisher zu erfreuen gewußt hat.




Freiligrath-Dotation.


Bei dem Barmer Haupt-Comité sind wiederum eingegangen: Vom Vorstand des Copernicus-Vereins für Wissenschaft und Kust in Thorn 30 Thlr.; A. B. in Elberfeld 10 Thlr.; Comité zu Hamm durch Herrn Uhlendorff 217 Thlr. 15 Ngr.; Comité zu Düsseldorf durch Th. Eichmann 330 Thlr.; Comité Rheydt durch Dr. von der Nahmer 94 Thlr.; Kölner Turnverein 25 Thlr.; J. D. in Bodenheim 11 Thlr. 13 Ngr.; Comité zu Crefeld durch Wilh. Jentges und Genossen 510 Thlr.; F. A. Knipping in Cleve 3 Thlr.; kaufmännischer Verein in Mannheim 48 Thlr. 1 Ngr. 6 Pfge.; Comité in Hörde durch W. Bosenhagen 148 Thlr. 5 Ngr.; Hörder Turnverein 25 Thlr.; Karl Henke in Parchim 60 Thlr.; aus Barmen: M. Th. 5 Thlr. J. H. 10 Thlr.; H. v. K 5 Thlr.

Gesammt-Einnahme bis heute 4192 Thlr. 29 Ngr. 6 Pfge.

Bei der Redaction der Gartenlaube: Lesekränzchen in Chemnitz 10 Thlr.; Männergesangverein Liedertafel in Gera 5 Thlr.; W. O. in St. Gallen 5 Thlr.; Joh. F. aus S. 1 Thlr.; mehrere Stammgäste aus Blau’s Bierstube in Crimmitzschau 6 Thlr.; Albert Traeger 20 Thlr.; C. und H. Keilberg 10 Thlr.; Koch in Gohlis 1 Thlr.; Eduard in Dresden 1 Thlr.; Verein für Geselligkeit zu Halle in Westphalen 28 Thlr.; Männer-Turnverein in Wien 45 fl.; aus Alsfeld 15 Thlr.; 3 Thlr. für zwei Exemplare des Freiligrath’schen „Glaubensbekenntnisses“.

Die Redaction.




Inhalt: Das Geheimniß der alten Mamsell. Novelle von E. Marlitt. (Fortsetzung.) – Gang durch die Festhallen der sächsisch-thüringischen Industrie. Von Friedrich Hofmann. – Herzog Karl August und sein Leibjäger. 1. – Diesseits und jenseits der Alpen. Illustrirte Erinnerungen von L. Löffler. I. Mit Abbildungen. – Blätter und Blüthen: Robert Blum und der arme Poet. – Episode aus dem letzten deutschen Kriege. – Ferdinand Stolle’s Frühling auf dem Lande. – Handeln die Thiere nur aus Instinct, oder auch mit Ueberlegung? – Ein Handwerksbursche beim Toilettemachen. Mit Abbildung.– Freiligrath-Dotation.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
  1. Kann auch die wortgetreue Wahrheit dieser Episode von dem Erzähler, der nicht selbst Zeuge war, nicht verbürgt werden, so ist doch das Factum selbst durchaus unzweifelhaft.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 400. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_400.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2017)