Seite:Die Gartenlaube (1867) 623.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

zu nennen sind. In unkeuscher Liebe zu einer Hofdame seiner Gemahlin, Kunigunde von Eisenberg, entbrannt, beschloß er in Gemeinschaft mit dieser, welche ihm einen Sohn Apitz geboren, die Landgräfin Margaretha durch einen Eselstreiber, der das frische Wasser auf die Wartburg zu holen hatte, um’s Leben bringen zu lassen. Doch der gedungene Mörder entdeckte der unglücklichen jungen Fürstin den Plan und floh mit ihr aus der Burg. Ehe sie in einem Korbe an der westlichen Mauer Nachts hinabgelassen wurde, biß sie beim verzweiflungsvoll zärtlichen Abschied von ihren Kindern den ältesten Sohn Friedrich in die Wange, wovon er nachher den Beinamen erhielt. Schon nach zwei Monaten beschloß die edle Kaiserstochter ihr kummervolles Leben als Nonne des Katharinenklosters zu Frankfurt am Main (1270), und der verbrecherische Landgraf heirathete seine Buhle und suchte deren Sohn Apitz das Erbe seiner Söhne erster Ehe zuzuwenden, welche bei ihrem Oheim Dietrich dem Weisen, Markgrafen von Meißen, erzogen wurden. Im Streit zwischen ihnen und dem unartigen Vater gerieth der junge Prinz Friedrich in schwere Gefangenschaft auf der Wartburg (1281), aus welcher er erst nach Jahr und Tag durch List entkam. Kaum war nun nach dem frühen Tode der Landgräfin Kunigunde ein Vergleich zwischen dem Vater und den Söhnen zu Stande gekommen, in welchem Friedrich die Pfalzgrafschaft Sachsen, Diezmann das Pleißner Land, das mütterliche Erbe, erhalten sollte, als durch das Bestreben des Landgrafen, seinem Sohne Apitz verschiedene Güter und Schlösser als Eigenthum zu übergeben, der Streit von Neuem ausbrach, in welchem die Söhne glücklicher waren, als früher. Denn Albrecht gerieth in die Gefangenschaft seines Sohnes Friedrich (1289), aus welcher ihn nur die Zustimmung zu der Bedingung, ferner nichts ohne den Willen seiner Söhne zu unternehmen, befreien konnte.

Nun verheirathete er sich mit Elisabeth, der Wittwe Otto’s von Arnshaug, geborenen Reußin von Plauen, in deren gleichnamige Tochter sich Friedrich später verliebte und sie von Arnshaug entführte, um sich mit ihr zu vermählen (1299). Der Tod des Markgrafen Dietrich des Weisen, Albrecht’s Bruders (1283), und der seines einzigen Sohnes Friedrich des Stammlers (1291) erledigte das Meißnerland, welches Friedrich und Diezmann in Besitz nahmen. Aber ihr Vater machte Ansprüche darauf, und so entstand ein neuer Streit, welchen Albrecht dadurch zu beseitigen hoffte, daß er Thüringen und wahrscheinlich auch Meißen an den deutschen König Adolph von Nassau zu verkaufen suchte, der verheerend in Thüringen einfiel und, von Friedrich und Diezmann mit wechselndem Glücke bekämpft, nach zwei Jahren ohne sichern Erfolg das Land wieder verlassen mußte (1297), so daß im folgenden Jahre, wo Adolf Krone und Leben verlor, Thüringen bis auf einige Städte (darunter Eisenach) wieder in der Gewalt der beiden Landgrafensöhne war.

Friedrich’s Stief- und Schwiegermutter brachte eine neue Aussöhnung zwischen dem Vater und den Söhnen zu Stande und Friedrich verweilte mit seiner jungen Gemahlin längere Zeit auf der Wartburg.

Der alte Groll zwischen dem landgräflichen Hause und der Stadt Eisenach, die immer noch am Enkel der heiligen Elisabeth hing, kam 1306 wieder zum offenen Ausbruch. Die Bürger, in der Hoffnung, reichsunmittelbar zu werden, wandten sich an den neuen König Albrecht mit der Bitte um Hülfe gegen die Landgrafensöhne, und der König, der seines Vorgängers Adolph Rechte auf Thüringen auf sich übergegangen erklärte, sprach über Friedrich und Diezmann, die seiner Einladung zu einem Reichstag in Fulda nicht nachgekommen waren, die Acht aus, zog gegen sie zu Felde und warf Kriegsvolk nach Eisenach. Landgraf Albrecht auf Wartburg stand auf Seite des Königs Albrecht und wider seine Söhne. Da führte Friedrich einen glücklichen kühnen Handstreich auf die Wartburg aus. Aus dem Versteck einer tiefen Felsenschlucht, die von dieser Begebenheit den Namen der Landgrafenschlucht erhalten hat, nahte er sich mit seinen Reisigen in der Nacht heimlich der Wartburg, erstieg sie, mit seiner Stief- und Schwiegermutter im Einverständniß, auf der Südseite und nahm seinen Vater ohne Widerstand der Besatzung abermals gefangen, der dann, von seiner Gemahlin bestimmt, am andern Tage die Wartburg räumte und seinen Wohnsitz in Erfurt nahm, wo er nach acht Jahren (1314) in ziemlich ärmlichen Umständen starb. Die Bürger sammt der königlichen Besatzung von Eisenach, über diesen unerwarteten Schlag auf’s Höchste erbittert, beschlossen, Alles aufzubieten, um den tapfern Fürsten aus der Bergveste zu vertreiben. Aber obgleich der König die vorzüglichern thüringischen Städte aufbot und die Belagerung der Burg sehr ernstlich betrieb, so vermochte er sie doch nicht einzunehmen.

In dieser Zeit des Drangsals genas Friedrich’s Gemahlin eines Töchterleins, und der fromme Vater beschloß, da kein Kleriker auf Wartburg war, das Kind auf Schloß Tenneberg vom Abt von Reinhardsbrunn taufen zu lassen. Mit zehn Helmen, die Amme mit dem Kinde in der Mitte, ritt er in der Nacht von Wartburg über den Goulanger durch den Sengelsbach, wo die Feinde seiner ansichtig wurden und ihn verfolgten. Während des scharfen Rittes schreit das Kind nach Nahrung und läßt sich nicht beschwichtigen. Da hält der Fürst sein Roß an mit dem Ausrufe: „Halt, Kumpane, das Kind muß trinken und sollte es das Thüringer Land kosten!“ Die drohende Stellung des reisigen Häufleins hielt den nahenden Feind zurück und das gesättigte Mägdlein wurde glücklich zur Taufe nach Tenneberg gebracht. Dies ist gewiß einer der schönsten Züge in einem bewegten Heldenleben.

Es gelang Friedrich, Hülfe an Mannschaft und Lebensmitteln aufzutreiben, und die Besatzung der Burg also ver- und gestärkt machte nun siegreiche Ausfälle, und als am 31. Mai 1307 der König bei Lucka von den Prinzen vollständig geschlagen wurde, bekam die Besatzung der Wartburg Luft. Friedrich’s Länderbesitz vergrößerte sich gleich darauf durch das Erbe seines Bruders Diezmann, welcher in der Christnacht vor dem Altar der Thomaskirche in Leipzig knieend ermordet worden war, worauf die thüringischen Großen, bis auf wenige Städte und Herren, dem Markgrafen Friedrich als ihrem rechtmäßigen Fürsten und Landgrafen huldigten. Diesem Beispiel folgte auch Eisenach, als König Albrecht am 1. Mai 1308 von seinem Neffen Johann von Oesterreich ermordet worden war. Landgraf Friedrich sagte den Eisenachern volle Verzeihung zu, und der neue König Heinrich der Siebente entsagte allen Ansprüchen auf Thüringen und belehnte den Landgrafen Friedrich mit der Landgrafschaft Thüringen und der Markgrafschaft Meißen. Und er war ein weiser, tapferer und gerechter Landesfürst, noch oft in kriegerische Händel verstrickt, aus welchen er jedoch stets mit Ehren hervorging. Im Jahre 1317 äscherte ein Blitzstrahl einige Hauptgebäude der Wartburg ein, die der Landgraf, wenn auch nicht so prächtig wie erst, wieder herstellen ließ.

Gegen sein Lebensende verfiel dieser ausgezeichnete Fürst in Tiefsinn und schweres Gebreste, veranlaßt durch ein geistliches Schauspiel, welches die Mönche des Predigerklosters (Dominikaner) mit ihren Schülern in der sogenannten Rolle, einem öffentlichen Gebäude in Eisenach, am Abende vor dem Sonntag Misericordias (großem Ablaßfeste) 1322 aufführten. Es war das Spiel von den zehn Jungfrauen nach dem Evangelium des zehnten Trinitatis-Sonntags, Matthäus 25, 1–13., in welchem die fünf Thörichten trotz der Fürbitte der heiligen Jungfrau Maria von Teufeln in den Höllenrachen geschleudert werden. Der Landgraf wurde über diesen Schluß zornig, von Zweifel erfüllt, erlitt einen Schlagfluß und brachte zwei und ein halbes Jahr auf dem Krankenlager in Trübsinn zu, bis er am 16. November 1324 seinen Leiden erlag. – Im Jahre 1440 fielen die Thüringer Länder an die beiden Söhne des ersten Kurfürsten aus dem Hause Wettin, Friedrich des Streitbaren, an Kurfürst Friedrich den Sanftmüthigen und Herzog Wilhelm den Dritten, den Tapfern. Der Letztere wurde Herr von Thüringen und residirte in Weimar.

Die Wartburg stand verlassen und ihr fürstlicher Glanz erlosch. Sie trug von nun an den Wittwenschleier.

Mit Luther’s Aufenthalt auf der Wartburg beginnt dieselbe ihre zweite Glanzperiode. Diese sowohl, wie ihre spätere Geschichte, ihre prachtvolle Wiedergeburt durch den Großherzog Karl Alexander von Weimar und ihre nationale Bedeutung auch für die Zukunft wird ein zweiter Artikel darlegen.



Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 623. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_623.jpg&oldid=- (Version vom 19.2.2017)