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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

Niederwogen, dieses Durcheinander, ein überaus reicher Lohn für die geringen Opfer der Excursion, wohl der bildlichen Darstellung werth.

Jeder folgende Schuß unter die fliegende Masse war in Bezug auf das Allgemeinbild wirkungslos, nur daß sie in der Richtung des Schusses momentan auseinander stob und sich höher erhob. Der Ornitholog nennt die hier zu Tausenden nistende Mövenart Larus ridibundus, Lachmöve. Hätte sie nicht Schwimmfüße, so würde ein flüchtiger Blick sie leicht für eine weiße Taube mit dunkelbraunem Kopf, graublauem Rücken und schwarzgesäumten Schwingen halten. Bekanntlich ist die Lachmöve gerade kein seltener Gast auf dem europäischen Festland; sie ist der wahre Spatz unter dem zum Theil sehr stolzen Geschlechte der Möven, ein unruhiges federfestes Kerlchen, das den Schnabel auf dem rechten Fleck hat und sich nicht genirt, so weit Flüsse und Seen ihm nach dem Süden hinwinken, selbst bis nach Ungarn, Italien und zum schwarzen Meere hin vorzudringen und seiner außerordentlich fruchtbaren Nachkommenschaft häusliche Heerde zu gründen. Ebenso ist sie in Amerika einheimisch geworden, in diesem Lande des Ueberflusses ein Pionier des Eierhandels der Zukunft, wo die Thiere des Waldes den Menschen vieler Städte Platz gemacht haben werden.

Da es im Interesse der Möven-Erhaltung liegt, in der Brütezeit möglichst selten und dann nur auf kurze Zeit die Insel zu betreten, so wurde das Signal zur Abfahrt gegeben und nur in Eile noch eine mineralogische Curiosität der Insel, ein grabhügelförmiger Granitblock (Rolandsfelsen) besichtigt, worauf wir die Rückfahrt antraten. Bald darauf stellte sich auch das normale Leben auf der Insel wieder her und die seitwärts echappirten Enten-Colonnen kehrten zurück. Unterwegs erfuhr ich über das Sammeln der Möveneier und ihre Verwerthung Folgendes. Die Möven kommen Ende März und ziehen im August wieder fort. Die Sammelperiode ist hauptsächlich der April, die Schonezeit der Mai und Juni. Der Sammler nimmt jedes Ei, das er findet. Die Menge der Eier steigt gradatim von zwanzig bis dreißig Schock täglich. Bei einem Jahresertrage von nahezu dreihundert Schock beträgt der Baarwerth ca. vierhundertfünfzig Thaler: eine ziemlich sichere Einnahme, die nur dann in Frage gestellt wird, wenn das Ablesen der Eier zu lange andauert. Letzteres ist auch hier während der Brütezeit am nachtheiligsten, weil alle der Brutwärme wenn auch noch so kurze Zeit ausgesetzten Eier sich nicht lange, oft nur wenige Tage halten. Daß das Einsammeln und Verpacken der Eier selbst seine besonderen Schwierigkeiten hat, ist klar, weil eben alle Vortheile der monarchischen Ordnung eines Hühnerhofs unerzielbar sind in dieser Möven- und Enten-Anarchie.

Nach genommener Rundschau über den nur im Osten von niedrigen Hügeln begrenzten, fünfhundert Morgen großen, eine Stunde im Umfange haltenden See, dessen Welse und Karpfen gesuchte Kaufsartikel der Liegnitzer sind, führten uns die Ruderer zum Lande. Den mir zugedachten Jagdantheil einer Möve nahm ich gern als willkommenes Andenken an die heutige schöne und überaus interessante Kahnpartie von meiner freundlichen Gesellschaft, die sich nun verabschiedete, an. Der Eilzug führte mich Abends spät wieder an der nun todtstill gewordenen Insel vorüber und Breslau zu.




Die National-Tabakspfeifen.
I.


Die allgemeine Aufmerksamkeit, welche der Tabak seitens der gebildeten Welt vom socialen und fiscalischen Punkte der Betrachtung auf sich lenken sollte, dieselbe verdient er noch mehr vom historischen Gesichtspunkte, denn daß das Rauchen, Kauen, Schnupfen und Trinken des Tabaks seit den ältesten Zeiten bei den meisten Stämmen der alten und neuen Welt gebräuchlich war, geht aus vielen Umständen hervor, z. B. aus den Formen der Pfeifen und Schnupfdosen, den Namen und der Gebrauchsweise, welche bei fern von einander lebenden Stämmen merkwürdige Uebereinstimmung zeigen – sowie aus der Zubereitung und dem Anbau eigenthümlicher Arten. Ja, vielseitige Beschäftigung mit dem Gegenstande hat mir die Ueberzeugung verschafft, daß dieses Kraut nicht allein in staatlicher, sondern auch in religiöser Beziehung bei den Alten unter vielen Namen eine wichtige Rolle spielte und daß die Alten sehr schätzenswerthe, leider aber sehr verstümmelte Werke über den Anbau und Handel desselben uns hinterlassen haben, wozu unter andern die „Pflanzengeschichte“ von Theophrast und die „Naturgeschichte“ von Plinius gehören, wie ich in meiner so eben erscheinenden Schrift: „Die Verfälschung alter Werke nachgewiesen in einem Entwurfe zur Geschichte des Tabaks“ beweise.

Ursprünglich nichts anderes als ein medicinisches Instrument, hat die Tabakspfeife ihre anfängliche Bedeutung verloren und ist ein Luxusgegenstand geworden, dessen Gestalt und Einrichtung bei den Völkerstämmen beider Welten höchst mannigfaltig ist. Trotz dieser Mannigfaltigkeit bemerkt man jedoch, daß bei vielen Nationen die Tabakspfeife eine gewisse Form hat, welche diesen Völkern, seitdem sie uns bekannt sind, immer eigenthümlich gewesen ist, was um so mehr zu berücksichtigen ist, da noch Niemand die Annahme einer europäischen Sitte, zumal einer solchen, die so vieles Unangenehme mit sich bringt, in Asien nachgewiesen hat, ferner in jenen Gegenden die Mode unbekannt ist und auch, wo diese herrscht, die Erfahrung lehrt, daß Volkssitten und Einrichtungen nur schwer von ihr beeinflußt werden.

Die Gestalt der Tabakspfeife, welche bald aus einem Stücke, bald aus mehreren besteht, wird zum Theil durch die Lebensweise, Sitten, Gewohnheit, Klima und Tabakssorten bestimmt, denn bald wird der Rauch verschluckt – zu welchem Zwecke man Köpfe mit geringem Fassungsmaß gebraucht –, bald auf die gewöhnliche Weise eingeathmet, bald liebt man starken Tabak wie die Briten, die deßhalb kleine Pfeifenköpfe haben, andererseits würden Nomaden auf ihren Reisen die langen Rohre und die schwere Huka sehr lästig finden.

Der Stoff, aus welchem die Tabakspfeifen verfertigt werden, ist gleichfalls sehr verschieden, denn bald ist es eine Art Erde oder Thon von weißer, gelber, rother, schwarzer und anderer Farbe, bald ist es Murscham (Keffekil), Porcellan, Stein, wie Achat und Karneol, oder Talk, Glas, Metall, Holz, Muschel und dergleichen. Nicht minder verschieden ist der Stoff, aus welchem man die Rohre fabricirt, denn bald benutzt man dazu Pfefferrohr oder Spindelbaum, Jasmin, welschen Kronjasmin, spanischen Holunder, Ahlbaum, Maßholder, Schneeball, Lucienholz, Heckenkirsche, Weichsel und Tamarisken, bald chinesischen Bambu.

Vergleichen wir die Pfeifen der Völker, von denen wir in dieser Hinsicht einige Kenntniß haben, so lassen sich zwölf Arten von Nationalpfeifen unterscheiden, nämlich die persische, indische, chinesische und afrikanische Wasserpfeife, die kleine Gyps- und Thonpfeife, nebst ihrem Stiele aus einem Stücke gearbeitet,

Fig. 1. Kaliân.

die nordamerikanische, die Tschibuk, die Porcellanpfeife, Dinkapfeife, ungarische, russische Pfeife und die Gansa.

Die Kaliân oder Kaliuhn, wie die persische Wasserpfeife heißt, besteht aus einem Behälter zur Aufnahme des Wassers, womit derselbe etwa zu drei Viertheil (Fig. 1.) gefüllt wird. In dieses Gefäß bringt man die Enden zweier Rohre, wovon das eine, welches am oberen Ende den Kopf für den Tabak trägt, fast bis auf den Boden des Gefäßes herabreicht – damit der Rauch längere Zeit brauche, indem er durch das Wasser geht – während das Ende des anderen, nämlich des Mundrohres, nicht fern von der Oberfläche des Wassers steht. Beide Rohre treten durch dieselbe Oeffnung in den Behälter ein, welcher luftdicht verschlossen sein muß. Beginnt man zu rauchen, so zieht man die Luft in dem Gefäße, so wie etwas Wasser, eine Strecke das Mundrohr herauf, wodurch ein


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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 519. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_519.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)