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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

Scheune ein und wollen sich zum Roggenhaufen begeben. Im Mondenschein erkennen M. und dessen Sohn deutlich ihre beiden Arbeiter, die Brüder Schmidt, den dritten Dieb dagegen, der mit abgewendetem Gesicht steht, halten sie nach Größe, Kleidung und Gestalt für ihren Arbeiter Lorenz. Da ergreift den jungen M., der sich in der Nachtluft erkältet hat, ein unbesiegbarer Drang zum Niesen und die drei Diebe nehmen Reißaus. Um sich zu überzeugen, ob der dritte Dieb wirklich Lorenz gewesen, begeben sich M. und Sohn sofort in das Lorenz’sche Haus. Als sie hereintreten, liegt Lorenz anscheinend in tiefem Schlafe im Bette. Der junge M. entdeckt aber an dem unteren Rande des Deckbettes etwas Schwarzes, und siehe da, es ergiebt sich, daß Lorenz gestiefelt und gespornt im Bette liegt und frischer Straßenschmutz an seinen Stiefeln klebt. Auf Befragen erklärt er, daß er gewöhnlich mit den Stiefeln zu Bett gehe. Eine Mitbewohnerin des Hauses aber, die an Schlaflosigkeit leidet, hat wenige Minuten vor der Ankunft der beiden M. den Lorenz in raschem Laufe aus der Gegend der M.’schen Scheune heimkehren sehen.

Genug Material zur Anklage! Der Diebstahl war mittels falschen Schlüssels versucht, beide Schmidt und Lorenz waren schon früher wegen Diebstahls bestraft, also war die Competenz des Schwurgerichts begründet. Letzteres stand keinen Augenblick an, alle Drei ihres Leugnens ungeachtet der That für schuldig zu erklären, und der Gerichtshof verurtheilte Jeden zu zwei Jahren Zuchthaus. Das Urtel wurde ohne Anstand rechtskräftig und die Verurtheilten wanderten auf die Strafanstalt.

Es sind sechs Monate vergangen. Ich sitze eines Morgens am Schreibtisch, als eine Arbeiterfrau, Namens Köpping, zu mir eintritt.

„Herr Staatsanwalt, meinem Manne läßt es keine Ruhe, Lorenz ist unschuldig bestraft, mein Mann ist der Dritte gewesen. Sein Gewissen quält ihn so sehr, daß der Lorenz unschuldig leiden muß.“

Der Leser kann sich denken, wie diese Worte im Ohr des Staatsanwaltes klangen, der die hohe Pflicht hat, nicht nur den Schuldigen zu strafen, sondern den Unschuldigen zu schützen. Und doch sind solche Selbstbezichtigungen nur mit Vorsicht aufzunehmen, da es vorzukommen pflegt, daß alte, lebenssatte und nahrungslose Leute die Schuld für einen jungen, rüstigen Freund auf sich zu nehmen versuchen.

Noch an demselben Tage ließ ich den Köpping kommen. Er legte ein volles, unumwundenes Geständniß ab, beschrieb alle Einzelheiten der That, sogar solche, die M. und Sohn bei ihrer Vernehmung anzugeben vergessen hatten; kurz, es war kein Zweifel, er war der Dritte im Bunde gewesen und Lorenz war – unschuldig bestraft. Der Telegraph ist schnell, Lorenz wurde sofort vorläufig entlassen, Köpping kam unter Anklage, wurde verurtheilt, zumal auch die beiden Brüder Schmidt jetzt den Mund aufthaten und Köpping’s Mitthäterschaft bestätigten, und Lorenz wurde nun vollständig begnadigt und rehabilitirt.

Es war der erste derartige Fall, der mir passirt war. Ein Trost blieb mir, freilich ein schlechter. Es hatten sich außer mir die Geschworenen und die Richter zum Nachtheile des Lorenz geirrt. Eines aber fiel mir auf. Es war der Umstand, daß Lorenz gegen das Urtel des Schwurgerichts kein Rechtsmittel einzulegen versucht hatte. Ich calculirte, daß, wenn Jemand unschuldig bestraft wird, er kein Mittel unversucht läßt, seine Unschuld zu beweisen. Aber nicht ein einziger Antrag des Lorenz befand sich bei den Acten, nicht einmal die Gnade des Königs hatte er angerufen. Wie war das zu erklären? Ich mußte Licht haben und ließ Lorenz kommen.

„Lorenz, Ihr seid unschuldig verurtheilt und habt unschuldig sechs Monate auf dem Zuchthaus gesessen!“

„Ja, Herr Staatsanwalt.“

„Köpping ist der Dritte gewesen, er wird Euch entschädigen müssen.“

„Er hat aber nichts, Herr Staatsanwalt.“

„Das ist schlimm, Lorenz; dann werdet Ihr Euch wohl damit trösten müssen, daß Köpping nun auch sitzt!“

„Es wird wohl nichts Anderes übrig bleiben, Herr Staatsanwalt.“

„Sagt, Lorenz, Ihr wart unschuldig bestraft; es fällt mir daher auf, daß Ihr gegen das Urtel nicht die Nichtigkeitsbeschwerde eingelegt oder, wie Ihr es nennt, nicht appellirt habt!“

Das Gesicht des Lorenz verzog sich zu einem eigenthümlichen Grinsen. Verlegen drehte er die Mütze in der Hand.

„Sprecht, Lorenz, weshalb habt Ihr nicht appellirt?“

Lorenz grinste mehr und mehr. Endlich sagte er: „Darf ich es Ihnen sagen, Herr Staatsanwalt?“

„Ja, Lorenz, Ihr könnt Alles sagen. Ihr seid vollständig begnadigt worden. Seid Ihr etwa doch dabei gewesen?“

„Ne, Herr Staatsanwalt,“ fuhr Lorenz auf, „da bin ich nicht mit gewesen, aber ich bin in der Nacht wo anders gewesen, und da dachte ich, wenn’s auch nicht für das Mal ist, so ist es für das andere!“

H. E.




Interessantes Giro. Von einem Herrn Aufermann in New-York ging neulich ein Wechsel von fünfundzwanzig Thalern für die Freiligrath-Dotation ein, der folgendermaßen girirt war:

Zahlet an die Ordre dessen,
Der den Löwenritt erdacht;
Der bei Belgrad die Affaire
In gehör’gen Reim gebracht;
Der die Wüste Sahara
Und den Mohrenfürsten sah.

Zahlet dem, der uns die Riegel
Schob von ferner Zone Pforten;
Der das Drängen seines Volkes
Ausgedrückt in Freiheitsworten;
Der den Werth entrichtet hat –
Zahlt an Ferdinand Freiligrath!




Findel’s Geschichte der Freimaurerei. Durch die Verdammungsbulle des römischen Papstes wie der Wiener „Neuen Freien Presse“ ist die allgemeine Aufmerksamkeit wiederholt auf den Freimaurerbund hingelenkt worden. Dieser Umstand mag es rechtfertigen, wenn wir die Leser unsers Blattes auf ein Hauptwerk über diesen Gegenstand hinweisen, nämlich auf die culturhistorisch wichtige und auch sonst interessante „Geschichte der Freimaurerei von der Zeit ihres Entstehens bis auf die Gegenwart. Von J. G. Findel“. Die früher herrschende Dunkelheit und Mythologie durchbrechend, hat der Verfasser darin den Ursprung des Maurerbundes in den deutschen Bauverbrüderungen des Mittelalters nachgewiesen und dessen Ausbreitung und Entwickelung mit vorurtheilsfreiem Sinne, mit großem Fleiße und mit Klarheit dargelegt. Die Idee echter Humanität und der Geist des Fortschritts, dem Findel wie hier so auch auf religiösem, socialem und politischem Gebiete huldigt, durchdringt das ganze Werk, welches wir als die erste vollständige und zuverlässige Geschichte der Freimaurerei um so freudiger begrüßen, als es einem Deutschen vorbehalten war, eine solche zu liefern. Im Auslande ist der Werth des Werkes dadurch anerkannt worden, daß es in’s Englische, Französische und Holländische übersetzt wurde.




Die Deutschen Blätter. Der heutigen Nummer unserer Zeitschrift liegt zugleich eine Nummer der Feuilletonbeilage der Gartenlaube, der von Dr. Albert Fränkel redigirten „Deutschen Blätter“, bei, auf die wir unsere Leser aufmerksam zu machen nicht verfehlen. Die Aufgabe der „Deutschen Blätter“ ist es bekanntlich, durch die Frische und Schnelligkeit ihrer Mittheilungen die Gartenlaube insoweit zu ergänzen, als dieser bei ihrer durch die große, immer steigende Auflage bedingten sehr langwierigen Herstellung tagesgeschichtlich Neues zu bringen nicht möglich wird.

D. Red.


Freiligrath-Dotation.


Bei der Redaction der Gartenlaube gingen wieder ein: Von des alten Hirsches Ruhe in Schwaben 3 fl. (1 Thlr. 21 Ngr. 3 Pf.); H. G. R. in Kiel 5 Thlr.; von dem socialen Turnverein in Dubuque (am o. Mississippi) 129 Thlr. (herzlichen Gruß an Alle dort, die in der großen neuen Heimath doch niemals die alte vergessen); E. B*** in Wetzlar 1 Thlr.; B. B. zu Murom (Rußland) 5 Rubel (für Ihre freundlichen Zeilen, die eine so herzige Liebe zur Gartenlaube aussprechen, den besten Dank); der Bürgerverein in Freiberg 5 Thlr.; aus Schlitz vom Musikkranz und anderweitig gesammelt durch Dr. Briegleb 18 fl. rhn.; Redaction der Neuen Wismarschen Zeitung 5 Thlr.; Sammlung der Altenburger Zeitung 9 Thlr.; Liederkranz in Grönenbach 10 fl.; gesammelt auf der Festkneipe bei der Feier des sechsten Stiftungsfestes vom Zweibrückener Turnverein 10 fl.; von bairischen Sängern bei einer Vereinigung in Fürstenfeldbruck 30 fl. rhn.; gesammelt von der Redaction der Pfälzer Volkszeitung in Kaiserslautern 35 Thlr. 21½ Sgr.; gesammelt von der Freimaurer-Zeitschrift „die Bauhütte“, herausgegeben von Findel, in Beiträgen von den Logen: Zu den drei Cedern in Stuttgart – Harpokrates in Magdeburg – Zu den drei Ankern in Bremerhafen – Carl zu den sieben Burgen in Schwäbisch-Hall – Johannes zum w. Tempel in Ludwigsburg und von den Maurerkränzchen Concordia zur Landskrone in Oppenheim 73 Thlr. 4½ Sgr.; für drei Exemplare von Freiligrath’s Glaubensbekenntniß 4 Thlr.; Ertrag einer musikalisch-dramatischen Abendunterhaltung in Neu-Braunfels (Texas) durch die Herren Bodemann, Schimmelpfennig und Schmitz 87 Thlr. 6½ Sgr.

Die Redaction.




Für Johann-Georgenstadt.


Bei der Redaction der Gartenlaube gingen ein: Redaction der Casseler Tagespost 4 Thlr.; F. in Tirschtigel 6 Thlr.; einige Mitglieder des landwirthschaftlichen Vereins in Liegnitz 4 Thlr.; Ertrag einer Vorstellung der Turner in Isny 25 fl.; W. Zoepfl in New-Charlton 1 Thlr.; Sammlung einer Hochzeitsgesellschaft in Nürnberg 2 fl.; Ertrag einer Theatervorstellung in Soltau 16 Thlr. 15 Sgr.; Kegelverein in Frankfurt a/O., durch Referendar Bardt 20 Thlr.; Romling in Schandau 1 Thlr.; ein Harzbewohner in Wienroda 3 Thlr.; Emilie Jäckel in Spremberg 5 Thlr.

D. Red.




Inhalt. Der Habermeister. Ein Volksbild aus den bairischen Bergen. Von Herman Schmid. (Fortsetzung.) – Das Glockengrab im Kaiserdom. Von M. v. Humbracht. Mit Abbildung. – Neues Licht in ein altes Dunkel. – Die Wunder der Coulissenwelt. – Frauenleben in der Kalifenstadt. Von W. Gentz. Mit Illustration. – Blätter und Blüthen. Eine berühmte Schönheit.– Ungerecht und doch gerecht! – Interessantes Giro. – Findel’s Geschichte der Freimaurerei. – Die Deutschen Blätter. – Freiligrath-Dotation. – Für Johann-Georgenstadt.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 656. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_656.jpg&oldid=- (Version vom 5.3.2017)