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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

Nr. 11.

Der soldier oder leather-head hat ebenfalls seine ganz bestimmte Melodie, in der eine Welt von Melancholie liegt. Ich habe ihn, obgleich er von den Colonisten wohl gekannt ist und ziemlich verbreitet zu sein scheint, nur auf der Station eines alten Freundes, Herrn Bracker, eines gebornen Mecklenburgers und eines der hervorragendsten Deutschen in Australien, gehört und gesehen.

Der Vogel kam des Abends auf einen dem Hause nahestehenden Baum und sang da verschiedene Male sein wehmüthiges Liedchen mit reiner, aber etwas scharfer und seufzender Stimme, das beginnende c jedes Mal scharf markirt wie durch eine gewaltsame rasche Exspiration.

„Unsere deutschen Singvögel,“ so schrieb ich unter dem ersten Eindruck an meinen Bruder in Deutschland, „sind wahrhaftig gegen die australischen nur Stümper,“ und ich habe keinen Grund, dieses Urtheil zu ändern.

Beim ersten Grauen des Morgens erwachte das gefiederte Sängerchor zum neuen heitern sorgenlosen Tagesleben. Ich hörte wenig während der Nacht. Der Curlew allerdings ließ seine wilden, schneidenden, melancholischen Rufe durch die tiefe, nächtliche Stille schallen, ein unruhiger, langbeiniger, langhalsiger und langschnabliger Nachtwanderer, der keinen Frieden finden kann. Oder es huschte eine Eule aus ihrem modernden Loch, um ein Bischen Luft zu schöpfen und ein Bischen zu rauben, oder ein hungeriger Adler schnitt mit schwerem Flügelschlag über das Rindendach unserer Hütte, durch dessen Spalten das Licht des Mondes in breiten Streifen herabfiel oder das strahlende Licht eines Fixsterns auf einen Augenblick hereinbrach.

Ein Parrot begann mit seinem unveränderlichen geduldigen Kakariki, die schlafenden Brüder zu wecken, und behielt durch den ganzen Vortrag sein Solo wie ein Vorsänger, während allmählich einer nach dem andern, alle Parrots, ihm respondirten. Es war nichts Anderes als eine eintönige Litanei, wenig Melodie außer einer ziemlich reinen Sext. Die Litanei ist endlich im strengsten Rhythmus in vollem Gang und stimmt, wir nehmen an, in G-Dur. Mit Eins mischt ein Magpie seine Zauberstimme in das monotone Geleier der buntfederigen Mönche, das ihm gleichsam zur Folie dient, und singt:

Der Nachklang dieser reinen Töne schwimmt noch, leiser und leiser werdend, durch das Geleier, das Ohr lauscht wie Tönen aus einer anderen Welt, der Sänger macht eine Pause und beginnt wieder:

Wieder eine Pause, gleichsam als wenn er selbst dem Wiederklange seiner glockenhellen Stimme mit Entzücken lauschte.

Nun

wieder eine Pause, dann plötzlich mit einer Kraft und einer Anmuth, die erkennen lassen, wie viel der Sänger selbst auf diese Stelle hält:

Dies repetirt sich mit Zwischenpausen vier bis fünf Mal, leiser und leiser wird der Gesang der Parrots, endlich ist Alles still. Allmählich lassen sich auch die anderen Sänger hören. Sie gehören alle dem Krähengeschlecht an, aber, wie es scheint, verschiedenen Arten desselben.

D. H. Beckler.




Blätter und Blüthen.

Der Turnvater Jahn als Spion. Von einem der wenigen noch lebenden Kampfgenossen Jahn’s und Körner’s geht uns die nachstehende Mittheilung zu, die einen der wichtigsten Momente aus dem Leben des Turnvaters schildert, welchem dieser selbst nur in einem in seinem Nachlasse gefundenen Blättchen an Professor Eiselen flüchtig erwähnt:

Das dritte Bataillon des bekannten tapfern Lützow’schen Freicorps, der schwarzen Schaar, stand unter dem Befehl des Turnvaters Jahn, welcher die Charge eines Lieutenants inne hatte, aber allgemein als Hauptmann titulirt wurde, weil die unter seinem Commando stehenden Freiwilligen sehr wohl wußten, daß Jahn einer derjenigen deutschen Männer war, durch welche die Bildung der schwarzen Schaar ihren Anfang genommen hatte. Im September des Jahres 1813 befanden wir uns in Mecklenburg im Lager bei Zarrentin. Unser drittes Bataillon war den Truppen des Generals Wallmoden zugetheilt und hatte die besondere Aufgabe, den Marschall Davoust an der Stecknitz zu beobachten. Unsere Lage war keine beneidenswerthe. Die öde Gegend, aus Sümpfen und Haiden bestehend, bot wenig Abwechselung dar, es trat allmählich Mangel an Lebensmitteln ein und fast täglich wurden wir von den dänischen Husaren beunruhigt, ohne daß diese uns Stand hielten und in ein Gefecht mit uns eintraten. Dies erbitterte uns von Tage zu Tage mehr. Wir glühten von Kampfeslust, doch leider war uns bisher noch wenig Gelegenheit geboten worden, uns mit den Franzosen messen zu können, denn durch ihre Uebermacht waren wir von ihnen fast beständig im Schach gehalten worden. Und doch hatten wir noch eine tüchtige Scharte auszuwetzen! Unsere Reiterei war von dem hinterlistigen Feinde verrätherischer Weise während des Waffenstillstandes bei Leipzig in die Pfanne gehauen und größtentheils zersprengt worden, wobei manches edle deutsche Herzblut geflossen war; unser theurer Körner, der Stolz des Bataillons, dem ich manches Mal die Büchse getragen hatte, während er seine feurigen Kriegslieder dichtete oder sie uns vorlas, schlummerte, von einer französischen Kugel getroffen, in seinem Heldengrabe und viele unserer Cameraden waren bei dem nächtlichen Ueberfall in Lauenburg getödtet und verwundet worden.

Diese Scharte auszuwetzen, dazu schien vorläufig wenig Aussicht vorhanden, denn noch immer lagen wir einer bedeutenden Uebermacht des Feindes gegenüber, der noch den Vortheil einer günstigeren Stellung hatte. Ueber diese konnten wir nur sehr wenig erfahren, und selbst diese wenigen Nachrichten waren durchaus unzuverlässig. Mißmuth und Ingrimm hatten sich unsers ganzen Corps bemächtigt.

Um den Mittag des 14. September hatte unser Hauptmann Jahn das Bataillon zum Appell versammelt. Nach Beendigung desselben wählte er sich zehn Mann aus, unter welchen auch ich mich befand, und bedeutete uns, zu warten, da er uns eine Mittheilung zu machen habe. Neugierig, welcher Art diese Mittheilung sein werde, und die stille Hoffnung hegend, daß vielleicht eine Unternehmung beschlossen sein könne, welche der bisherigen niederdrückenden Unthätigkeit ein Ende machen werde, sahen wir unsere Cameraden sich entfernen. Als wir nur noch allein dastanden, trat Jahn unter uns und ließ uns dicht an sich herantreten. „Kinder,“ sagte er mit gedämpfter Stimme, „so kann es nicht länger fortgehen. Etwas muß geschehen. Vor allen Dingen gilt es, einen genauen und zuverlässigen Bericht von der Stellung des Feindes zu erhalten. Wer von Euch will mich in das Lager der Franzosen begleiten? Ihr wißt, wenn sie uns kriegen, dann ist ein schimpflicher Tod unser Loos, aber wenn auch ich und Jeder von Euch einen ehrenvollen Soldatentod vorziehen, so will ich auch vor einem schimpflichen Tode nicht zurückschrecken, wenn ich durch mein Wagen einen Vortheil für uns Alle erreiche. Wer hat Lust?“

Ich, ein junger Mensch von einundzwanzig Jahren, durchglüht von der feurigsten Begeisterung und einem unauslöschlichen Hasse gegen die Unterdrücker unseres Volkes, trat augenblicklich vor und erklärte mich bereit. Auch die Anderen waren alle mehr oder weniger entschlossen, das Wagestück mit unserem geliebten Hauptmann auszuführen. Seine Wahl traf indeß mich. Er bestimmte, daß ich mich um zwei Uhr Nachmittags bei ihm einstellen sollte. Pünktlich traf ich ein, und wir begaben uns in das nächste Dorf, dessen Namen ich leider vergessen habe. In einer Scheune fanden wir zwei vollständige Anzüge Mecklenburger Bauern, welche wir anlegten. Ein kleines Fäßchen Rum, einen mehrfach zusammengedrehten Strick als Tragband aufweisend, lag für Jeden bereit, und bald hatte sich der Hauptmann Jahn mit seinem Gefährten in zwei Bauersleute verwandelt, welche als Marketender den Franzosen den Inhalt ihrer Fäßchen als willkommene, herzstärkende Erquickung, woran es ihnen, wie wir wußten, sehr fehlte, anzubieten gingen. Natürlich mußten wir auf Schleichwegen ein Stück von unserm Lager uns entfernen und von einer andern Seite her in die Mitte der Franzosen zu kommen suchen.

Mir klopfte doch unterwegs das Herz gewaltig, denn die Aussicht, im ungünstigen Falle als Spion entdeckt und an dem nächsten Baum aufgeknüpft zu werden, war nicht sehr erfreulich. Ein Blick indeß auf meinen Hauptmann, der mit der gleichgültigsten, unbefangensten Miene dahinschritt, machte mir wieder Muth. Eins fiel mir plötzlich schwer auf’s Herz. „Herr Hauptmann,“ begann ich, „ich kann ja nicht Plattdeutsch sprechen.“

„So hältst Du Deinen Mund,“ war seine Antwort, „Du kannst Dich überhaupt etwas schwerhörig stellen und schenke nur frisch ein, und wenn

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 559. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_559.jpg&oldid=- (Version vom 19.2.2017)