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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

des Kranken in verschiedener Weise, fördern zu können. Zu den naturgemäßen diätetischen Heilhülfsmitteln gehören nun aber vorzugsweise: Luft, Licht, Nahrung, Wärme, Kälte, Wasser, Ruhe, Bewegung etc., nicht aber die für die meisten Kranken ganz naturwidrigen und deshalb oft schädlichen Kaltwasserstrapazen, die Schroth’sche trockene Semmeltortur, die Dampf- und römisch-irischen Bäder. Denn der Hauptgrundsatz bei diätetischer Behandlung eines Kranken muß stets der sein, daß der kranke Körper nicht durch ungewohnte Einwirkungen widernatürlich erregt und dadurch in seinem Gesunden gestört, sondern in ihm auf die mildeste Weise der Naturheilungsproceß unterstützt werde. – Am unvernünftigsten ist es nun aber, alle Krankheiten der Menschheit durch ein und dasselbe sogenannte diätetische Heilverfahren (manchmal mit unbedeutenden Modificationen) curiren zu wollen, wie das vorzugsweise die Kaltwasser-, Schroth’schen- und Natur-Pseudoärzte thun, denen sich natürlich noch viele andere Quacksalber, besonders mit Bädern, welchen dieses oder jenes unnütze Zeug (Lohe, Fichtennadeln etc.) zugesetzt ist, anschließen. – Daß von den wissenschaftlich gebildeten allopathischen Aerzten die allermeisten sich bei Behandlung von Krankheiten weit mehr auf arzneiliches, als auf diätetisches Verfahren verlassen, ist sehr traurig und hat Gründe, die ich vorläufig verschweigen will. Aber Zeit wird es allerdings, daß sich die Heilkunst allmählich der Heilkunde (medicinischen Wissenschaft) mehr accommodirt und endlich von einem Arzneimißbrauche abläßt, der größtentheils doch nur dem Aberglauben dummer Patienten huldigt und sogar schon den Gevatter Schneider und Handschuhmacher dahin gebracht hat, sich und seines Gleichen beim Braunbiere und bei wässerigem Gewäsch über Heilkunst zu „Naturärzten“ zu promoviren.

Schließlich wollen wir uns auch die curirenden Laien und Homöopathen einmal ansehen und ihre kindische Renommisterei und arrogante Frechheit beleuchten. Denn eine Frechheit und Unverschämtheit sonder Gleichen ist es, wenn so ein sogenannter Naturarzt, der vom gesunden und vom kranken menschlichen Körper nicht Kix und nicht Kax versteht, und ebenso wenn ein Homöopath, dessen medicinisches Wissen = 0 (gleich Nichts) ist, Männern der Wissenschaft, die viele Jahre Tausende von Kranken und Leichen untersuchten, mit der Redensart entgegentritt: Ihr versteht von unserer Heilweise nichts und wollt sie auch nicht kennen lernen, darum bekommt Ihr auch niemals eine richtige Ansicht von der Sache. Nun wahrlich, man müßte ein wissenschaftlicher Cretin sein, wenn man Heilkünsteleien nicht verstehen und sofort durchschauen wollte, die jeder dümmste Pinsel und jeder unwissendste aller Ignoranten in kürzester Zeit ohne alle Vorstudien erlernen kann. – Was die Homöopathen betrifft, so haben wir schon zu wiederholten Malen geschrieben, daß sich unter ihnen auch nicht ein einziger Mann befindet, der in der Wissenschaft genannt würde, wohl aber eine Menge von halbschürigen und verdorbenen Medicinern, sowie allerlei Abkömmlinge von Homöopathen und Laien männlichen und weiblichen Geschlechts und jedweden Standes. Und diese Gesellschaft wagt es, dem Ausspruche des Herrn Dr. Clotar Müller in Leipzig (der es übrigens auch nicht verschmäht allopathische Arzneien in großer Gabe zu verordnen) zuzujauchzen, daß unsere jetzige wissenschaftliche Medicin, das Product langjähriger eifriger Forschungen großer Gelehrter, „die personificirte Impotenz in der höchsten Potenz, eine Frucht überstürzter Verblendung“ sei, „die nicht mit der jugendkräftigen Homöopathie um die Palme des Sieges ringen kann“! – Was die wunderbaren Heilungen durch Homöopathen betrifft und die großen Erfolge der homöophathischen Heilkünstelei bei lebensgefährlichen Krankheiten, so weiß man, wie es damit steht und daß, wenn wirklich eine solche Heilung zu Stande kam, dieselbe niemals den angewandten homöopathischen Mitteln, sondern, stets den Naturheilungsprocessen zu verdanken war. Manche Homöopathen erdichten auch wunderbare Heilungen, wie z. B. Hr. Lutze in Cöthen, der die homöopathischen Arzneien mit Lebensmagnetismus versetzt. Von ihm heißt es in zwei Berichten der königl. Polizeidirection in Potsdam (vom 18. August 1846 und vom 8. Juli 1850), daß, „wo derselbe in einzelnen Fällen sich der Heilung bedeutender Uebel öffentlich gerühmt habe und in seinen Schriften noch rühme, das Gegentheil davon bekannt worden sei“.

Wenn viele Homöopathen sich rühmen, von solchen Kranken, die unter jeder andern Behandlung deshalb meistens sterben, weil die Natur nicht helfen kann, nur wenige verloren zu haben, so ist dies leicht zu erklären; denn entweder waren es jene schlimmen Krankheiten gar nicht, die sie behandelten (der Homöopath kann und braucht ja auch nicht zu diagnosticiren), oder es sprangen die Angehörigen des Kranken, wenn es mit diesem zum Tode geht, von der Homöopathie ab und holten flugs noch einen Allopathen, auf dessen Conto nun der Gestorbene kommt. So verhält es sich auch mit der Naturdoctorei, die sich sogar rühmt, daß sie durch ihre „physiatrische Wirksamkeit“ oft noch „fast vom Tode“ erretten könne.

Es ist recht human und lobenswerth, wenn Laien ihren kranken Mitmenschen zur Wiedererlangung der Gesundheit mit Rath und That beistehen, ohne damit ein einträgliches Geschäft, wie die meisten Besitzer von Kaltwasser- und Naturheilanstalten, machen zu wollen. Aber dieses Arztspielen der Laien darf nur nicht darin bestehen, daß sie auf gut Glück hin bei allen Kranken ein und dieselbe Lieblingscur in Gebrauch ziehen, wäre es auch die, wie sie meinen, „heilsame Combination des Prießnitz’schen und Schroth’schen Systems“. Das ist nicht nur recht einfältig, weil es gegen die in unserm Körper herrschenden Naturgesetze verstößt, sondern es kann auch, wie ich oben nachzuweisen suchte, sehr gefährlich ablaufen. Und ich sollte denken, es müßte so einem Naturarzte, dem nachgewiesen werden kann, daß er durch sein unbefugtes Curiren einen Mitmenschen unglücklich oder vielleicht sogar todt gemacht hat, zeitlebens Gewissensbisse machen. (Wir wollen übrigens von jetzt an dieser Art von Heilkünstlern auf die Finger sehen. Verf.) – Will der Laie sich und seinen Mitmenschen in gesundheitlicher Hinsicht wirklichen Nutzen schaffen, so strebe er zuvörderst mit allen Kräften dahin, daß die Kinder in den Schulen und im Hause mehr als jetzt von ihrem Körper und von der Gesundheitslehre lernen; er selbst mache sich aber auch mit den Gesetzen bekannt, welche zum Gesundbleiben und Gesundwerden unseres Körpers beobachtet werden müssen, um sich, seine Angehörigen und, zumal wenn er in irgend welcher Stellung auf das Volkswohl Einfluß äußern kann, seine Mitmenschen vor Schädigung der Gesundheit wahren zu können.

In späteren Artikeln wollen wir den Zweck besprechen, welchen die Männer der medicinischen Wissenschaft vor Augen haben, wenn sie dem Publicum Einblick in die Medicin zu verschaffen suchen (die Medicin popularisiren). Keinenfalls ist es der, aus jedwedem Menschen einen Curirer zu machen. – Sodann wollen wir auch einmal die Krankheiten des Menschen eine Revue passiren lassen, um an ihnen zu zeigen, einestheils wo arzneiliche, sowie alle andern Eingriffe unnöthig oder gar schädlich sind, und anderntheils wo durchaus ein wissenschaftlich gebildeter Arzt zu Rathe gezogen werden muß.

Bock.




Das Leben in Eisen und die Kunst in Holz und Stein.
Erinnerungen aus den Chemnitzer Industrie-Festhallen.


Unsere Illustration führt uns noch einmal nach Chemnitz in die Festhallen der Industrie von Sachsen und Thüringen zurück. Leser und Aussteller müssen wir aber im Voraus bitten, uns nicht die Absicht zuzutrauen oder zuzumuthen, daß wir auf ein paar Spalten der Gartenlaube eine gründliche Belehrung über den Inhalt der Ausstellung geben oder uns gar zu einer Art Vor-Jury aufwerfen und jedem Verdienste seine Krone aufsetzen wollten. Wir können keinen besseren Zweck verfolgen, als den unseres ersten Artikels: durch die Aeußerungen unserer aufrichtigen Freude über das Gesehene recht viele deutsche Menschen zu einem Besuch dieser sächsisch-thüringischen Ausstellung anzuspornen. Eben deshalb ist es heute vorzugsweise die sinnige Frauenwelt, für welche ich mich als zum Führer durch die schönen Hallen engagirt denke.

„Von der Wiege bis zum Sarg Alles von Eisen!“ Fast wörtlich habe ich diesen Ausruf von solchen Besucherinnen erlauscht, welche in der Haupthalle zur Linken des Octogon sich


Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 538. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_538.jpg&oldid=- (Version vom 19.2.2017)