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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

Stoffe, auf welchen die Farbe gleichsam nur aufgeklebt ist, dürfen nach dem Eintauchen nur ganz lose ausgedrückt werden, und sollte sich hierbei die Nüance ändern, so wird, wie man durch Probiren an einem Lappen desselben Zeuges leicht ersehen kann, durch Zusatz von einigen Tropfen Kleesäure-Lösung, oder, umgekehrt, von einigen Tropfen Salmiakgeist zur Imprägnationsflüssigkeit die Farbe in ihrer ursprünglichen Schönheit zurückkehren. Die Präparation waschbarer weißer, ächtfarbiger oder ächt gedruckter Jaconette etc. hat gar keine Schwierigkeiten; entweder giebt man das Appreturmittel, d. h. den Leim, das Gummi, den Stärkekleister, gleich der kalten Salzlösung bei, oder man steift zuvörderst, läßt trocknen und zieht den Stoff erst nachträglich durch die Salzlösung; in jedem Falle erfolgt zuletzt das Plätten auf die angegebene Weise. Jede einigermaßen geschickte Plätterin wird sehr bald völlige Sicherheit in der Ausführung dieser Proceduren erlangen, und ich kann höchstens noch empfehlen, daß man sich hierbei nicht des zum Plätten der Leinwandwäsche bestimmten Bügeleisens, sondern eines andern, womöglich recht schweren aus Messing bediene, da durch einen größeren Druck derselbe Zweck erreicht wird, welchen man sonst durch recht heißes Plätten erstrebt. Eine übermäßig hohe Temperatur kann nämlich mancher zarten Farbe und wohl auch der Haltbarkeit sehr dünner Stoffe schaden, und ist das Gewebe noch naß, so bewirkt ein zu heißes Plätteisen, besonders wenn es aus Eisen besteht, leicht bräunliche Flecke. Die leinene Leibwäsche feuersicher zu machen, wird wohl Niemand für nöthig halten.

Nach dem angegebenen Preis des schwefelsauren Ammoniaks genügt schon ein Ueberschlag, die Billigkeit des Verfahrens in das Licht zu stellen; zur näheren Berechnung kann ich aber mittheilen, daß hundert Quadratfuß preußisch von Mull ca. ein Loth, von Jaconett ca. zwei Loth, von Kattun ca. fünf Loth Salz erfordern, so daß die Präparationskosten eines Kleides nur einige Pfennige betragen. Zur Beruhigung vorsichtiger Hausfrauen sei noch erwähnt, daß das schwefelsaure Ammoniak für die Gesundheit völlig unschädlich ist, daß es das Waschen des getragenen Stoffes nicht beeinträchtigt, wenn es auch rathsam ist, die Kleider vor dem Waschen durch Einlegen in warmes Wasser von dem Salze zu befreien, und daß vor allen Dingen die Haltbarkeit des Stoffes durchaus nicht verringert wird. In jedem Falle aber möchte ich bitten, sich im Anfange von etwa mißlingenden Versuchen nicht gleich abschrecken zu lassen; und gewiß ist es besser, so lange man noch nicht Meister in der Behandlung ist, ein etwas rauhes oder nicht wie starre Seide steifes, aber feuersicheres Kleid zu tragen, als gelegentlich mit allem Glanze in Flammen zu stehen.

Nachdem so die Praxis dieses „Damenlebenschützers“ genügend erörtert worden, verlangt vielleicht manche wißbegierige Leserin von der Wissenschaft auch eine Erklärung seiner Wirksamkeit. Ich will mich kurz fassen. Hält man einen schmalen Streifen von Baumwollzeug mit einem Ende in die Kerzenflamme, so wird er dort zunächst zum Verkohlen gelangen, er wird braun, dann schwarz, es brechen brennbare Gase und Dämpfe heraus und es bildet sich ein Gerippe von lockerer Kohle; in demselben Momente aber werden diese Verkohlungsproducte auch schon auf ihre Entzündungstemperatur erhitzt und es entsteht da, wo die Gase brennen, die Flamme, während etwas später die Kohle verglimmt. Bei dieser Verbrennung aber wird eine so große Wärme entwickelt, daß die benachbarten Baumwolltheilchen so heiß werden, daß sie auch erst zur Verkohlung und dann zur Verbrennung gelangen, und da sich fortwährend am brennenden Theile die noch nicht brennenden benachbarten Theile entzünden, so schreitet die Verbrennung ungehindert vorwärts. War aber zwischen und in den Fasern der Baumwolle ein mineralischer unverbrennlicher Stoff, wie schwefelsaures Ammoniak, abgelagert, so hemmt dieser nach Entfernung der anzündenden Kerzenflamme das Fortbrennen in mehrfacher Weise. Zunächst entzieht er der Flamme des brennenden Stoffes so viel Wärme, daß die benachbarten Partien nicht genug mehr empfangen, um auch verkohlen und verbrennen zu können, und zwar nimmt das Salz viel Wärme auf, um selbst warm zu werden, dann aber noch viel mehr, um zu schmelzen und zu verdampfen. Das Letztere aber geschieht so langsam, daß die Flamme verlöscht ist, ehe sie weiter greifen konnte, und es bleibt nur noch die Kohle übrig, welche fortglimmen und dadurch von Neuem die Entflammung herbeiführen könnte. Ein aufmerksam angestellter Versuch mit einem Stück präparirten Gewebes zeigt aber, daß es der Kohle zwar unmittelbar nach dem Verlöschen der Flamme stellenweise gelingt, unter Glimmen zu verbrennen, allein die Temperaturentziehung durch das Salz ist so bedeutend und vor Allem ist es dem Sauerstoff der Luft so schwer gemacht, durch die dichte, geschmolzene Kruste von Asche hindurch zur Kohle zu gelangen, daß der Verbrennungsproceß immer mehr in’s Stocken geräth und schließlich nicht ein Fünkchen sich weiter verbreitet, als die anzündende Flamme eingewirkt hatte. So entsteht also nur eine locale Beschädigung des Gewebes, während ein selbstständiges Weitergreifen des Brandes völlig unmöglich ist.

Gustav Merz.




Blätter und Blüthen.


Erinnerungen im Heinrich Heine. Heinrich Heine hat mich den Trommelschläger der Hegel’schen Philosophie genannt; ich habe deswegen geglaubt, im vierten Bande meiner Erinnerungen aus früherer Zeit Reveille für die Philosophie schlagen zu müssen, und trage es Heine nicht nach, daß er mir noch zum Abschiede eins versetzt hat. Ich hatte es reichlich verdient durch meine unbarmherzige Kritik im Anfang der Jahrbücher, die Heine lange genug geduldig ertragen hat. Ja, ich war überrascht von seiner Freundlichkeit, als ich 1843 nach Paris kam. Im Palais royal ging ich eines Abends mit einem jungen israelitischen Freunde an den Springbrunnen entlang. „Heinrich sitzt in der Rotunde,“ sagte er mir, „er wünscht Ihre Bekanntschaft zu machen; erlauben Sie mir, daß ich Sie vorstelle.“

„I, der alte Fuchs! Das ist ja recht menschlich von ihm!“

„Denken Sie nicht, daß er Ihnen Ihre Kritik nachträgt.“

„Was sagt er denn?“

„Er meinte, wenn man ordentlich gekreuzigt würde, stände man auch ordentlich wieder auf.“

„Nun, so lassen Sie uns hingehen.“

Heine war ein kleines, etwas corpulentes Männchen, unbefangen und eine freundliche Erscheinung. Mit kleinen schlauen Augen, erregte er keinen Argwohn, als lauerte er Einem auf. Man war sofort mit ihm vertraut.

„Wie geht’s in Deutschland? Sind die Gefängnisse bald voll? Ich höre, Jeder will sich sein Zimmer zum Gefängniß einrichten, um der Regierung unter die Arme zu greifen,“ begann er.

„Ihre Nachricht bezieht sich wohl zunächst nur auf Preußen,“ erwiderte ich.

„O nein, im Gegentheil, die Preußen sind es schon gewohnt, Staatsgefangene zu sein; die Anderen aber streben ihnen jetzt nach!“

„Sehen Sie dort, da sitzt ein preußischer Spion –“ fiel mein junger Israelit ein.

„Es giebt keine preußischen Spione,“ unterbrach ich ihn, „die Preußen bezahlen sie nicht.“

„Die unbezahlten,“ erwiderte Heine, „sind die schlimmsten: die hoffen erst was zu kriegen.“

So verlief die Unterredung weiter, wie zwischen alten Bekannten, ja, in Kurzem kamen wir sogar auf Privatangelegenheiten, und Heine erzählte, in Paris könne man immer Geld brauchen, wäre es auch nur, um bei Béfour zu essen, und ordentlich zu essen, das sei doch Jeder sich selbst schuldig. So brauche er jetzt gerade zweihundert Franken.

Ein dritter Israelit, der nicht zu unserer Gesellschaft gehörte, im Gegentheil für eine Art Pariah der Zeitungsliteratur galt und mit Recht so angesehen wurde, hatte sich immer in nicht großer Entfernung mit auf- und abgeschwungen, wie wir durch den Garten gegangen waren. Sowie er von den zweihundert Franken hörte, schoß er zu Heine heran und rief aus: „Ich will sie Ihnen leihen.“

Heine trat wie betroffen zurück, sah ihn einen Augenblick prüfend an und erwiderte dann: „Sie sind mir nicht sicher!“ womit der Andere ganz verdutzt abzog.

Wir lachten laut auf. „Gut,“ sagte Heine, „die zweihundert Franken minus sollen uns nicht abhalten, bei Béfour zu essen. Da, die Glasthür steht offen, treten wir ein. Die Mysterien von Eleusis sind hier zu haben.“

Der „Unsichere“ wagte uns nicht zu folgen, und die Aristokratie aß allein. Das Essen war so gut, daß Heine bemerkte, es verdiene knieend eingenommen zu werden, und als er fertig war, rief er aus: „Nun fühle ich mich besser!“

„Ueber Tisch fragte er: „Nun die Jahrbücher, mein Pranger, eingegangen, was wird denn in Deutschland an die Stelle treten?“

Ich theilte ihm mit, Schwegler, ein Schwabe, wolle Jahrbücher der Gegenwart herausgeben, um Alles wiederherzustellen, was wir demolirt hätten.

„Also auch mich, das hab’ ich gehofft. Aber Jahrbücher der Gegenwart? Da sind sie ja schon Maculatur, wenn man sie in die Hand nimmt.“

Nach Tische gingen wir in’s Lesecabinet. Heine gerieth in einer Revue auf einen Aufsatz über die neueste deutsche Literatur. Als ich bemerkte, er sei nicht des Lesens werth, legte er ihn weg mit den Worten: „Ich wollte auch nur sehen wo ich ausgelassen wäre!“

Während des Lesens der Zeitungen wurde ein alter Herr lästig, der sich fortdauernd mit lautem Geräusch räusperte. Heine rief: „Hsch! hsch!“ Dies nahm der Räusperer übel, trat heran und fand sich beleidigt. „Oh! c’était vous, Monsieur!“ sagte Heine entschuldigend, „pardon! Je croyais que c’était un chien!“ (Oh! Sie waren ‘s, mein Herr; Verzeihung, ich glaubte, es wäre ein Hund!) Der alte Herr verneigte sich und gab sich mit der Erklärung zufrieden.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 671. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_671.jpg&oldid=- (Version vom 5.3.2017)