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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

der Ausrufer des „Pungolo“ („Stachel“, eine Zeitung); die lästigen, wie Fliegen zudringlichen Blumenmädchen, die Cigarrenstummelsucher und die rothblusigen Garibaldianer. Alles sitzt oder steht bunt durcheinander, während die schrille Stimme der Kellner in das Local hineinruft: una, due, tre tazze etc. – Es war ein lebendiges Bild, würdig des Abschlusses mit Mailand!

Markt in Lugano.

Unser Wagen wartete bereits am Morgen der Abreise, als ich noch schnell die dem Hotel gegenüberliegende Kirche San Carlo Borromeo besuchte, und ich erwähne dieselbe nicht etwa ihrer Architectur, sondern ihres Patrons wegen. Besagter Herr steht nämlich als lebensgroßes plastisches und bemaltes Brustbild auf einem Kasten, der die Spenden der Eintretenden aufnimmt, und sieht mit zwar freundlichem, doch scharfem Blick auf die Hand des Opferers. Nicht nur als unerwartet machte der so dem Leben wiedergegebene Heilige auf mich die unheimlichste Wirkung, sondern er erregte auch ein Gefühl des Widerwillens bei jeder abermaligen Betrachtung, und noch heute werde ich den Eindruck jenes Kopfes nicht los.

Unechter Garibaldianer und amerikanischer „Reverend“ am Lago maggiore.

Mit einigen Herren, welche, mit den langen Mailänder Cigarren im Munde, turnierenden Rittern ähnlich sahen, fuhren wir zurück nach Camarlata, übernachteten noch einmal in Bellaggio und gondelten am Morgen hinüber nach Menaggio. Auf dem kleinen Marktplatze umstanden uns Pferde, Fischer, Fuhrleute und Esel, und letztere wurden unsere Reisegefährten; nur gelangten sie, auf steileren Seitenwegen, früher zur Höhe der Berge als wir. Zwischen Steinmauern hindurch und unter Kastanien, Nüssen, Wein und Feigen fuhren wir durch das enge schmutzige Städtchen, wahres Steingekrümel, aus dem sich, wie aus Gewohnheit, bettelnde Hände ausstreckten. Es ist die rein mechanische, beim Herannahen eines Fremden unwillkürliche Bewegung, da unmöglich angenommen werden kann, daß der Reisende halten soll, aussteigen und zwei Treppen hinaufkriechen, um ein paar Centesimi los zu werden. Es ist der Ausdruck naivster Unverschämtheit!

Bei Donner, Blitz und Regenguß langten wir gegen Mittag unter der Säulenhalle des Albergo del Lago in Porlezza an, mit welcher Stadt wir das Ufer des Luganer See’s erreicht hatten. Aus der Küche drang uns der eigenthümliche Fettgeruch der italienischen Frittura entgegen und dieser, im Verein mit der dicken, behäbigen Wirthin, den lachenden geplatzten Feigen, den Fischen und den uns umschnurrenden Katzen rief Erinnerungen in mir wach an jene sonnige Zeit, als ich, siebenundzwanzig Jahr alt, den Süden dieses gottgesegneten Landes durchzog. Meine Nase gebot mir übrigens, dem widerlichen Duft bald zu entfliehen; vor dem Hause winkte mir außerdem ein neues Bild, denn das lebhafte Interesse, welches ein wohlhäbiger Geistlicher dem Abschlachten der Fische für die Küche hier widmete, war ganz geeignet, das meine für ihn zu erregen.

Ein junger Garibaldianer von guter Familie, der, des Friedens wegen entlassen, hier mit einigen Gefährten dem Fischfange nachgehen wollte, gab Veranlassung zu politischen Bemerkungen, die nicht allzu sehr den Enthusiasmus bekundeten, den wir bezüglich der Prussiani in Italien zu finden glaubten. Die jungen Leute sprachen unterrichtet und begeistert, ohne in die Rodomontaden auszubrechen, die man wohl öfter zu hören bekommt, und nicht ohne eine scharfe Kritik gingen sie über die Maßregeln der eignen Regierung hinweg. Das gemeinschaftliche Frühstück hatte uns angenehm den Gewitterschauer vorüberziehen lassen, die Zeit der Abfahrt war da und wiederum ging es auf das Dampfboot, welches uns über einen der romantischsten norditalischen Seen nach seiner Mutterstadt Lugano trug.

Wir hielten vor dem stolzen Kloster Santa Maria degli Angeli, die Hausglocke tönte und die dienenden Brüder stürzten herbei. Durch einen großartigen Wirrwarr von Treppen und Gängen wurden wir in die uns bestimmten Zellen geführt, worauf man uns einlud, in das Refectorium zu folgen. So mochte es einst geheißen haben. Jetzt ist die Zeit trivialer und der Prior heißt nun einfach Herr Beha, die dienenden


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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 525. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_525.jpg&oldid=- (Version vom 29.1.2017)