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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

Außer den genannten zwölf Statuen gehören zum Schmuck und zur Vervollständigung des Denkmals noch am Hauptpostament, das sich auf besonderer dreifacher Stufenschicht achtzehn Fuß, in einen Sockel und zwei Würfel getheilt, erheben wird, die Wappen von sechs Fürsten und zwei Städten, die am Sockel Platz finden, ferner am untern Würfel vier Erzreliefs, welche die wichtigsten Ereignisse und Errungenschaften der Reformation (Anschlag der Thesen zu Wittenberg, Reichstag zu Worms, Abendmahl und Priesterehe, Bibelübersetzung und Predigtamt) darstellen, und am obern Würfel vier Inschriften und darunter acht Portraitmedaillons von Mitkämpfern am gefeierten Werke. Auf den inneren Flächen der Mauerzinnen werden die Wappen von etwa dreißig Städten, welche zuerst der neuen Lehre ihre Kirchen und Schulen öffneten, in Erz prangen.

So wird das Denkmal einst zu Worms aufragen und durch sein wehrhaftes Bild auf den ersten Blick uns an das alte hehre Kampflied des Protestantismus mahnen, den Triumphgesang des unerschütterlichsten Gottvertrauens:

Unsere Leser wissen, daß dieses ohne Zweifel größte und würdigste Monument Deutschlands das letzte Werk des edlen Rietschel in Dresden war und daß der zu früh vom Leben Abberufene die Vollendung desselben seinen Schülern Kietz und Donndorf hinterließ; nur Luther und Wycliffe sind noch von seiner Hand modellirt. Die Beiträge aus der protestantischen Welt für das Monument sind reichlich geflossen; nach dem letzten Bericht des Wormser Comité betrug die Einnahme bis zum 18. Januar dieses Jahres 170,722 Fl., die Ausgabe bis ebendahin 196,964 Fl. Die Enthüllungsfeier des Denkmals ist für den Juni des nächsten Jahres bestimmt.

Ein Rückblick in unsern Saal läßt uns jetzt, wo das Wormser Denkmal in unserm Geiste fertig vor uns steht, hinter den Reformatorenstatuen auch andere Meisterwerke der Bildhauer- und Gießkunst sichtbar werden, namentlich das Modell des Ritter St. Georg (von Kiß), dessen Bronzeguß den Berliner]] Schloßhof schmückt, und einen Sarkophag mit der lebensgroßen Figur des Verstorbenen (des Commmercienrath Ravené); Beide contrastiren zwar ein wenig mit unserer Glaubens-Heroenschaar, lenken aber unsere Aufmerksamkeit der Anstalt selbst zu, deren Ruf und Bedeutung allein die großen Schwierigkeiten zu überwinden vermag, welche die Ungunst der Lage ihrem Betriebe bereitet.

Um nicht so viel Holz nutzlos verfaulen zu lassen und um dem armen Wendenvolke der Umgegend etwas zu thun zu geben, beschloß eine Herrin von Mückenberg vor fast anderthalbhundert Jahren hier die Anlage eines Eisenhammers. Am 25. August 1725 wurde der Hohofen in Betrieb gesetzt. In den Besitz der Gräflich Einsiedel’schen Familie kam das Eisenwerk 1776; unter ihr wurde der erste größere Kunstguß ausgeführt und 1803 die erste Dampfmaschine angelegt. Die Entwickelung ging von da an in Riesenschritten vor sich, denn während am Anfang unseres Jahrhunderts Lauchhammer erst etwa hundertundsechszig Arbeiter und Beamte hatte, zählen wir heute fünfundzwanzig Beamte, vierzig Meister und Vorsteher und tausend Arbeiter mit wohl zweitausendfünfhundert Familiengliedern, ungerechnet das sehr zahlreiche Fuhrwerkspersonal.

Der Raum unsers Artikels gestattet uns leider nicht, unsere Leser durch die ganze lange Reihe der Werkstätten dieses Etablissements zu führen, wo die verschiedenartigste Thätigkeit schon dem Vorbeigehenden mit allen möglichen Schallweisen sich bemerklich macht, wo es braust und zischt, klippert und klappert, wo man beschickt und schmilzt, formt und gießt, putzt und montirt, schleift und polirt, schmiedet und feilt, bohrt und dreht, schwärzt und bronzirt, niellirt und galvanisirt, versilbert und vergoldet, beizt und emaillirt, zeichnet und photographirt, modellirt und decorirt etc.; auch an den Niederlagen müssen wir vorübergehen, obwohl sie fast jederzeit ihre eigenen und oft recht sehenswerthe Industrie- und Kunstausstellung umschließen – war doch erst jüngst ein prachtvolles Eisen- und Glashaus für den Vicekönig von Aegypten hier zu bewundern –; wir glauben vielen unserer Leser einen nützlicheren Dienst zu leisten, wenn wir uns längere Zeit in den Räumen der Bronzegießerei und in den Ciselirwerkstätten aufhalten, die erst 1838 auf des großen Bildhauers Rauch Veranlassung in Lauchhammer begründet worden sind.

„An betäubenden Lärm muß das Ohr sich hier gewöhnen, wenn es anfangs auch den Augen schwer wird, sich durch denselben nicht beirren zu lassen. Ich werde die lautesten Hantirer im Nothfall zum Schweigen bringen.“ Mit diesem freundlichen Trost öffnete unser dem höheren Beamtenthum der Anstalt angehöriger Führer die Thür zur Gießerei. Ein riesiger Pferdekörper zog den ersten Blick auf sich; eine Anzahl Former war beschäftigt, die äußere Form für denselben zu bilden. Gleich daneben hatten andere den Oberkörper eines kolossalen Reiters in Arbeit, und quer her lag ein Pferdebein, das offenbar zu Roß und Reiter gehörte. Das sind Anfänge zu dem neunzehn Fuß hohen Denkmale, welches, nach Professor Wolff’s Modell, dem König Friedrich Wilhelm dem Dritten im Lustgarten zu Berlin gesetzt werden soll. Uns zur Linken wendend zeigte man uns eine tiefe Dammgrube, in welcher so eben der Kern – der Theil einer Form, durch welchen die innere Hohlung eines Gußstücks gebildet wird – einer sechs Fuß hohen Statue Friedrich Wilhelm’s des Vierten getrocknet wurde. Die äußere Form derselben lag in sechs größeren aus vielen kleinen Stücken zusammengesetzten Theilen daneben. Dieses Denkmal, von Prof. Blaeser modellirt, ist für die Burg Hohenzollern bestimmt. An zwei Seiten über der Dammgrube können in zwei großen sogenannten Flammöfen bis zu dreihundert Centner Bronze, die bekanntlich aus einer Legirung von Kupfer, Zinn und Zink besteht, auf einmal geschmolzen werden. Die Form einer Büste Graun’s, des Componisten, ferner einer Reiterstatuette eines englischen Generals, für einen Londoner Bildhauer, und viele kleine Gußsachen dienten nur als Staffage zu dem belebten Bilde dieser Werkstätte, über das ein gewaltiger Krahn höchst väterlich seinen nach allen Richtungen drehbaren langen Arm ausstreckt.

Unser Führer ließ nun eine schwere eiserne Thür zur Seite öffnen. Aus stockfinsterem Raum strahlte erstickende Hitze uns entgegen. Erst nachdem eine Gasflamme uns leuchtete, konnten wir in der Hölle, der sogenannten Dachkammer, eine Menge Formen zum Austrocknen über einander geschichtet erblicken, eine unentbehrliche Vorrichtung, da in ungetrockneten Formen nicht gegossen werden kann.

„Ehe wir in die Werkstätten der Ciseleure treten,“ wandte sich unser freundlicher Führer an uns, „erlauben Sie mir einige Bemerkungen über die Kunstthätigkeit des Formers und Ciseleurs. Der Former hat das betreffende Modell abzuformen, d. h. in einer Formmasse abzudrücken, welche die feinsten Eindrücke annimmt, so porös ist, daß sie beim Guß die in der Form befindliche Luft und die sich entwickelnden Gase entweichen läßt, und so haltbar, daß sie der Gewalt des Metallstromes widerstehen kann. Dieses Abdrücken geschieht in vielen kleinen Stücken, die zusammengesetzt werden und dann die ganze Form bilden. Wäre dies z. B. die Form einer großen Statue und wollte man sie so ohne Weiteres zum Guß benützen, so würde man ein massives und wegen der Menge des alsdann erforderlichen Metalls nicht nur sehr schweres, sondern besonders sehr kostspieliges Standbild erhalten. Man gießt darum den Gußgegenstand hohl und giebt ihm nur eine seiner Größe angemessene Metallstärke; dies bewirkt man durch Herstellung eines Kernes in der Form. Man belegt nämlich die ganze innere Fläche der Form mit einer weichen gewalzten Thonplatte so dick, als der Metallguß stark sein soll, dann gießt man den übrig bleibenden Raum mit einer Kernmasse aus. Ist letztere erstarrt, so nimmt man die Form in ihre Theile auseinander, entfernt nun die Thonplatte, säubert und trocknet Kern und Form und setzt dann diese wieder um jenen herum. Bei großen Statuen erhält der Kern auch wohl ein Eisengerippe. Die jetzt gußfertige Form wird mit Hülfe des Krahns in die Dammgrube versenkt und fest mit Dammerde umgeben, um sie vor dem Zerspringen zu sichern.

‚Gott bewahr’ das Haus!‘ Es kommt nun der hochpoetische Augenblick, wo der zischende Metallstrom aus dem Flammenofen hervorspringt und nach kurzem sprühendem und dampfendem Laufe durch die vom Former in der Form angebrachten Canäle unter die Erde versinkt, um als eherne Gestalt wieder aufzustehen.

Tritt aus der zerschlagenen Form das gelungene Gußstück hervor, so beginnt die Arbeit des Ciseleurs mit Feile, Meißel und Hammer. Während der Former eine mehr mechanische Aufgabe zu lösen hat, ist das Ciseliren eine Kunst, zu deren Ausübung nicht nur große technische Fertigkeit, sondern künstlerische, durch fleißiges Zeichnen, Modelliren, Studium der Anatomie, Kunstgeschichte etc. erworbene Ausbildung gehört, denn ihre Aufgabe

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 430. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_430.jpg&oldid=- (Version vom 29.1.2017)