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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

sein Unternehmen, wie wir später des Näheren ausführen werden, mit einer ziemlich kleinen Eisengießerei vor dem Oranienburger Thor in Berlin. Als diese sich zu einer großen Maschinenbauanstalt entwickelt hatte, sah er ein, daß er zur Bearbeitung des Rohmaterials einer eigenen Fabrik bedürfe, und schuf daher das Walz- und Hammerwerk in Moabit, welches seit 1852 in ununterbrochenem Betriebe sich befindet. Hart an der Straße nach Moabit gelangt man an einen schon von außen imponirenden stattlichen Park, aus dessen dunklem Laub ein schloßartiges Wohnhaus hervorblickt. Dies sind die berühmten Borsig’schen Gärten; dicht daneben führt eine breite Einfahrt zu einem aus Backsteinen aufgeführten Portal, dessen Pfosten zwei kolossale Statuen, Schmiede von markiger Gestalt, zieren. Durch das Portal gelangt man in einen weitausgedehnten Hof, auf welchem ein geschäftiges Treiben wogt. Die Gebäude zur Rechten des Eintretenden umfassen die Bureaux, die technischen, sowie die kaufmännischen Verwaltungsräume. Ein Seitengebäude zur Linken enthält Schlosserei und Tischlerei. Vor dem Eintretenden liegt ein großes Bassin zur Abkühlung des glühenden Eisens. Schwer mit Metallen beladene Wagen fahren ab und zu; hier wird mit riesigen Gewichten Eisen gewogen, dort das glühende Metall herausgefahren und von fern her dröhnen dumpfe Hammerschläge an das Ohr. Vor uns erhebt sich ein langausgestrecktes mit einem Tonnendach versehenes Gebäude, aus welchem der Lärm arbeitender Maschinen immer stärker zu uns herandringt, je näher wir dem Eingange uns zubewegen. Wir treten ein, doch überrascht von dem wunderbaren Treiben, das sich vor unsern Blicken in der sechshundertfünfzig Fuß langen und über hundert Fuß breiten Halle zeigt, bleiben wir stehen. Diese letztere ist meist durch Oberlicht erleuchtet und gewährt schon an sich durch die Dachconstruction mit ihren mächtigen Bändern und Trägern von Eisen einen gewaltigen Anblick. Eine Unzahl glühender Feuerstätten: Puddelöfen, Schweißöfen, Schmieden etc. sind in Thätigkeit und sprühen ihren Funkenregen in den buntesten Verschlingungen. Durch den ganzen Raum fahren unablässig, von je einem Arbeiter geleitet, kleine zweirädrige Karren, hoch mit glühenden Eisenstücken bepackt, pfeilschnell von einem Ende zum andern; an allen Orten sehen wir die Arbeiter, den Cyklopen gleich, mit dem glühenden Eisen herumhantiren: wie Bandstreifen ziehen sie glühende Eisenstäbe durch die Walzen, gestalten sie die unförmliche Masse zu Blechen und Schmiedestücken, und in dichten Feuerregen gehüllt verschwinden die geschwärzten Gestalten der Arbeiter oft auf Minuten vor unseren Augen.

Wenn sich der überraschte Blick einigermaßen zu orientiren beginnt, bemerken wir vor uns eine lange Walzenstraße, dieser gegenüber eine riesige Dampfmaschine und rechts und links, mehr oder minder davon entfernt, eine Anzahl von Eisenhämmern und zwar sieben von zwanzig, fünf von sechszig, einen von hundert und einen von zweihundert Centnern; ferner fünfzehn Dampfmaschinen im Ganzen von sechshundert (darunter eine von allein hundert) Pferdekraft. Der furchtbare Lärm, welchen alle diese Maschinen hervorbringen, wird zuweilen noch übertönt, wenn, unter massenhaftem Funkenregen, die Kreissäge ihre Arbeit beginnt. Man glaubt dann für Augenblicke, daß alle Lärmgeister der Hölle losgelassen seien. – Zur Linken des Einganges befindet sich ein an die Fabrik grenzender mächtiger Raum, welcher den „Walzenpark“ umfaßt, während auf der anderen Seite der Halle sich die Vorrathsräume anschließen. Neben der Halle liegt ein großer Hof, in welchem die Halbproducte aufgestapelt sind und der von dem Gußstahlwerk begrenzt ist.

In dem Eisenwerke werden nun aus dem Rohmaterial, welches in den Borsig’schen Hüttenwerken in Oberschlesien gewonnen wird, sämmtliche Eisen- und Stahlmaterialien für die, wie wir bemerkten, in der Stadt selbst befindliche Locomotivenfabrik hergestellt; und zwar alle Sorten von Stahl- und Façoneisen, Bleche, schmiedeeiserne Wellen bis zu einem Gewichte von hundert Centnern, Achsen für die Locomotiven, Tender und Eisenbahnwagen in Feinkorneisen und Gußstahl, Façonschmiedestücke jeder Art in beiden Materialien, sowie Bandagen im Gesammtquantum von zweihundertfünfzigtausend Centnern pro Jahr. Die Zahl der Arbeiter des Werkes beläuft sich auf etwa achthundert Mann, welche in Schichten von zwölf zu zwölf Stunden beschäftigt werden, so daß also die Fabrik Tag und Nacht in Thätigkeit ist. Nach je vierzehn Tagen tritt eine Pause von vierundzwanzig Stunden zur Reparatur der Oefen ein, zu deren Erheizung dreizehn- bis vierzehntausend Lasten Kohlen im Jahr erforderlich sind. Der Hofraum, welcher hinter der Fabrik zwischen dieser und dem Spreeufer sich ausdehnt, umschließt eine bedeckte Badeanstalt für die Arbeiter mit lauwarmem, aus der Fabrik geleitetem Wasser. Diese ist in origineller Weise construirt und das Bassin auf der einen Seite niedrig (zum Gebrauch für die Lehrburschen), auf der andern Seite tief und zum Schwimmen geeignet (für die Gesellen) eingerichtet; dasselbe wird im Winter erwärmt. Jede die Arbeit verlassende Schicht von Arbeitern benutzt vor dem Heimgange diese Badeanstalt.

Ganz erfüllt von den empfangenen Eindrücken, gelangen wir, an jenem im Eingange erwähnten Schornsteine vorüber, wieder in den Vorhof, auf welchem soeben eine große Partie verarbeiteten Rohmaterials aufgeladen wird, um in dem Berliner Etablissement seiner weiteren Bestimmung entgegengeführt zu werden. Wir aber wollen von Moabit nicht scheiden, ohne dem berühmten Borsig’schen Garten, einer der hervorragendsten Sehenswürdigkeiten in den Umgebungen Berlins, einen Besuch abgestattet zu haben. Der jetzige Besitzer, Commercienrath Albert Borsig, der einzige Sohn und Erbe des verewigten Gründers dieser Werke, gestattet mit der liebenswürdigsten Bereitwilligkeit Fremden den Eintritt in seinen Garten, welcher, namentlich durch seinen großartigen Camellienflor, einen europäischen Namen erlangt hat, aber auch zu anderer Zeit, im Sommer, viel des Herrlichen und Bewunderungswürdigen bietet. Man begreift es, daß Friedrich Wilhelm der Vierte dem verstorbenen Borsig bei einem Besuche des Gartens einmal zurief: „Wenn ich doch so wohnte, lieber Borsig!“

Ein breiter, sauber gehaltener, mit Kies belegter Gang führt durch den herrlichen Park nach der Villa, in welcher der Fabrikherr wohnt und für welche die Bezeichnung „Wohnhaus“ allerdings viel zu bescheiden ist. Breite, große Rasenstrecken, bestanden mit schattigen Eschen, Rüstern und Ulmen, durchziehen den ganzen Theil des Parkes vor dem Wohnhause und zeigen hinter zierlichen Gittern ein Gehege, in welchem sich zahme Rehe herumtummeln. Ein breites Portal, welches neben dem neuangebauten Flügel des Wohnhauses liegt, führt uns in das Gewächshaus, das im Winter auf der einen Seite eine wirklich zauberhafte Mannigfaltigkeit von Camellien umschließt und auf der andern Seite an ein großartiges Palmenhaus stößt. Dies letztere gewährt, ebensowohl durch seinen reichen Inhalt wie durch die sinnige und überaus malerische Anordnung einen überraschenden Anblick. In der Mitte glitzert ein großes Bassin, aus welchem sich, beschattet von Fächer- und Dattelpalmen, die Marmorfigur eines badenden Mädchens auf einem Tropfsteinfelsen erhebt, über den eine Cascade herabrieselt. Die Figur ist ein Meisterwerk des Bildhauers Cantardini in Mailand und trägt nicht wenig dazu bei, den Eindruck des Palmenhauses zu verschönen. Aus dem letzteren treten wir direct in den Blumengarten, welcher die Hinterfront des Wohnhauses umkränzt und zur Zeit in einem Rosenschmuck prangt, der jeder Schilderung spottet. Diesen Theil des Gartens grenzt eine Marmorbank ab, vor der sich auf schlanker Säule die Marmorbüste des verstorbenen Borsig erhebt, ein Meisterwerk Rauch’s. Mehrere Wege führen nun in den weit ausgedehnten, bis an die Spree reichenden Park mit vielen schattigen Gängen, auf denen man ab und zu Halt macht, um die einzelnen seltenen Bäume und Anlagen zu bewundern. Wir bleiben vor einem hohen eisernen Hause stehen, in dem sich zwei Araucarien oder Chili-Tannen erheben, Coniferen von wunderbarer Gestalt, welche in ihrer Heimath einhundertundzwanzig Fuß hoch werden und hier bereits eine Höhe von sechszig Fuß erreicht haben. Vor diesen Bäumen dehnt sich eine kleine, völlig bezaubernde Tropenlandschaft aus; ein Wasserfall bildet einen sich weit ausdehnenden und reich bevölkerten Goldfischteich, neben welchem sich ein Victoria-Regia-Haus erhebt. Die Ufer dieses Teiches sind mit Tropenpflanzengruppen reich verziert: Fächerpalmen wechseln mit einer Baumfarrengruppe ab; hier prangt eine Cycas-, dort eine Dracänengruppe; dazwischen erglänzen niedrige, buntfarbige Blattgewächse, und das Auge weiß nicht, wohin es sich in diesem Formenreichthum der seltenen Pflanzen zuerst wenden soll, welche sich auf dem dunklen Hintergrunde des Parks wirksam abheben.

Einen eigenen Anblick gewähren die Nymphäen auf dem Teiche mit ihren duftigen und in röthlichen Schattirungen prangenden Blüthen, welche den Eindruck der Tropenlandschaft vollenden. In der That, man glaubt vor dem illustrirten Blatte eines morgenländischen Märchens zu stehen und trennt sich nur schwer, dem


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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 555. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_555.jpg&oldid=- (Version vom 19.2.2017)