Seite:Die Gartenlaube (1867) 480.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

vorgedrungen sei. Das Protokoll berichtet hierüber: Das Ereigniß, daß in der Nacht vom Mittwoch zum Donnerstag (vom dritten zum vierten Juli) das auf der Verstopfungsstelle, in der Tiefe von dreihundert sechsundachtzig Ellen, aufgestaut gewesene Wasser verschwunden war, „hatte den dienstthuenden Steiger am Donnerstag früh gegen drei Uhr bewogen, nochmals durch Hinablassen der Tonne im Förderschacht die Tiefe zu ermitteln, in welcher sich die Bruchmassen gestaut hatten. Nach der Fühlung des Maschinenwärters sollte hierbei die Tonne bis hinab in die Sohle des Füllortes des ersten Querschlags, mithin bis in die Tiefe von siebenhundert sechsundfünfzig Ellen unter Tage, niedergegangen sein.“ – Nach dieser Angabe bitte ich, die meinige zu berichtigen. Ich hatte dies falsch verstanden, was bei der Aufregung, mit welcher jene Mittheilungen an Ort und Stelle gegeben und aufgenommen wurden, wohl verzeihlich ist.

Das Grab ist geschlossen. Aber die letzten Seufzer der Sterbenden schlugen nicht an liebe Ohren; der Trost, dem Gatten, dem Vater das gebrochene Auge zugedrückt haben, ist Müttern und Kindern genommen, – sie haben keine lieben Hügel mit Blumen zu schmücken, denn auf Neufundgrube wird binnen Jahr und Tag die Esse wieder rauchen, die Dampfmaschine wieder die Tonnen in die Tiefe tragen und der arme Mensch wieder arbeiten, um mit seinem Schweiß den Glücksboden Anderer zu düngen. – Möge das Andenken an den Jammer dieser Tage und die Sorge für die beklagenswerthesten Opfer derselben, die armen Hinterbliebenen, nicht ebenso rasch vergehen wie die äußeren Spuren des Unglücks verschwinden werden!

Bis heute nehmen die Spenden der Theilnahme für „die Unglücklichen von Lugau“, wie das Mitleid sie in ganz Deutschland und darüber hinaus nennt, ihren ehrenwerthen Fortgang. Möge dieser Segensstrom der Menschenliebe noch recht lange fließen, denn viel, sehr viel ist nöthig, um den Lohn der Arbeit von hundert Männern auf Jahre hinaus zu ersetzen!

Wir thun es im Interesse der Sache, wenn wir dabei die Frage erheben: in welchen Händen kommen die aus allen Himmelsgegenden jetzt nach Lugau gesendeten Gelder zusammen? Wer sind die Mitglieder des betreffenden Comité, in welcher Weise wird schon jetzt die Unterstützung der Hinterbliebenen der Todten im Schachte besorgt und welcher Plan liegt für die künftige Verwendung der Gelder vor? Eine offene Beantwortung dieser Fragen würde den Sammeleifer noch für lange stärken, während die etwaige Bestätigung der hier und da ausgesprochenen Befürchtung, daß Bergbeamtete, über deren Knappschaftscassenführung bittere Klagen aus den Kreisen der Bergleute vorliegen, auch bei diesem Werke der Wohlthätigkeit betheiligt sein möchten, sehr störende öffentliche Erörterungen hervorrufen könnte.

Fr. Hofmann.




Für Die mit Schreibekrampf. (Atremograph des Prof. Maas.) Auf die Anfragen: wie der Schreibekrampf zu heilen sei, kann Verfasser, der selbst seit vielen Jahren an diesem Krampfe leidet, nur Folgendes antworten. Von einem Heilmittel, wozu auch die Elektricität gehören soll, hat Verf. noch niemals Hülfe gesehen und deshalb bleibt den am Schreibekrampf Leidenden, wenn sie nicht mit der andern (linken) Hand schreiben lernen, nichts übrig, als solche Vorrichtungen in Gebrauch zu ziehen, durch welche das Schreiben mit der kranken Hand ermöglicht wird. Der Verf., der alle die unten aufgeführten mechanischen Hülfsmittel durchprobirt hat, kommt am besten mit einem langen, dicken, walzenförmigen (nicht zugespitzten) Korkstöpsel aus, durch dessen Querdurchmesser (Seitenfläche), entweder gerade in der Mitte oder mehr an dem einen oder andern Ende des Stöpsels, eine längere oder kürzere Feder gesteckt wird und den man beim Schreiben mit seinen beiden Enden zwischen dem ersten und dritten (oder vierten) Finger hält, während die Spitze des zweiten Fingers sanft auf der obern Fläche des Stöpsels ruht. – Auch der neuerlich vom Prof. Maas angegebene Atremograph, welcher in Berlin bei S. Röder (neue Friedrichstraße 50) zu haben ist, thut dem Verf. und andern am Schreibekrampfe, Zittern und an ähnlichen beim Schreiben störenden Uebeln Leidenden ausgezeichnete Dienste. Es ist dieser Apparat der menschlichen Hohlhand genau nachgebildet und macht jede willkürliche und unwillkürliche, beim Schreiben unnöthige Bewegung der Finger unmöglich. Er ist übrigens nicht blos jenen Leidenden zu empfehlen, sondern auch Solchen, welche sich an eine richtige, natürliche Haltung der Feder und Bewegung des Arms zu gewöhnen wünschen. Der Preis dieses Apparates ist zwei Thaler.

Außerdem kann man sich noch auf folgende Arten das Schreiben erleichtern. 1) Man nehme die Feder zwischen andere Finger (zwischen den dritten und vierten) oder in die Hohlhand, so daß sie zwischen diesen oder jenen Fingern heraussteckt. – 2) Man befestige die Feder mit Hülfe eines Ringes von Stahl oder Kautschuk an das vorderste Glied eines oder mehrerer Finger. Zu empfehlen ist folgende Befestigungsart: man nimmt ein übersponnenes Gummiband (etwa vier Zoll lang), welches an dem einen Ende mit einem Schnällchen versehen ist, und befestigt solches in der Mitte am untern Theil des Federhalters (etwa zwei Zoll von der Feder entfernt). Beim Schreiben legt man das Band um Zeige- und Mittelfinger und zieht es vermittels des Schnällchens nach Bedürfniß mehr oder weniger fest zusammen. – 3) Man stecke die Feder in eine leichte Kugel, die mit der ganzen Hand umfaßt wird. Anstatt der Kugel läßt sich auch eine nach der Hohlhand geformte Halbkugel anwenden, auf deren oberer Fläche Vertiefungen für die Finger angebracht werden können. – Dem Einen wird diese, dem Andern jene Vorrichtung mehr zusagen.

Bock.




Der Spatz als Höhlenfertiger. Als ich unlängst in der Kölnischen Zeitung Karl Vogt’s Referat über die Charakteristik des Spatzes von einem Franzosen las, worin unter Anderem die ergötzliche Anekdote erzählt wird, wie die Spatzen auf der Mauer eines Casernenhofes gleich den exercirenden Soldaten sich in Reih’ und Glied setzen und auf den Befehl des Commandirenden: „Aus einander, marsch!“ sich mit jenen auflösen und nach verschiedenen Richtungen davoneilen, da gedachte ich so mancher von mir wahrgenommenen Züge aus dem Leben dieses Vogels mit mehr als zwei Naturen, die theils belustigen, theils erzürnen und empören, theils aber auch rühren und versöhnen. Ich könnte ihn schildern als den Phlegmatiker, während er andererseits wieder einem Choleriker oder Sanguiniker wie aus dem Gesichte geschnitten erscheint. Ich könnte ihn als Egoisten, als verschmitzten, schlauen Dieb, als grausamen Usurpator, als den Mann mit bösem Gewissen und harmloser Miene kennzeichnen; aber ich habe ihn auch als Freund der Geselligkeit, als Gehülfen seiner Standesgenossen, als treuen Pfleger und Lenker seiner Kinder, als gemüthlichen Hausgenossen der Menschen und als eine der liebenswürdigen Seelen kennen gelernt, die im Elend ausharren und beim ersten Sonnenblick des Lebens in kindlicher Freude das Leid und sich selbst vergessen. Der Spatz paßt so zu sagen auf alle Sättel, wie denn auch sein Wahlspruch das „„Ubi bene, ibi patria“ ist. Vielleicht werde ich jedem Fachkundigen ein mitleidiges Lächeln und Achselzucken abnöthigen, wenn ich den Spatz als „Höhlenfertiger“ bezeichne, und doch mag folgendes Erlebniß beweisen, daß der Vielseitige auch in der Reihe dieser Künstler seinem Namen Ehre machen würde.

Ein langjähriger Freund unseres Hauses liegt eines Morgens wach im Bett. Plötzlich klopft es an, und empor fährt er wie „Lenore um’s Morgenroth“ mit einem herrischen „Herein!“ Doch Niemand tritt ein. Da klopft es zum zweiten und dritten Mal in rascher Folge und das gespannte Ohr des Lauschenden entdeckt die Stelle, woher das Pochen dringt, an der Tapetenwand, welche den Winkel des Hauses von außen begrenzt. In diesem Augenblick reißt die Tapete und – herein zwängt sich der Kopf eines alten Spatzenmännchens, befremdet sich umsehend und den erstaunten Herrn im Bette mißtrauisch musternd. Ein wetternder Ausruf und ein rascher Griff von Seiten des Letzteren überzeugen den ernüchterten Eindringling, daß hier seines Bleibens nicht ist, und rasch zieht er seinen Kopf zurück; aber die Federn am Hals sträuben sich zur Halskrause, und es kostet ihn einige Mühe zu entfliehen, bis endlich der Rand der zerrissenen Tapete nach außen nachgiebt. Eine genaue Untersuchung der Stelle und ein später stattfindender Augenschein mit Hinzuziehung meiner Person liefern folgendes Ergebniß. Der Spatz hat nach und nach die Lehmwand des Hauses an der erwähnten Stelle losgehackt und einen Höhlengang von nahezu einem halben Fuß im Durchmesser gemeißelt. Die Bewohner des Hauses werden als Zeugen vernommen, die denn erklären, daß sie schon seit Jahren das Klopfen an verschiedenen Stellen der Wand wahrgenommen hätten, vermuthend, es wären Holzwürmer. Ein Urtheilsspruch erkennt den Spatz des Einbruchs schuldig, doch mildert der Umstand die Schärfe des Erkenntnisses, daß es kein Einbruch zur Nachtzeit gewesen und der Schlaf des friedliebenden Herrn nicht gestört worden ist.




Freiligrath-Dotation.

Bei dem Barmer Haupt-Comité sind wiederum eingegangen: V. in Schwelm 1 Thlr.; H. in Schwelm 1 Thlr.; durch Professor Dr. Eltze in Dessau 70 Thlr.; Lehrer C. in Halver 9 Thlr. 15 Ngr.; Nordmann in Stockholm von der deutschen Gesellschaft daselbst 42 Thlr.; Comité in Witten durch Dr. med. Staeps 160 Thlr.; gesammelt in Haßlinghausen durch Hüttenbeamten Nusch (Alles Beträge von 10 Ngr. bis 1 Thaler!) 43 Thlr. 15 Ngr.; durch das Comité in Crefeld, von: C. St. in Rotterdam 5 Thlr.; D. St. 5 Thlr.; H. M. 5 Thlr.; F. D. in Buenos Ayres 7 Thlr.; zweite Sendung aus Elbing durch A. Philipps 33 Thlr.; Aachener Zeitung für sich 41 Thlr.; vom Aachener Turnverein 20 Thlr.; Comité in Pforzheim durch A. Kuhn 300 fl. = 171 Thlr. 10 Ngr.; von der Redaction des Gemeinnützigen in Varel 6 Thlr.; Sammlung in Hilden durch Dr. Zapp 20 Thlr.; erste Rate aus Bielefeld, gesammelt durch Schneidermeister Pet. Heinr. Guntermann 140 Thlr.; Sammlung in Königsberg durch Dr. Falkson 20 Thlr.; Expedition der Halleschen Zeitung von J. W. in B…dt 3 Thlr.; Hallesche Volksliedertafel 11 Thlr. 10 Ngr.; Dr. H. G. 1 Thlr.; Sammlung bei einem Festmahle durch K. 12 Thlr.; H. Zimmermann in Waldshut 9 Thlr. 17 Ngr; p. Posteinzahlung durch Dr. Falkson in Königsberg 6 Thlr. 5 Ngr. 2 Pf.; „Geber“ aus Neustadt (Cleve-Berg) 5 Thlr.; M. in Rüdesheim 3 Thlr. 23 Ngr.; durch Professor Johannes Scherr in Zürich; vom Freiligrath-Comité in Zürich 827 Frs., durch Sieber in Uster 51 Frs., zusammen 878 Frs. = 234 Thlr. 4 Ngr.; Kaufmännischer Verein in Mannheim 7 Thlr.; Cösliner Zeitung 14 Thlr.; durch Hammerschmidt vom Comité in Hanau 116 Thlr. 17 Ngr.; aus Barmen: A. u. E. St. 11 Thlr. 10 Ngr.; E. C. 10 Thlr.; M. 10 Thlr.; F. W. 5 Thlr.; R. Z. 2 Thlr.; C. S. 2 Thlr.; A. T. 5 Thlr.; W. N. 5 Thlr.; R. T. 2 Thlr.; C. W. 1 Thlr.; F. S. 2 Thlr.; E. B. 1 Thlr.; A. M. 1 Thlr.

Gesammt-Einnahme bis heute 7695 Thlr. 28 Sgr. 8 Pfge.

Wir bemerken noch, daß die eingehenden Gelder sofort verzinslich angelegt werden.

     Barmen, den 5. Juli 1867.

Das Central-Comité.




Inhalt: Das Geheimniß der alten Mamsell. Novelle von E. Marlitt. (Fortsetzung.) – Ein „unentwegter“ Kämpfer. Mit Portrait. – Deutsch-amerikanische Lebensläufe. Von Adolf Douai. 3. Der Holzhacker. – Das October-Jubiläum auf der Wartburg. Von Robert Keil. – Eine Krönung von Volkes Gnaden. Mit Illustration. – Blätter und Blüthen: Das furchtbare Trauerspiel in Lugau. Von Fr. Hofmann. – Für Die mit Schreibekrampf. Von Bock. – Der Spatz als Höhlenfertiger. – Freiligrath-Dotation.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 480. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_480.jpg&oldid=- (Version vom 29.1.2017)