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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

die ganze Stadt umkränzende liebliche Umgebung mag mit ihrem poetischen Zauber nicht wenig dazu beigetragen haben, daß Düsseldorf seit langer Zeit ganz besonders dazu ausersehen war, eine Pflanzstätte deutscher Kunst und deutschen Künstlerlebens zu werden, als welche sie heute, der Sitz einer blühenden Malerschule, einen Weltruhm erworben hat. Man muß in diesem lauschigen, grünen Park besonders zur lieblichen Pfingstzeit umhergewandelt sein, um in dem Schmettern der Nachtigallen und anderer gefiederter Sänger der Haine das Loblied der schönen rheinischen Kunststadt verstanden zu haben.

Aber nicht blos die Musen sind es, die hier heimisch geworden, die Anmuth der Umgebung zog auch von jeher hochgestellte und fürstliche Personen, welche einen empfänglichen Sinn für ihre Schönheit hatten, in ihren Zauberkreis und ließ sie in ihm sich wohl und heimisch fühlen, bis die süße Gewohnheit sie zu ihren treuesten Bewohnern machte.

Es ist noch vor der bürgerlichen Mittagsglocke und die Zeit, wo die still-fleißige Stadt allenthalben lebendiger wird. Beamte, Geschäftsleute, Künstler schließen die dumpfe Arbeitsstube, um der mittäglichen Häuslichkeit zuzueilen; aus hundert Fabriken sendet die Industrie ihre Diener jeden Alters und Geschlechts lärmend dem dampfenden Kochtopf zu, Alleen und Plätze kreuzen zierliche Dämchen, elegante Flaneurs und solche, die, wie wir, ihren Appetit zur Mittagstafel in der frischen Himmelsluft noch etwas beleben. Viele haben, wie es hierorts zur Mode gehört, auf den Ausstellungen des „permanenten“ Schulte oder Bismeyer noch rasch etwas „Kunst gekneipt“ und die neuesten Gemälde darin kritisch beleuchtet. Doch, schnell fertig mit dem täglich geübten Geschäft, ziehen auch sie bald vom Cultus der Muse hinaus in die warme sonnige Frühlingsluft. Kurz Alles ist zur Stunde auf den Beinen, Zwei- und Vierfüßiges, denn auf glänzenden Rossen courbettiren jugendliche Marssöhne auf und ab, gefolgt vom treuen Hündlein, das, nach langem polizeilichen Hausarrest heute zum ersten Male wieder frei, dem Gebieter noch einmal so lustig seine fast vergessenen Sprünge vormacht.

Wir aber schlendern hinaus in den „Hofgarten“ durch Blüthen und Blättergrün, und ich zeige dem Leser dort am Ende der breiten Ulmenreihen den „Jägerhof“, einst kurpfälzisches Jagdschloß, jetzt seit manchem Jahr schon die Residenz des Fürsten Karl Anton von Hohenzollern-Sigmaringen, dessen Söhne und Töchter hier aus dem Kindesalter heranreiften und jetzt zum Theil noch hier weilen, zum Theil die Zierde fremder Höfe geworden sind.

Und sieh – wie berufen: eine leichte Stauwolke wirbelt heran und gleißend und glitzernd bricht eine bunte Cavalcade daraus hervor. Sie umgeben ein zierlich Pony-Wäglein, das zwei rosige Frauenbilder inne haben. Dem stattlichen Herrn da vorn in der preußischen Generalsuniform mit der strammen, vornehmen Haltung stelle ich uns später persönlich vor – es ist unser Fürst Karl Anton, das Haupt der Familie, der Mann, der als der erste der kleineren deutschen Herrscher in der Sturm- und Drangperiode des Jahres 1848 prophetisch voraussah, welche Wege das Werk der deutschen Einheit nehmen werde. In der richtigen Erkenntniß, wie das Heil des großen Vaterlandes mit dem Aufgehen der Kleinen in einen großen mächtigen Staatskörper identisch und unausbleiblich sein werde, trat er bekanntlich die Regierung seines Ländchens an Preußen ab, zog der Stellung eines regierenden Herrn, dessen Thron die nächste politische Erschütterung vielleicht gestürzt haben würde, die bescheidnere eines preußischen Generals vor und gab damit seinen fürstlichen Vettern im Reich ein Beispiel, das einer bessern Nachahmung werth gewesen wäre. Und das ist auch der Grund, warum wir den Lesern sein Bild skizziren und sie einführen in seine Herrlichkeit.

Zu ihm auf blickt Prinzeß Marie, seit Kurzem bekanntlich die Gemahlin des Grafen von Flandern, und lenkt mit kundiger Hand das feurige corsicanische Rapphengst-Pärchen, das schnaubend und beißend seine edle Last daherzieht. Neben ihr sieht man Prinzessin Antoinette, Infantin von Portugal, im Gespräch mit ihrem Gemahl, dem Erbprinzen Leopold; zur Linken, dem Vater zur Seite galoppiren die jüngern Söhne, der Fürst Karl von Rumänien, hier noch preußischer Dragonerofficier, und Prinz Fritz, der jüngste, Rittmeister bei den rheinischen Ulanen. Hofcavaliere schließen den Zug, den in leichtem Umriß die umstehende Zeichnung wiedergeben soll. Vorbei sind sie, überall freundlich grüßend und begrüßt vom lustwandelnden Publicum, dessen ungetheilte Verehrung die Fürstenfamilie genießt.

Sahen wir sie nun hoch zu Roß und vornehm zu Wagen in der freundlichen Mittagssonne, umringt vom grünen Park, den das stattliche Schlößchen überschaut, so lade ich, vermöge meines Autor-passe-partout’s ein, mir jetzt, wo es Abend geworden, in die innern Räume des Jägerhofs zu folgen. Sind wir auch etwa nicht „hoffähig“ oder just zu heute „befohlen“, nun, unser Fürst nimmt’s nicht so genau und gestattet uns gern einen Blick auf den traulichen Kreis, der sich zu dieser Stunde im Familiensalon versammelt.

Wären wir gestern gekommen, so hätten wir die Räume sehen können, festlich strahlend im Lichterglanz, enggefüllt und durchwogt von einer glänzenden Menge aus allen gebildeten Ständen, zu Tanz und Spiel und Schmaus geladen; wir hätten gesehen, wie unter zwangloserer Etikette, als an andern deutschen Höfen, alle Geladenen sich gleich liebenswürdiger Beachtung, gleichen Entgegenkommens von Seiten des Hauses erfreuen, wie aber auch Alles mit der vollen Opulenz des fürstlichen Gastgebers und reichbegüterten Herrn zugeht. Heute aber, wo die „officielle Fête“ vorüber, nimmt die ganze Erscheinung des Fürsten, dem das geräuschvolle conventionelle Hofleben nicht allzusehr behagt, offenbar den erhöhten Ausdruck befriedigter, gemüthlicher Existenz an, wie er dort, die selten verlöschende Havannacigarre im Munde, unter befreundeten Altersgenossen am Whisttisch seinen Robber macht oder, mit der Liberalität eines klaren Verstandes, der seine Zeit begreift, die politischen Tagesereignisse discutirt. Nicht nur, daß seiner ganzen Umgangsform das leichtere süddeutsche Gewand angepaßt ist, so merkt man dem fürstlichen Herrn im Gespräche bald an, daß er, allem äußern Scheinwesen abhold, am liebsten mit Jedem nach seiner Weise verkehren möchte. Das sagt uns der offene, helle Blick, mit dem er uns fest und grade in’s Auge schaut: man wird sich bewußt, es mit einem Manne von echt deutschem Kern und Wesen zu thun zu haben.

Am Nebentisch dort sitzt unter den Ihrigen seine Gemahlin, die Fürstin Josephine, deren äußere Erscheinung jenes ätherisch-zarte Gepräge trägt, welches physisches und geistiges Leid tieffühlenden Frauengemüthern verleiht. Denn, wenn es bei so innigem Familienleben dem fürstlichen Hause auch nicht an reichem Sonnenschein des Glückes fehlen kann, so sind doch auch ihm, wie jedem Staubgebornen, harte Prüfungen nicht erspart geblieben, die Wunden noch nicht vernarbt, die das unerbittliche Schicksal vor Allem dem liebenden Mutterherzen geschlagen hat. Richtet sie sich in echt weiblicher Ergebung auch auf an dem Glück, das ihr blieb, so entgeht es uns doch nicht, daß die dunkeln, schmerzlichen Stunden, die ihr Haus in den letzten Jahren gesehen, einen bleibenden Hauch stiller Trauer um sie gebreitet haben. Zwei blühende Kinder sanken in ihrem hoffnungsreichsten Alter dahin, zuerst die allen Düsseldorfern im Prunkgemach wie in der Zelle der Armuth durch anmuthige Jungfräulichkeit und durch ihren Wohlthätigkeitssinn gleich unvergeßliche Prinzessin Stephanie, die bekanntlich als Königin von Portugal, kaum ein Jahr vermählt, an der fernen Küste bösartiger Krankheit zum Opfer wurde. Der andere schwere Verlust traf die Familie, als in dem blutigen Feldzuge des vorigen Jahres der tapfere Prinz Anton in Folge seiner schweren Blessuren, die er, an der Spitze seiner stürmenden Compagnie vom ersten Garderegiment zu Fuß, bei Königgrätz erhielt, in den Armen der herzugeeilten Mutter den Heldentod starb. Fast wäre es der sorglichsten Pflege der Seinen gelungen, die Wunden heilend zu schließen, da ergriff, wie die Gartenlaube schon berichtet, den unsäglich leidenden Jüngling – dämonisch – dieselbe tückische Krankheit, die auch der vorangegangenen königlichen Schwester das Ende bereitet hatte.[1]

Doch zurück zu unserm freundlichen Familienbilde im Jägerhof. In einer andern Gruppe ist eben eine seltene Mönchsschrift mit kunstreichen Initialen, ein werthvolles byzantinisches Kirchengefäß oder ein zierliches Elfenbeinschnitzwerk des Mittelalters Gegenstand der Besichtigung, das der Fürst als bekannter Sammler von Geschmack und Sachkenntniß heute erstanden und das seine reichen Collectionen auf dem Schlosse Sigmaringen zu mehren und zu zieren bestimmt ist. Oder es ist auch wohl das jüngst erworbene Werk eines hiesigen Malers, welches besprochen wird; denn daß eine Familie von so geistiger Regsamkeit auch diesen Bestrebungen

  1. Diphtheritis.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 486. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_486.jpg&oldid=- (Version vom 29.1.2017)