Seite:Die Gartenlaube (1867) 539.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

langsam und immer langsamer von einer Waarengruppe zur andern bewegten und endlich so in Anschauen versunken und selbstvergessen stehen blieben, als ob sie sich da häuslich niederlassen wollten. Hier hat das Eisen sein Gebiet, so weit es selbst Kunstform angenommen hat, nicht das Eisen, welches die Arme und Beine des Dampfes vorstellt und im entfernten Maschinenraum donnert und rasselt. Hier ist aber auch Alles vertreten, was der Mensch an Geräthschaften des Bedürfnisses und Vergnügens, vom untersten bis zum obersten, vom größten bis zum kleinsten, auf der Straße und im Garten, in Haus und Stall, in Prunkzimmer und Wohnstube, ja sogar in Schule und Kirche selber braucht und schließlich auf dem Gottesacker sich gefallen lassen muß. Treten wir ein wenig näher.

Nur vier Firmen sind auf dieser Eisenparade vertreten, aber jede stellt ihren Mann: die Eisenhüttenwerke von Tangerhütte bei Magdeburg und von Lauchhammer in Verbindung mit den anderen gräfl. v. Einsiedel’schen Hüttenwerken von Gröditz, Riesa und Berggießhübel, ferner die Eisengießerei von G. P. Heßler in Chemnitz und Eisenhüttenwerk und Maschinenfabrik von Nestler und Breitfeld zu Erla bei Schwarzenberg im sächsischen Erzgebirge.

Wir binden uns an keine dieser Firmen und ihre Ausstellungsordnung, sondern lassen unsere Wünsche nach eigener Wahl in dem Reichthum herumschwärmen. Sorgen wir zuerst für Straßen und Plätze, so bietet man uns nicht nur das modernste Bedürfniß der Gasröhren und Candelaber aller Größe, sondern auch prächtige Brunnenständer, Veranda- und Treppengeländer, reichverzierte Haus- und Hof- oder Gartenthore, Balcone, welche die Straße schmücken, und sogar einen Balcon mit doppelter Wendeltreppe, deren ebenso zierliche, wie feste Glieder von einer Achse zusammengehalten werden.

Erstaunlich ist, was das Eisen für den modernen Hausbau leistet an Balken und Säulen, Treppen und Geländern von unten bis oben und hinauf bis zum eisernen Dachfenster. Aber wahrhaft gemüthlich wird es in den Zimmern selbst. Wo sonst Thon und Gyps, Holz und Horn, Porcellan und Elfenbein, Papiermaché und Marmor abwechselnd oder gemeinsam herrschten, hat jetzt das Eisen allein sich eingedrängt. Nicht blos der Ofen steht herrlich wie ein Werk des Bildhauers da, das köstliche Uhrgehäuse mit dem Arabeskenschmuck, die Etagère für die Damenbibliothek und die lieblichen Nippsachen, ja diese selbst sammt Tischen, Stühlen und Canapee und nicht blos die Büstchen und Statuettchen auf den Consölchen, sondern wiederum auch diese selbst, Alles ist von Eisen zu haben, Alles in anmuthiger Ordnung hier um uns her gestellt. Alles von Eisen, und um den eisernen Ring um unser bischen Dasein uns recht schlagend vor Augen zu führen, grenzen hier Taufstein und Grabkreuz vom selben Material hart an einander. Wenn wir nicht selber in den Garten wollen, für dessen Möbel in ausreichendster Weise gesorgt ist, so verwandelt der Salon sich zum Garten durch die eisernen Gartenlauben mit dem Epheublätterdach und die Blumentische, die so reizend da stehen, daß uns der Wunsch befällt: Möchten doch auch die Blumen unvergänglich sein! Kaum gedacht, ist’s geschehen: man führt uns wenige Schritte weit, und da steht ein Blumentisch von Rewitzer, welchen Igel mit unvergänglichen Blumen geschmückt hat.

Einsam, erhaben über dieses Groß- und Kleinzeug hinter sich, steht Reuchlin, der Eherne von Lauchhammer[1], am Aufgang zur Halle; er sieht aus, als wüßte er nicht recht, was er hier bedeuten soll. Aus seiner Denkmalgesellschaft, die seine Bedeutung dem Volke erst mit erklärte, herausgerissen, stellt er für die große Menge hier weiter nichts vor, als eine Gußprobe; als solche wird die Statue von den Fachleuten jedoch ebenso bewundert, wie das Bildnerwerk selbst von Künstlern und Kunstfreunden.

Weit besser versteht sich mit den Leuten der alte Fabel-Gellert, an dessen Gypsstatue wir vorüber müssen, um zur Kunst in Holz zu gelangen. Der liebe alte Herr hat sich in Aller Herzen in der Kinderzeit eingeschlichen, so daß es noch die Erwachsenen freut, ihn endlich einmal persönlich kennen zu lernen. Hinter ihm überkommt uns die berühmte Qual der Wahl. Man fühlt sich nach links und rechts, zu Franz Schneider’s und zu Friedrich’s Holzschnitzereien gleich stark angezogen. Das Weltliche siegt: wir gehen an der Kanzel vorüber zu Friedrich’s Jagdschrank, vor dem wir uns für einige Zeit niederlassen.

Dieses Meisterwerk des Kunsttischlers und Bildschnitzers Friedrich in Dresden ist ein Schrank aus Eichenholz, der in zwei Absätze getheilt ist, in dessen oberem der Gewehrstand, während im unteren das sonstige Waidmannszeug Platz findet. Der Hauptwerth desselben liegt in dem Kunstschmuck von acht Bildern, auf welche ich die Aufmerksamkeit der Besucher ganz besonders hinlenken möchte. Zuoberst der Geier mit dem Huhn in der Kralle ist eine Gruppe von außerordentlicher Wahrheit; stark und frei hebt das Raubthier als Sieger die Schwingen. Von den beiden Thierköpfen zum Ausputz der beiden Schrankseiten oben erwirbt sich das Fuchsköpfchen die meisten Freunde. Unter diesen sehen wir zur Linken drei Schnepfen an einem Nagel hängen; der Schnabel der einen Schnepfe, welche am Kopf aufgehängt ist, hat sich ihrem eigenen Gefieder auf der Brust tief eingedrückt; das Seitenstück dazu auf der rechten Seite bilden zwei Rebhühner und eine wilde Ente, die in den Flügel geschossen ist, der deshalb herabhängt. Am unteren Theile hält an jeder Seite ein Jagdhund Wache, deren jeder an einer (ebenfalls aus dem Ganzen geschnittenen) Kette liegt. Das Hauptstück aber, ebenfalls am unteren Theil, stellt eine Gruppe von vier Stück Wild vor, die aus ihrem Lager im Walde aufgeschreckt werden, weil im Hintergrund so eben ein Hirsch auf der Flucht durch das Holz bricht. Alle diese Holzschnitzereien sind der Natur abgelauschte Thierportraits; man braucht nicht Jäger zu sein, um sich von dieser ebenso geschmackvollen, wie correcten und sauberen Arbeit immer wieder angezogen zu fühlen. Uebrigens kostet dieser Schrank, was er unter „sehr hohen“ Brüdern werth ist: Achthundert Thaler.

In der Ausstellung Franz Schneider’s aus Leipzig begegnen wir sehr vielen Gegenständen in Holz, die wir vorher in Eisen vorliegen hatten: Oefen und sonstige dem Feuer dienstverpflichtete Sachen ausgenommen wiederholt sich hier ein „Leben in Holz“, durch eine in jeder Beziehung gediegene Kunst veredelt. Unter dem geschmackvollen Hausrath und Zimmerschmuck jeder Art, namentlich kunstreichen Uhrgehäusen, Basreliefs, fesselte uns auch hier ein köstlicher Blumentisch, dessen viele Schmuckketten ebenfalls aus dem Ganzen geschnitten sind. Diese Kettenschneiderei ist mehrfach angewandt und scheint eine besondere Liebhaberei des Künstlers zu sein.

Es ist kein Wunder, wenn die Blicke des Verlangens aus schönen Augen in dieser Halle viel umgehen. Da bleiben sie auf den prachtvollen Kunstmöbeln haften, dem erfrischenden Farbenspiel der Tische und Tischchen mit Holzmosaik und Glasmalereien, den Secretären und Schreibtischen von neuer sinniger Einrichtung, dem Schmuckkästchen, das selbst ein kostbarer Schmuck für einhundertundachtzig Thaler ist, den Stühlen, in denen sich’s so bequem sitzt, daß man kaum wieder aufstehen mag, und nun gar links und rechts davon, dort die Spielwaaren vom Thüringerwald (Dietz in Sonneberg) und Erzgebirge, die Lust der Kinder und der Mädchen, alt und jung, Gottlob! so lange die Welt steht, und dort die stattliche Sammlung von Pianofortes und Uhlig’schen Harmonions und darunter sogar ein Nähtischchen mit Harmonium – utile cum dulci – wer kann da widerstehen?

Des Contrastes wegen folgen uns unsere Damen aus dieser glänzenden Umgebung ein wenig abseits zur allereinfachsten Erscheinung in Holz, zu dem Reifendreher Sigismund Müller aus Seiffen bei Olbernhau. Wir sehen freilich weiter nichts, als eine alte Drehbank, die der allgemeine Industriehallendampf mit in Bewegung setzt, und einen schlichten Erzgebirgler dahinter, welcher nichts als Holzreifen, nur von verschiedenen Randvertiefungen, dreht. Lassen wir uns aber ein Stückchen aus einem solchen Reifen herausschneiden, so überrascht uns der Anblick irgend einer

  1. Wir benutzen diese Gelegenheit, um in der Gartenlaube noch einmal auf unsern Artikel über Lauchhammer („Die Reformatoren in der Gießhütte“, Nr. 27) zurückzukommen, über welchen einige Berichtigungen und Wünsche eingegangen sind. Vor Allem wünscht man die Wege und Brücken nicht zu sehr verdächtigt zu sehen; sie glichen nur bei sehr anhaltender Nässe dem von uns gebrachten Bilde derselben, seien aber den größten Theil des Jahres gut; auch das Stützen der Brücken soll nur ausnahmsweise, beim Transport großer Monumente, wobei bis zu dreihundert Centner schwere Lasten zu bewegen waren, vorgekommen, dann aber bei andern und sogar Festungsbrücken ebenso nothwendig gewesen seien. Was die Transportmasse von Lauchhammer betreffe, so betrage dieselbe wöchentlich im Durchschnitt zehntausend Centner; das Hauptproduct des Werks sind Eisengußwaaren, der Statuenguß muß neben diesem, trotzdem er nichts weniger als unbedeutend, doch als Nebenbranche betrachtet werden. Ebendeswegen verdient auch die Notiz Mittheilung, daß in Lauchhammer schon im Jahre 1785 mit dem Emailliren eiserner Kochgeschirre begonnen worden ist.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 539. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_539.jpg&oldid=- (Version vom 19.2.2017)