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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

Wie Du es gabst zum Pfande.
Verfassung heißt das Eine Wort,

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Des Volkes und des Thrones Hort!

„Herzog August soll leben!“

Nun sei ein Lebehoch gebracht
Den Lebenden und Todten,
Die mit Gesang und Schwert zur Schlacht

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Einst Deutschland aufgeboten.

Schill, Blücher, Oels und Gneisenau,
Arndt, Körner, Jahn – wer kann genau
Die Heldennamen zählen?

Auch hat auf diesem alten Thurm

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Manch flotter Bursch gesessen,

Weil gegen den Magnificum
Er sich zu hoch vermessen.
War’s aber ein fideles Haus,
Und zog er für die Freiheit aus,

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So sei ihm Hoch gerufen!


Zuletzt nun rufet Pereat
Den schuft’gen Schmalzgesellen
Und dreimal Pere – Pereat
So fahren sie zur Höllen!

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Auf! auf! mein deutsches Vaterland,

Ihr Brüder, reichet euch die Hand
Und schwört: „so woll’n wir’s halten!“

Es folgten das Festmahl im Minnesängersaal mit edlen, patriotischen Toasten auf das Andenken Luther’s, auf den Großherzog von Weimar, auf die Sieger bei Leipzig, auf alle deutschen Hochschulen und ihre Bursche, auf „die versammelte deutsche Burschenschaft und den edeln Geist, der sie vereinigt hat“ etc., dann der Festgottesdienst in der Stadtkirche und fröhliche Turnspiele auf dem Markte Eisenachs. Inzwischen wurden die Siegesfeuer vorbereitet.


Der Wartburg gegenüber, etwa eine halbe Stunde von der Stadt Eisenach entfernt, liegt der Wartenberg, gewöhnlich Wadenberg genannt, vielleicht der schönste Aussichtspunkt der ganzen romantischen Umgegend. Unter sich erblickt man die freundliche Stadt, darüber die in mittelalterlicher Schöne wieder erstehende Burg und weithin die Kette des Thüringer Waldes mit dem ragenden Inselsberg. Dort loderten am Abend des 18. October 1817 achtzehn Feuer und dahin wallten die Studenten in langem Fackelzuge, unter Begleitung der Musik. Am hochflammenden Feuer sprach hier Rödiger von Jena (gebürtig von Worms) seine begeisterte Rede voll glühender Vaterlandsliebe. „In der Noth,“ rief er unter Anderm, von den Fackeln umgeben, der Versammlung zu, „in der Noth versprach man uns, ein Vaterland zu geben, ein einiges Vaterland der Gerechtigkeit, aber der theuer erkaufte Bundestag ist noch nicht angebrochen, und fast will es scheinen, als sei das Volk glühend erwacht, die Herrlichen gefallen, damit hochmüthige Ideelosigkeit ein Freudenmahl halte von dem letzten Bissen des Landes und näher in seinem Herzen hafte der Stachel launiger Gewaltthätigkeit und der Dolch tückischer Erbärmlichkeit für jetzt und die Zukunft, als verstehe sich das von selbst. Nur ein Fürst hat fürstlich sein Wort gelöst, allen andern ein Vorbild, allen Deutschen ein wahrhaft deutscher Mann; derselbe, dessen Ahnen immer voran waren, wo es galt, das Heldenschwert zu ziehen für die Reinigkeit des Glaubens und die Gerechtigkeit, und die dem großen Luther hier eine Zuflucht öffneten, von wo aus er deutsch den Deutschen das Wort predigte und ergründete das Licht der weltdurchflammenden Wahrheit. Unter seinem Schutze sind auch wir zusammengetreten, um auf dem freiesten deutschen Boden ein freies deutsches Wort zu wechseln. Mögen ihm die andern nachkommen und bald! Denn Eins hat das deutsche Volk gewonnen, die Kraft des Selbstvertrauens – es will sich nicht wiederum wiegen lassen in den ehrlosen Schlaf, es kann nicht vergessen seine Schmach und sein jauchzendes brüderliches Erwachen zum Kampf für seinen Gott und seine Gerechtigkeit!“ – –

Der Festausschuß hatte bestimmt, daß an den Feuern reden solle, wer sich dazu getrieben fühle, der heftige Wind hielt aber mehrere dazu Vorbereitete ab. Nachdem noch einige Burschenlieder gesungen worden und damit die Reihe der vorher beschlossenen Feierlichkeiten beendigt war, zerstreute sich die Burschenversammlung an die auf dem Wartenberg vertheilten Feuer; man unterhielt sich mit dem dort gleichfalls vereinigten Landsturme beim fröhlich kreisenden Becher, und die Meisten kehrten zur Stadt zurück. Da erschienen plötzlich an dem am meisten lodernden Holzstoß, wo Rödiger gesprochen hatte, einige Bursche, der eine mit einer Heugabel, ein anderer mit einem großen Korbe voll Bücher, ein Dritter mit großen schwarzen Zetteln, auf welchen mit fernscheinenden Buchstaben die Namen solcher Männer zu lesen waren, die bei allen Vaterlandsfreunden durch ihre Schriften Verachtung und Entrüstung erregt hatten. Maßmann war es und seine Freunde – Maßmann, der die von ihm, Wilhelm Wesselhöft, Heinrich Leo u. A.[1] vorbereitete Kundgebung gegen Alles, was der Achtung des Vaterlandes, was deutscher Selbstständigkeit und Einheit zuwider war, jetzt zur Ausführung bringen wollte.

Mit seinen Vertrauten hatte er bei Buchhändler Bärecke in Eisenach mehrere Ries Maculatur (Ritterromane, alte Predigten etc.) gekauft und daraus Pakete gebildet, welche die Originalwerke der zum Feuer verdammten Schriftsteller vorstellen sollten. Hier auf dem Wartenberg sollte das Flammengericht über die verfehmten Bücher gehalten werden. Die neue und unerwartete Erscheinung zog die Menge heran, und in dem dichten Kreis, welchen sie um die Opfernden bildete, erinnerte Maßmann in kurzer kerniger Rede an Luther’s Bullen-Verbrennung und fuhr fort: „So wollen auch wir durch die Flamme verzehren lassen das Andenken Derer, so das Vaterland geschändet haben durch ihre Rede und That und die Freiheit geknechtet und die Wahrheit und Tugend verleugnet haben in Leben und Schriften. Darum soll’s geschehen, daß alle deutsche Welt wisse, weß sie dereinst von uns sich zu verhoffen habe. Wahrlich, wir hätten des Zeugs überlang zu brennen und brandmarken, auch anderer Völker Schriften, so die ganze Welt verdorben haben, wenn wir allen schlechten und bösen Machwerken ihr Recht und Gericht geschehen ließen. Aber diese Feuerbrände hier mögen als die Vertreter und Reigenführer der ganzen Sippschaft büßen! So tretet denn heran zu dem zehrenden Fegfeuer und schauet, wie Gericht gehalten wird über die Schandschriften des Vaterlandes. Möge das höllische Feuer sie alle verzehren und vernichten, wie arge Tücke oder die Jämmerlichkeit und Erbärmlichkeit sie eingab!“ Er las von einem großen Bogen die verdammten Schriften ab, bei jedem Namen zeigte ein anderer Vertrauter den Titel, der groß auf schwarzem Zettel (oder, um mit Maßmann zu reden, auf „einerseits nacht-, tod- und höllenschwarzes Papier“) geschrieben war, den Umstehenden zur Ansicht vor, die Eingeweihten riefen: „In’s Feuer!“ – Die Menge stimmte in den Ruf ein, Einzelne riefen dazwischen: „Wer kennt den Gesellen nicht und sein Geschmier?“ oder: „Fahre hin, du böser Feind und Widersacher der edeln Jugendfreiheit!“ „Der Kerl muß brühwarm gepfeffert und gesalzen werden!“ „Gänse-, Schwein- und Hundeschmalz, alles aber ohne Salz!“ „In’s Feuer mit den Wichten! In’s Feuer!“ und unter diesen Zurufen wurden von einem dritten Vertrauten Bücher (oder vielmehr die sie darstellenden Pakete) von Ancillon, von Cölle, Crome, Dabelow, von Haller, Janke, Kotzebue, von Kamptz, Schmalz, Werner und Andern mit der Heugabel in das Feuer geworfen, zuletzt auch zum Zeichen des lebhaften Widerwillens gegen den Gamaschendienst bei den Heeren noch ein Schnürleib, ein „Pracht-, Prahl- und Patentzopf“ und „ein großmächtiger Corporalstock“ verbrannt. Jubelnd erscholl von Allen noch die obige Strophe:

„Zuletzt nun rufet Pereat
Den schuft’gen Schmalzgesellen!“ etc.

Dann zogen die Burschen mit dem Landsturm zur Stadt zurück und schlossen mit einem begeisterten Hoch auf den Großherzog den festlichen Tag.

Nach dem Beschlusse des Festausschusses reihte sich, von dem Grundgedanken des Festes hervorgerufen, dem ersten Festtage am 19. October eine „freie Burschengemeinde“ auf der Wartburg an, worin die vaterländische, burschenschaftliche Reform des Studentenlebens berathen wurde. In gediegener, besonnener Rede geißelte Carové von Heidelberg das landsmannschaftliche Unwesen auf den deutschen Universitäten, widerlegte die falschen Vorstellungen

  1. Es entstand bald nach dem Feste in Jena ein Steindruck, auf welchem von einem geschickten Künstler der Augenblick aufgefaßt worden war, wo Rödiger am Feuer und beim Fackelschein seine Rede hielt. Hier war die Mehrzahl der Hauptgestalten äußerst glücklich und erkennbar wiedergegeben: Rödiger, Ed. Dürre, Riemann, Scheidler, Maßmann, Binzer u. A., im Hintergrunde auf jenem oben erwähnten Korbe mit einer Flasche Wein in der Rechten der jugendliche Heinrich Leo. – Sollte sich nicht irgendwo ein Exemplar des Bildes erhalten haben?
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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 475. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_475.jpg&oldid=- (Version vom 29.1.2017)