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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

gegenüber, außer der Zufluchtsanstalt für Büßerinnen, auch Asyle für verwahrloste und verwaiste Kinder und für junge Personen zu eröffnen, denen aus Mangel an Erziehung und Aufsicht, durch böses Beispiel oder Armuth in der Welt Gefahren drohten.“ Seit siebenzehn Jahren sind von Angers aus in allen Ländern und Welttheilen bereits einundvierzig Häuser gegründet worden, in Deutschland schon vor der büßenden Gräfin in München, Aachen und Münster, seitdem durch sie in Wien und Mainz. „Wie ein stilles Eiland,“ so beschreibt sie die Klöster in dem Büchlein ‚vom guten Hirten‘, „an dessen hohem Gestade kein Nachen landen kann, liegt das Kloster in tiefer Abgeschiedenheit mitten im geräuschvollen Weltmeer und Weltverkehr da. Gegenüber dem Streben der Welt in die Weite und Breite ist es nach innen gesammelt und nach oben gerichtet. Es braucht auch ein unirdisches Element, welches sein mystisches Leben erhält und ernährt, und das ist der Altar, dieser unversiechliche Brunnen der Gnade und der heiligen Liebe, auf welchem das allerheiligste Sacrament ruht und das Kreuz steht. Sie bringen Licht und Schatten diesem mystischen Leben: die Nacht des Kreuzes und den Sonnentag der Eucharistie“ (des Abendmahls). Da haben wir eine Probe des sprachlichen Schwulstes und der gräflichen Mystik.

Zwei Jahre später wurde sie nach Wien eingeladen, wo man ein Kloster „vom guten Hirten“ hauptsächlich in der Absicht zu gründen wünschte, um die Anstalten für weibliche Sträflinge in die Hände der Ordensschwestern zu bringen. Kaiser Franz Joseph nahm huldreich die Bittschrift an, welche ihm die Gräfin über diesen Gegenstand überreichte, und gewährte sie. Auch sämmtliche Minister jener Zeit, Baron Bach, Graf Thun, Baron Kraus und General von Kempen, gingen bereitwilligst darauf ein, und im Sommer kamen die Frauen „vom guten Hirten“ nach Neudorf bei Wien, wo sie bis zur Stunde einer großen Strafanstalt vorstehen.

Die Gräfin aber kehrte nach Mainz zurück, wo auf ihre durch ihre Schriften gewonnenen Kosten ein Kloster für die Frauen „Vom guten Hirten“ erbaut worden war. Sie richtete das Kloster ein und übergab es den Klosterfrauen, damit diese in demselben ihrem schweren Beruf, der Besserung der Verwahrlosten und Gefallenen, nachkommen möchten. Doch wer erklärt auch hier wieder den Zwiespalt der Natur? Die Gräfin selbst nämlich schloß sich in keiner Weise der Congregation an, sondern machte nur die Bedingung, für sich ein Zimmer im Kloster zu bewohnen. Dort lebt sie vollkommen frei und unabhängig bis auf diese Stunde, mit literarischen Arbeiten und Werken der Wohlthätigkeit beschäftigt. Um indessen der Möglichkeit irgend eines Conflictes mit dem Mutterhause in Frankreich vorzubeugen, wurde einige Jahre später das Kloster und dessen Dotirung an das Bisthum Mainz als Diöcesananstalt abgetreten und erhielt als solche von der Staatsregierung Corporationsrechte.

Der Gräfin einzige noch lebende Tochter starb unvermählt im Jahre 1856. Dafür war sie so glücklich bei ihrem Bruder und dessen Familie, einem mecklenburgischen Edelmann, der Besitzungen zu Neuhaus in Holstein hat, Propaganda zu machen. Auch er trat im Jahre 1858 zur katholischen Kirche über.

Außerordentlich gesteigert hat sich seitdem die literarische Fruchtbarkeit der Gräfin, und man kann sie die bedeutendste Publicistin der katholischen Kirche nennen; keine in der Gegenwart auftauchende Frage, die mit dieser Kirche in Berührung steht, hat sie ohne literarische Erörterung gelassen. So hat sie in vier Bänden mit „hoher bischöflicher Approbation“ „Bilder aus der Geschichte der Kirche“ erscheinen lassen. Doch ihrer alten Liebe, dem Romane, hat sie nicht untreu werden können, und zwar füllen die Romane: „Maria Regina,“ „Doralice“, „zwei Schwestern“, „Peregrin“, mit den Beisätzen „Erzählungen oder Familiengemälde aus der Gegenwart“, stets zwei Bände, wie sie auch gegen Ernst Renan ein Phantasiegemälde „Ben David“ gerichtet hat. Auch die zur Krisis sich drängende Frage von der „weltlichen Macht des Papstes“ hat sie in ihrem neuesten historischen Romane „Eudoxia, die Kaiserin. Ein Zeitgemälde aus dem fünften Jahrhundert“, natürlich im Gegensatz zu Döllinger in München zu Gunsten der weltlichen Macht, motivirend dahin zu beantworten gesucht, daß der Papst weltlicher Souverain bleiben müsse, um als geistlicher Fürst frei zu sein, und daß Rom nie die freie Hauptstadt des freien Italiens werden dürfe. „Rom muß der Mittelpunkt der geistlichen Welt bleiben,“ sagt sie, „weil die heilige Kirche ein menschliches Element hat, und weil die Menschen die Träger ihrer Heiligkeit sind; so bedarf sie für diese Nachfolger der Apostel einer Freistatt, die nicht unter der Botmäßigkeit von Kaisern und Königen steht. Seitdem die christliche Kirche besteht, war Rom ihre Freistatt. Diejenigen, welche versuchten, es ihren Sceptern botmäßig zu machen, gingen einer nach dem anderen zu Grunde und Rom ging wie die Sonne immer auf. Es giebt Sonnenfinsternisse, – ja, ihre Folge ist tiefer Schatten auf Erden.“ So geschrieben am 29. November 1866 nach dem großen deutschen Kriege an dem Sitze des heiligen Bonifacius in der zweiten katholischen Metropole des Rheinlandes, zu Mainz. Hat sich diese, trotz vieler Bischöfe, wie eine Heldin mit der Oriflamme für die katholische Kirche, zu der sie übergetreten, streitende Heldin nicht ein Anrecht auf Heiligsprechung erworben? Wir begnügen uns vom protestantischen Standpunkt aus mit den Worten des frommen katholischen Pascal zu schließen: „La dévotion est une manie qui vient surtout aux femmes d’un certain âges comme une maladie ou comme une mode qu’il faut suivre.“ (Die Frömmigkeit ist eine Manie, welche besonders die Frauen eines gewissen Alters wie eine Krankheit überkommt oder wie eine Mode, die man mitmachen muß.)

H. Künzel.




Aus den Gärten und von den Bergen.
1. Bei der Mosterei in Schwaben.


Es war ein klarer Herbstnachmittag, als ich in Gemeinschaft eines schwäbischen Freundes dem hoch über Stuttgart gelegenen Bopserwalde zuschritt, um von dort einen Ausflug nach den Meiereien von Hohenheim, den eigentlichen Herzkindern des verstorbenen Königs Wilhelm, zu machen.

Wir wanderten an Fruchtbäumen und Rebhügeln dahin, und so kam das Gespräch ganz naturgemäß auf den Obst- und Weinbau. Als Norddeutschen waren mir Art und Betrieb des letztern ziemlich fremd, und so ließ ich mich gern von meinem sachkundigen Begleiter darüber belehren.

„Ihr müßt ja im Wein förmlich ertrinken,“ sagte ich zu meinem Freunde, indem ich auf die rings emporsteigenden Weingelände wies, welche Stuttgart umgeben. „Wächst Euch doch der Wein gewissermaßen zum Fenster hinein!“

„Mit dem Ersteren hat es keine Gefahr,“ antwortete jedoch mein Begleiter. „Allerdings sehen wir an jedem Straßenende die Weinberge aufsteigen, man sorgt aber auch dafür, daß wir nicht zu viel trinken, oder gar, wie Du vorhin meintest, im Wein ertrinken. Obgleich der Wein in unmittelbarer Nähe, ja beinahe in der Stadt wächst, ist er doch nicht so billig, wie man glauben sollte. Das kommt von der vielen Ausfuhr. Wie mancher schwäbische Wein wird außerhalb als dieser oder jener ‚Château‘ etikettirt und getrunken!“

„Wenn der Wein bei Euch verhältnißmäßig theuer ist, was trinken denn aber Eure Arbeiter während des Schaffens?“ fragte ich.

„Moscht!“ (d. h. Aepfel- und Birnenwein) antwortete er mir auf gut Schwäbisch.

Ich zog bei dem Worte „Most“ die Lippen zusammen, damit mir ja kein Tropfen darüber ginge. In Berlin hatte mich vor einer Reihe von Jahren ein Studiengenosse in den Garten des ‚Apfelpetsch‘ geführt, und noch heute denke ich an den Essiggeschmack, mit dem ich angeführt wurde und der mir damals lange nicht aus dem Munde wollte.

„Ja, so ‘n gut’s Glas Moscht isch eppes Delicat’s!“ fuhr mein Begleiter fort.

„Für Liebhaber!“ entgegnete ich. „Ich, für mein Theil, kann mich mit Most nicht befreunden und ziehe eher Wasser vor.“

„Ja, es kommt freilich darauf an, wie er ist und“ – setzte er nach einer Pause hinzu, „wie er zubereitet wird. Wir wollen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 667. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_667.jpg&oldid=- (Version vom 5.3.2017)