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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

Wien anzunehmen. Hier wohnt er jetzt im Winter, aber der Sommer sieht ihn regelmäßig mit Stutzen und Rücksack auf den Schroffen Steierlands den Hirschen und Gemsen nachstellen. –

Die Sonne wirft lange Schatten; der Ost weht herüber über die weite, ruhige Spiegelfläche des Sees; es wird kühl hier. Da packe ich meine Schreibereien ein, nehme sie sammt der Chronik unter den Arm und lade meine Leser ein, in das Zimmer des äußerlich sehr einfachen Wirthshauses zu treten.

„Wohin soll ich Ihnen decken?“ fragt mich die Wirthin, und ich antworte: „Ei, an den Künstlertisch!“ Die Leser sehen mich deswegen fragend an und glauben, weil ein neuer Wirthschaftspächter und also auch eine neue Wirthin da seien, würde mein Wunsch wohl kaum erfüllt werden können; allein wer je im südlichen Deutschland, namentlich in Baiern, Tirol und Oesterreich eine Wirthsstube betrat, der erinnert sich der Zunftschilder, welche bunt bebändert über den weißen Ahorntischen von der Decke herabhängen, zum Zeichen, daß hier allein die Fischer, dort die Schmiede, oder die Holzhauer etc. zu zechen berechtigt sind. Welche Innung nun am meisten im Orte vertreten ist, deren Schild hängt auch über dem größten Tische. Auch Nichthandwerker haben solche gestiftet, man sieht sie für Jäger, Holzhauer; die Fuhrleute aber stiften gewöhnlich einen wohlbespannten und bepackten Frachtwagen von Holz, die Flößer ein Floß, die Schiffer einen Kahn, schön blau-weiß in Baiern, roth-weiß in Tirol, schwarz-gelb in Oesterreich angestrichen. Auch über dem Ecktisch des Frauenchiemseer Wirthshauses hängt ein solches Blechschild; auf der einen Seite sieht man die drei silbernen Ziegel im blauen Feld, welche einst Maximilian der Erste Albrecht Dürer als Wappen verliehen und von dem es die deutsche Künstlerschaft geerbt hat; auf der andern Seite erblickt man in der Mitte das Wirthshaus der Insel, bei welchem links ein dünnes, mageres Mitglied derselben eben ankommt, um auf der rechten rundlich genährt und fröhlich schmunzelnd wieder fort zu ziehen, und darüber prangen in fast unleserlich gewordener Schrift die Verse:

„Willst du wissen, wie man lebt in diesem Haus?
[links] So gehst du herein und [rechts] so gehst du heraus!“

Es war im Jahre 1841, als der Vorredner des „Unsinn brütenden Raths“, E. Seiberts, den Beschluß faßte, ein Innungsschild zusammen mit dem talentvollen Buchhändlersohn J. Fr. Lentner aus München zu malen, demselben, welcher später mit Lud. Steub so geschickte Briefe über das glaubenseinheitliche Tirol für die „Allgemeine“ schrieb, daß sie die schwarze Masse dort in große Aufregung versetzten, während die Abel’sche Censur gesegneten Andenkens nichts Verdächtiges, am wenigsten jedoch Beleidigendes gegen ihre tonsirten Freunde ahnte. Gleichzeitig aber verfaßte der schreibkundige Lentner die Chronik, woraus ich die Daten schöpfte und die als Vorrede dem Fremdenbuche vorausgesetzt ist, in welches die Jünger und Freunde der Kunst Namen, Bild und Lied eintrugen und noch eintragen, welches aber den Händen der Polizei, als ein liber sacer auch sonst Unberufenen verschlossen blieb, denn die jüngste Tochter der Dumbser, welche im Hause als Kellnerin fungirte, frug Jeden, der dies Buch wünschte: „Sind Sie aber auch Künstler?“ Erst später in den sechsziger Jahren haben Nichteingeweihte dies Heiligthum mit schlechten Versen und platten Witzen entweiht.

Wie bei jedem Reiche ging dem Verfalle unserer Republik ein goldenes Zeitalter voraus, dessen Culminationspunkt 1841 zu setzen sein dürfte. In diesem Jahre sehen wir das Reich mächtiger als je, die Eroberungslust nahm zu, man bereitete sich zu Angriffen auf benachbarte Wirthshäuser vor, und so konnte dem Inselvolk die unbeholfene Flotte ausgehöhlter Eichenstämme nicht mehr genügen, sondern man führte die Segelschifffahrt ein unter reger Betheiligung des ruderkundigen Fischers Gürtler. Die nautischen Kenntnisse scheinen indeß gering gewesen zu sein, denn die Probefahrten, deren die Chronik erwähnt, fielen nicht glücklich aus; der Wind trieb wohl das Schifflein in den See, aber nicht wieder zurück und den Schiffern gings wie jenem Sonntagsreiter, der nach Süden galoppiren wollte, den aber sein Pferd nach Norden zu dem Stalle trug, aus welchem es kurz vorher verkauft worden war. Die feindlichen Wirthshäuser und Schiffer lachten sich drüben in’s Fäustchen; schon sah man den Seefrieden gesichert, als ein langer, magerer Mann mit noch rötherem Bart als Gesinnungen erschien. Er hatte zwei Jahre im Piräus sich neben der Regentschaft der Nautik geweiht, wohl auch ungeziemende Redeweise gegen die begeisterten Philhellenen geführt und mit seinem Freunde Fallmerayer die Besitzer der weißen Fustanella für Verwandte der „slawonischen Pfannenflicker und der Zigeuner“ erklärt; ich sage, dieser Mann kam jetzt mit reichen Erfahrungen und unerschöpflichem Humor, stellte sich als den künftigen Verfasser der berühmten „drei Sommer in Tirol“ und als Dr. Ludwig Steub vor, worauf man ihn zum Admiral ernannte. Er verstand die schwierige Kunst des Segelstellens und landete auch wirklich mit einer auserlesenen Truppe in Uebersee; allein froh des Sieges stürmten sie die Schenke, hielten sie auch bis spät Abends besetzt, mußten dann aber nach schwerem Lösegeld schon auf dem Lande „laviren“ und auf dem See bei heftigem Sturmwehen mit Rudern und unverrichteter Dinge die heimathlichen Ufer zu erreichen streben. –

Durchblättert man das Fremdenbuch, so findet man darin eine Menge hochangesehener Namen aus der Künstlerwelt: da ist Echter, Flüggen, Ernst Fröhlich, Heinlein, Felix von Schiller, Eugen Neureuther u. v. a., auch Graf Pocci und Freiherr von Kobell fehlen nicht. Als aber das achtundvierziger Jahr ernstere Pflichten den Insularen auferlegte, nahm die Lust und Freude auf dem Chiemsee ab; es wurde stiller und stiller hier und nur 1856 flackerte das verlöschende Licht noch einmal hell auf: es galt, Mozart’s hundertjährigen Geburtstag zu feiern. Eine jüngere Generation sang hier die Lieder des Unsterblichen bei Fackel- und Mondenschein und sang so anziehend in die klare Nacht hinaus, daß die kleinen Wassergeister wieder an die Höhe schwammen, entzückt den lange entbehrten Klängen zu horchen.

Als Sang und Humor verklungen waren, da kamen ernstere Gestalten, wohlgestiefelt und bebrillt, krochen im Schlamme des Sees, suchten die ausgehöhlten Hühnerknochen, so einst hier von den Malern in die Tiefe geschleudert wurden, alte Scherben und verfaultes Holz gar säuberlich zusammen und schrieben dicke und gelehrte Bücher über die geringe Cultur der schwach bekleideten – Pfahlbauern.

Jetzt ist die alte Wirthin weggezogen; der Herr von Herrenchiemsee, Graf Hunoldtstein, hat das schlichte Wirthshaus gekauft und trotzdem er mehr Franzose als Deutscher ist, gab er Befehl, die alte Heimath der Künstler gar wohnlich herzurichten, damit es eine neue für sie werde. – Ich aber bin zu Ende und muß scheiden. Ernst und schwarz sehen die Bergriesen auf mich herab; im Westen donnert und blitzt es und der Wind thürmt Woge auf Woge, doch Fischer Gürtler und sein Sohn führen mich im alten Einbaum sicher nach Stock. Ehe ich indeß das Ufer, auf wer weiß wie lange, verlasse und dem Wasser den Rücken wende, rufe auch ich mit dem Dichter der Chronik:

„O Land voll alter Herrlichkeit,
Du wundervoller See,
Einst sahst du eine güldne Zeit,
}Kehrt sie dir nimmermeh’?“




Die beiden jungen Weltbürger des Dresdener Thiergartens.


Bei der Popularität des Bären erfreuen sich in unseren zoologischen Gärten die Bärenbehausungen immer der besonderen Aufmerksamkeit des Publicums. Einen fesselnden, wohleingerichteten und gut besetzten Bärenzwinger hat u. a. der zoologische Garten in Dresden. In der nach Norden gelegenen Abtheilung des geräumigen Zwingers residirte der Tiger der Arktik, der Eisbär, der noch am meisten das Wilde, Furchtbare im Charakter seines Geschlechts repräsentirt. In der mittlern Abtheilung war noch bis vor Kurzem ein Halsbandbär aus Sibirien, ein Bruan oder malayischer Bär und einer der bekanntesten Bären Amerikas, der Baribal oder Muskwa, untergebracht. In der dritten Abtheilung endlich hausen die gemeinen braunen Bären. Der Eisbär ist kürzlich, nachdem er sechs Jahr dem Dresdner Garten angehört hat, mit Tod abgegangen, und auch der kleine muntere Malaye, dem die

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 443. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_443.jpg&oldid=- (Version vom 29.1.2017)