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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

95
     Und häufelt

     Und träufelt,
     Daß er gesunde,
     Ihm Balsam in die brennende Wunde!
Dort, bei der kranken Mutter droht

100
Mit kalter Hand der bleiche Tod.

     Auf, helfet dort
     Und jaget fort
     Den bleichen Gesellen!
     Laßt Leben quellen

105
     Und Lebenswonnen

     Aus Euren Bronnen!
Dort klagt ein Greis – mischt Eure Kräutchen!
Ein Jüngling dort und dort ein Bräutchen,
Dort giebt’s zu trösten und dort zu helfen,

110
An’s Werk! an’s Werk! ihr guten Elfen!“


Da kamen die Kleinen – Eins, Zwei, Drei! Herbei,
Und schleppten Zucker heran und Manna,
Und aus der Havanna
Die Nicotiana.

115
Es kam der Mohn und brachte stumm

Sein Opium,
Nachtschatten, Schierling und Bilsenkraut
Brachten herbei, was sie gebraut.
Stechapfel, Schöllkraut und Kellerhals

120
Und der wilde Lattich ebenfalls,

Der Finger-, Eisen- und Pfaffenhut,
Sie brachten Säfte, frisch und gut,
Auch Bella Donna bot sich an:
„Ich helfe, wo ich helfen kann!“

125
Und mit den Giften kam zum Schluß

Der Nieswurzmann, Herr Helleborus.
Da niesten Kobold, Nix und Elf
Und Oberon sprach sein: „Gotthelf!“
Es stellten zum Dienst sich freudig alle

130
Kobolde der Steine und Metalle,

Es eilte her auf flüchtigem Fuß
Des Weines Geist, Herr Spiritus,
Benamst der große Alkohol,
Und sprach: „o Herr, zu der Menschheit Wohl

135
Magst Du nach Willkür und Vergnügen

Frei über Deinen Knecht verfügen!“

Drauf sprangen sie in buntem Gemisch
     An die Arbeit frisch,
     Sie pochten und kochten,

140
     Sie stampften und dampften,

     Zerrieben und hieben,
     Sie rührten und schürten,
     Schmierten und schnürten,
     Sie hoben mit festen

145
     Händen die Schwengel

     Und preßten
     So Blüthen, als Kapseln und Stengel
     Und zogen Essenzen –
     Ihr könnt mir’s glauben –

150
     Und sogen Potenzen

     Aus Dolden und Trauben,
     Aus Körnern und Dörnern,
     Aus Bast und Borke
     Und stopften und klopften

155
     Die Flaschenkorke,

     Sie wägten und wippten,
     Kippten und nippten,
     Es füllten die Gase
     Aus Helm und Blase

160
     Und Wohlgerüche

     Die Zauberküche.

Herr Oberon, der lief dazwischen,
Sah zu, daß die Kleinen richtig mischen,
Und rief zu Kobold, Elf und Fee

165
Ein lustiges „Recipe! Recipe!“


     Die Händchen ruhten
     Nicht zehn Minuten,
     Und eh’ ich’s gedacht,
     War Alles vollbracht –

170
Die Pulver, Pillen und Mixturen,

Die Näpfe gebunden mit festen Schnuren,
Die Salben fertig und fertig die Dütchen,
Auf jeder Flasche ein blaues Hütchen,
Ein langer Zettel auch dran gebunden,

175
Die Zahl der Löffel zu bekunden.

Herr Oberon schaute fröhlich drein:
„Mög’s allen Armen zum Segen sein!“

Da schlug es Eins – und mit einem Ruck
Verschwunden war der Geisterspuk.

180
Ich aber hab’ die ganze Nacht

Gewacht und still bei mir gedacht:
„Dank Ihm, der auch durch Giftes Kraft
Noch Wunder thut und Leben schafft,
Dank sei dem Herrn, der Solches thut,

185
Wir steh’n in guter Geister Hut!“


Was meint Ihr wohl, wo ich gewesen?
Ich hab’s am nächsten Morgen gelesen,
Es war gemalt an des Hauses Schild
Gar lieblich eines Knaben Bild

190
Mit Flügeln und einem Lilienstengel.

     Und an der Wand
     Darunter stand:
„Die Apotheke zum goldnen Engel.“




Luther auf der Wartburg.[1]
Nach ungedruckten Aufzeichnungen über Luther’s Gefangennehmung.
Von Dr. Pollack in Waltershausen.


Luther’s letztes Wort auf dem Wormser Reichstage „Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir; Amen!“ hatte jeden ferneren Versuch, ihn in Worms zum Widerruf zu bewegen, vereitelt. Dafür sollte er zum Schweigen gebracht werden, vor Allem wo möglich nicht wieder nach Wittenberg gelangen. Bei solchen Anschlägen von Seiten seiner Feinde mußten seine Freunde um so mehr darauf bedacht sein, ihn bei Zeiten der Gefahr zu entrücken, aber die Macht und Entschlossenheit dazu besaß allein sein hoher Beschützer, der weise Kurfürst Friedrich von Sachsen, doch war dieser viel zu gewissenhaft, sich der Verlegenheit auszusetzen, dem Kaiser gegenüber den Ort zu kennen, wo er Luther etwa geborgen habe. Er besprach daher den Plan mit seinem Hofprediger und Geheimschreiber Spalatin und überließ diesem die weitern Maßnahmen. Jedenfalls hatte Spalatin als solches Asyl die kurfürstliche Wartburg fern von Wittenberg im Auge, überließ aber die weitere Ausführung des kühnen Planes lieber der Uebung eines starken Haudegens in Abenteuern, als den er wohl den Schloßhauptmann der Burg, Hans v. Berlepsch, kannte, denn noch blühte das goldene Zeitalter, in welchem feindlicher Angriff mit gespannter Armbrust oder eingelegter Lanze dem Reisenden häufig die Straße verlegte. Den vertrauten Boten Spalatin’s an den Hauptmann verschweigt uns die Geschichte; ihn selbst, als den Geheimsecretair des Kurfürsten, hielten noch wichtige Geschäfte in weltlichen Angelegenheiten am Reichstag zu Worms zurück. Luther selbst erfuhr nur im Allgemeinen, daß man damit umgehe, ihn der Macht seiner Feinde zu entrücken; wie seine Sicherung bewerkstelligt werden sollte, war ihm dagegen nicht bekannt. Daß Berlepsch von Spalatin’s Idee, Luther auf der Rückreise einen Ausflug zu seinen Verwandten in Möhra machen zu lassen und auf diesem Abstecher in Sicherheit zu bringen, unterrichtet wurde, ist natürlich, vielleicht rieth er selbst dazu, da es ihm wohl bedenklich erschien, Luther schon von Eisenach aus zu entführen. Allein auch der Umweg über Möhra und Altenstein war durchaus nicht ohne Gefahr, wenn ein Fanatiker zu einem Ueberfall einen Umstand benutzte, ohne welchen die Gefangennahme auch in friedlicher Absicht unmöglich war, nämlich die gelegentliche Entfernung des kaiserlichen Heroldes, denn der Weg zog sich zum Theil durch das Gebiet der streng katholischen Grafen Wilhelm und Heinrich v. Henneberg, ehe er in das des sächsischen Ritters Burkhard Hund v. Wenkheim zum Altenstein überführte. Da nun schon in Worms durch Spalatin Anstalt getroffen worden war, den Geleitsmann zur rechten Zeit zu Gunsten des Wartburg-Hauptmanns zu beseitigen, so blieb dem Ritter noch die Aufgabe, auch den Nachbar des hennebergischen Gebietes, Burkhard Hund auf Altenstein, in das Geheimniß zu ziehen, damit dieser jenes so lange als nöthig überwachte. Der Ritter war zur Unterstützung um so leichter zu gewinnen, als er sein Besitzthum dem Kurfürsten zu danken hatte. Sein älterer Bruder, Hans Hund von Wenkheim bei Lauringen in Baiern, war aus einem jetzt unbekannten Grunde in Friedrich’s des Weisen Dienste getreten und später mit Schloß und Herrschaft Altenstein belehnt worden, weil er mit anderen Rittern den Fürsten 1493 auf seiner Pilgerfahrt zum heiligen Grabe begleitet, dabei aber einen großen Theil seines Vermögens eingebüßt hatte. Ueberdies war Burkhard Hund auch eher im Stande, den geeignetsten Platz zur Aufhebung in der dortigen Gegend ausfindig zu machen, als der Hauptmann der fernen Wartburg selbst.

Man erkor daher zu diesem Platze den zwischen waldigen Höhen versteckten Hohlweg, jene Strecke der Straße von Franken nach Thüringen, die sich unterhalb einer verfallenen Capelle, zum Glisbach genannt, in etwas gebogener Richtung hinzog und in die

  1. Ein Beitrag zur achten Säcularfeier der Gründung der Wartburg.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 614. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_614.jpg&oldid=- (Version vom 19.2.2017)